Staatsanwaltschaft

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Eine Staatsanwaltschaft (StA) ist in Deutschland als (Landes-)Behörde der Justiz für die Strafverfolgung und Strafvollstreckung zuständig.


Historie

Von der Antike bis in das Mittelalter war es weitgehend dem Verletzten selbst überlassen, vor Gericht eine Sanktionierung des Täters oder einen Schadensausgleich zu fordern. So sah noch die „constitutio criminalis carolina“ von 1532, das erste allgemeine deutsche Strafgesetzbuch, im Akkusationsprozess ausschließlich die Klagerhebung durch einen privaten Kläger vor.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde der Akkusationsprozess verdrängt durch die Ausweitung der Inquisitionsverfahren in die weltliche Gerichtsbarkeit. Der Inquisitionsrichter war zugleich der Ermittlungsführer, der die Beweise zusammentrug, Folter anordnen konnte und den Prozess unter Ausschaltung des Verletzten und der Öffentlichkeit "ex officio" schriftlich durchführte.

Mit Verbreitung des liberal-aufklärerischen Gedankenguts wurde zunächst in Frankreich 1789 der Inquisitionsprozess durch einen Anklageprozess abgelöst, der als Kläger einen staatlichen Beamten („procureur d`etat“) vorsah. Unter dem Einfluss Napoleons setzte sich diese Prozessform vom Rhein aus im gesamten Deutschen Reich durch.

Die ersten deutschen Staatsanwaltschaften wurden 1841 in Hannover und 1843 in Würtemberg eingerichtet, wobei sich deren Aufgaben auf die Mitwirkung an der Gerichtsverhandlung beschränkten. Als erste Staatsanwaltschaft, die auch mit der Durchführung der Ermittlungen betraut war, wurde 1846 die Staatsanwaltschaft in Preußen mit Sitz in Berlin gegründet. Diese war bewusst nicht als autonome Strafverfolgungsbehörde ausgestaltet, sondern wurde unter staatliche Kontrolle gestellt, um der Regierung eine Einflussnahme auf die Rechtsprechung zu ermöglichen.

Mit den Reichsjustizgesetzen 1877 wurde eine einheitliche Ausgestaltung der Institution Staatsanwaltschaft vorgenommen, die im Grundsatz bis heute Bestand hat.

Durch die Strafprozessreform im Jahre 1975 wurden die Rechte der Staatsanwaltschaft unter anderem durch die Abschaffung der gerichtlichen Voruntersuchung und der Ausweitung des Opportunitätsprinzips gestärkt.

Aufgaben

Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren („Herrin des Ermittlungsverfahrens“). Sie ist zuständig für die Beweisermittlung, die Verfahrenseinstellung oder die Erhebung der Anklage und die Strafvollstreckung.

Ermittlung

Sobald die Staatsanwaltschaft von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie die Aufgabe den Sachverhalt zu erforschen, um sodann zu entschließen, ob die öffentliche Klage zu erheben ist. (Vorverfahren und Ermittlungsverfahren). Dabei soll sie auch Gesichtspunkte ermitteln, die für die Bestimmung der Rechtsfolge der Tat zu berücksichtigen sind. Dazu gehören z.B. die Lebensverhältnisse und das nachtatliche Verhalten des Beschuldigten. Die Staatsanwaltschaft ist gehalten, nicht nur belastende, sondern auch die entlastenden Umstände zu erforschen und diese später gleichermaßen zu berücksichtigen. Dies hat zu der Bezeichnung als „objektivste Behörde der Welt“ geführt (nach Franz von Liszt, von ihm jedoch in abweichender Bedeutung, siehe Originalzitat). Hier unterscheidet sich die Institution der deutschen Staatsanwaltschaft von den Staatsanwaltschaften in anglo-amerikanisch geprägten Rechtssystemen, die als einseitig ermittelnde Strafverfolgungsbehörden auf die Verurteilung von Verdächtigen hinwirken.


Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe hat die Staatsanwaltschaft die Befugnis, von anderen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen selbst vorzunehmen oder von Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen. Rechtsgrundlage für diese Ermittlungen ist die Strafprozessordnung (StPO). Für eine Reihe von Ermittlungsmaßnahmen, die einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte erfordern, z.B. die Wