Substitution

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Begriff Substitution

Aus medizinischer Sicht bedeutet Substitution (lat. substituere-ersetzen) den chemischen Ersatz von Atomen oder Atomgruppen einer bestimmten Verbindung durch andere Atome oder Atomgruppen. Diese nennt man Substituenten. In Bezug auf die Sucht nach Opiaten, z.B. Heroin, Morphin, bedeutet Substitution die regel- und planmäßige Behandlung des Süchtigen mit dem Ersatzsuchtstoff unter ärztlicher Aufsicht. Die Ersatzsuchtstoffe wirken durch ihre veränderte chemische Beschaffenheit Entzugssymptomen wie Zittern, Schwitzen, Halluzinationen etc. entgegen und vermindern das starke Bedürfnis nach dem Stoff, nach dem die Betroffenen eigentlich süchtig sind, d.h. die stoffliche Abhängigkeit wird von einem Suchtstoff auf einen artverwandten, aber weniger schädlichen umgelenkt. Der Rauschzustand, den man in der Szenesprache "Flash" oder "Kick" nennt, bleibt hingegen aus.


Gesetzliche Bestimmungen

Die Substitution findet ihre rechtliche Regelung in § 5 der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV), Verschreiben der Substitution. Per Definition nach § 5 Abs.1 BtMVV ist die Substitution die Anwendung eines ärztlich verschriebenen Betäubungsmittels bei einem opiatabhängigen Patienten zur

1. Behandlung der Opiatabhängigkeit mit dem Ziel der schrittweisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz einschließlich der Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes,

2.Unterstützung der Behandlung einer neben Opiatabhängigkeit bestehenden schweren Erkrankung oder

3. Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während einer Schwangerschaft und nach der Geburt.


Die Absätze 2 und 3 des § 5 BtMVV regeln die Voraussetzungen, die sowohl von Patienten als auch von Ärzten erfüllt sein müssen, um eine Substitutionstherapie durchführen zu können. Gemäß Abs. 2 Nr. 6 dürfen beispielsweise nur speziell ausgebildete Ärzte, die eine suchttherapeutische Qualifikation aufweisen, Substitutionsbehandlungen anbieten.

Absatz 4 verweist auf die existierenden Arten von Substitutionsmitteln (näheres hierzu auch unter 2.In Deutschland angewandte Substitutionsmittel, s.u.), die Absätze 5 bis 8 regeln ihre Anwendung und die Durchführungsformen der Therapie(z.B. die Verabreichung des Substituts in einer Arztpraxis oder die Verschreibung zur eigenverantwortlichen Einnahme).

In Absatz 9 sind die Voraussetzungen sowie die Angaben für die Ausstellung einer Substitutionsbescheinigung geregelt. Ein Patient benötigt beispielsweise im Falle eines Arztwechsels oder bei einer Reise ins Ausland eine Substitutionsbescheinigung. Sie enthält den Namen, den Vornamen, die Adresse des Patienten, das Ausstellungsdatum, sowie die Angabe und die Tagesdosis des Substitutionsmittels, den Zeitpunkt des Verschreibungsbeginns und die Gültigkeitsdauer der Bescheinigung. Die Bescheinigung soll zudem auf den Namen, die Anschrift, die Telefonnummer und die Berufsbezeichnung des ausstellenden Arztes verweisen.

Die Absätze 10 bis 12 regeln abschließend die Dokumentationspflicht des Arztes sowie die Festlegung von Richtlinien gemäß des allgemein anerkannten Standes der Wissenschaft seitens der Bundesärztekammer.

In Deutschland angewandte Substitutionsmittel

Methadon

Seit 1986 wird Methadon (Wirkstoff Levomethadon/Dextromethadon) zur Heroinsubstitution eingesetzt. Das in Deutschland bekannteste Substitutionsmittel ist sowohl als Trinklösung als auch in Tablettenform (Methaddict) erhältlich.Es besteht zu gleichen Anteilen aus sog. rechts-und linksdrehenden Wirkstoffanteilen, jedoch nur die linksdrehenden werden an den Opiatrezeptoren des Gehirns aktiv wirksam. Die Wirkung des Methadons tritt nach ca. 30 Minuten ein und hält ca. 24 Stunden, sie ist jedoch weniger intensiv als die des Heroins.Die rechtsdrehenden Wirkstoffanteile lösen häufig Nebenwirkungen wie vermehrtes Schwitzen, Schwindel, Übelkeit, Schweregefühl in Armen und Beinen etc. aus. Methadon ist geeignet für Langzeitabhängige mit Dextromethadonverträglichkeit.

L-Polamidon

L-Polamidon-Lösung (Wirkstoff Levomethadonhydrochlorid)wird als Reinform des Methadons seit 2001 zur Substitution eingesetzt. Es besteht zu 100% aus dem aktiv wirkenden linksdrehenden Wirkstoffanteil und wird daher vom Körper vollständig verwertet. Nach oraler Zuführung tritt die Wirkung nach ca. 30 Minuten ein und hält für ca.36 Stunden an. Der stabilere Wirkspiegel vermindert erheblich den Suchtdruck, weshalb sich viele Betroffene besser fühlen. Zudem ist die Verträglichkeit von L-Polamidon im Allgemeinen günstiger, denn Nebenwirkungen wie z.B. Schwitzen und Übelkeit, die durch Dextromethadon (siehe "Methadon") hervorgerufen werden, bleiben aus. Die Polamidonsubstitution eignet sich für Betroffene mit Dextromethadonunverträglichkeit sowie für Betroffene mit schweren Erkrankungen wie Hepatitis, AIDS und Depressionen.


Buprenorphin

Buprenorphin wird unter dem Handelsnamen SUBUTEX seit Februar 2000 zur Substitution eingesetzt und sind als Sublingualtabletten erhältlich.Der Wirkstoff Buprenorphin dockt an die Rezeptoren im Gehirn an, die Euphorie auslösen und hemmt jene, die Depressivität hervorrufen. Bei Ersteinnahme kommt es nach ca. 2-4 Stunden zum Wirkungseintritt, die Wirkungsdauer beträgt je nach Dosierung 1-3 Tage. Aufgrund der längeren Wirkungsdauer im Vergleich zu Methadon/Polamidon kann die Einnahme alle 2-3 Tage ausreichend sein. Buprenorphin wirkt außerdem weniger stark, verursacht weniger Nebenwirkungen und ist allgemein sehr gut verträglich. Die Abdosierung wird von den Betroffenen häufig als einfacher als unter Methadon/Polamidon empfunden. Buprenorphin ist geeignet für Lang-und Kurzzeitabhängige, Betroffene mit Methadonunverträglichkeit, sowie für Schwangere und Betroffene mit schweren psychischen Begleiterkrankungen.

Buprenorphin-Naloxon-Kombination

Seit März 2007 ist die Substitution mit SUBOXONE-Sublingualtabletten, einem Mischpräparat aus Buprenorphin und Naloxan (Verhältnis 4:1)möglich. Das Wirkprinzip ist gleich des SUBUTEX,denn das Naloxan wird bei sublingualer Einnahme des Präparats aufgrund seiner chemischen Eigenschaften nicht durch die Opiatrezeptoren resorbiert. Erst wenn der Anwender die Tabletten zwecks Schniefen pulverisiert bzw. zur Injektion verflüssigt, entfaltet das Naloxon seine Wirkung: es verdrängt nach nasaler/injektiöser Zuführung des modifizierten Präparats alle an den Opiatrezeptoren befindlichen Opiate, was sich in Form eines Enzugssyndroms äußert. Die Beimengung von Naloxon dient daher lediglich der Vorbeugung des Buprenorphin-Missbrauchs. Die Effizienz des Kombinationspräparats unterscheidet sich nicht von der des Reinpräparats Buprenorphin.

Ziele der Substitution

Ein drogenfreies Leben

Das primäre Ziel der Substitution ist es, dem Drogensüchtigen durch sukzessives Abdosieren des jeweiligen Ersatzstoffs in ein "normales" und geregeltes Leben zurück zu verhelfen. Viele Substituierte sind, vorausgesetzt die Vorgaben der Therapie und die Anweisungen des behandelnden Arztes werden eingehalten, nach und nach wieder fähig, einer Arbeit nachzugehen, am sozialen Leben teilzunehmen, verschiedene Hobbies aufzunehmen und sich ggf. wieder verstärkt um ihre Kinder zu kümmern.Ideal ist die Therapie verlaufen, wenn an ihrem Ende die völlige Freiheit von Drogen steht.

Verminderte Gefahr für die Gesundheit

Ein weiteres Ziel liegt in der Reduzierung von Gesundheitsrisiken, wie sie beispielsweise durch verunreinigte/gestreckte Drogen, mehrmals gebrauchte Injektionskanülen und eine unhygienische Umgebung entstehen. Die Substitutionsmittel sind pharmazeutisch hergestellte und kontrollierte Produkte, durch deren orale Einnahmeform Gefahren wie HIV-Infektionen, Venenentzündungen etc. vermieden werden können.

Weg von Beschaffungskriminalität und Prostitution

Als drittes Ziel der Substitution ist folgende Tatsache zu bewerten: Die Betroffenen bekommen von ihrem Substitutionsarzt regelmäßig ein verschriebenes, legales Produkt.Daher hat die Substitution für viele Betroffene den Wegfall des illegalen Konsums und des Drogenbeschaffungsdrucks, der meist mit strafbaren Handlungen wie z.B. Diebstahl, Hehlerei und/oder Prostitution einhergeht, zur Folge.

Zahlen

Die Zahl registrierter opiatabhängiger Personen, die sich einer Substitutionsbehandlung unterzogen haben, beläuft sich momentan auf ca. 65.000 Personen bundesweit. Im Schnitt schafft ein Drittel dieser Personen den kompletten Ausstieg, zwei Drittel kommen gelegentlich nicht ohne harte Drogen aus bzw. werden ganz rückfällig und brechen die Therapie ab. Die Zahl 65.000 zugrunde gelegt, ist es jedoch ein beachtlicher Erfolg, dass ca. 22.000 Opiatsüchtige (ein Drittel) den Ausstieg schaffen und wieder ein "normales Leben" führen können. Zudem sind diese Zahlen ein Indikator dafür, dass viele Abhängige gewillt sind, der Drogensucht ein Ende zu bereiten. Die Möglichkeit der Substitutionstherapie eröffnet also grundsätzlich eine Chance und eine Perspektive für jeden Abhängigen.

Risiken

Die Substitution mit Ersatzstoffen ist nur dann sicher, wenn die Anwender vernünftig und verantwortungsbewusst im Umgang mit ihnen sind. Leider kommt es seitens der Anwender sehr oft zm Beigebrauch, d.h. neben den Substitutionsmitteln werden noch weitere Drogen, Alkohol oder Medikamente konsumiert. Dies führt sowohl zu einer starken Gefährdung des Verlaufs der Substitutionstherapie als auch zu mehr oder weniger schweren Vergiftungen, auch Atemstillstände, die tödlich verlaufen können, sind möglich. Grundsätzlich gilt: wer neben dem Substitutionsmittel noch weitere Drogen konsumiert, begibt sich in (Lebens-)Gefahr. Es ist im Falle der Annahme des Betroffenen, die Wirkung des Ersatzstoffs reiche nicht aus, immer ratsam, den behandelnden Arzt zu konsultieren, der dann weitere Behandlungsschritte einleiten kann (z.B. Sedierung, Umdosierung etc.).

Literatur

-BASTIGKEIT, Matthias: "Ersatzdrogen als Drogenersatz", [1], Stand 2007

-Diakonisches Werk: "Drogenberatung-Substitution", [2], Stand 2004

-Drogen auf Rezept?"Legale Drogen" oder Rückweg ins Leben, http://www.medizin.de, Stand 2006

-KÖRNER, Dr. Harald Hans, BtMG/AMG, C.H.Beck-Verlag, 5.Auflage 2001

-PSCHYREMBEL, Klinisches Wörterbuch:259. Auflage, 2002, S.1609

-Substitutionshandbuch:"Ein Leitfaden für betroffene DrogengebraucherInnen", JES Osnabrück e.V., 2.Auflage, Juli 2002

-Substitutionsmittel, http://www.safer-use.de, Stand 2006/2007

-Überlebenschance Substitution, "Erfahrungsberichte", Broschüre des Bundesverbands der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit e.V., [http://www.indro-online.de ]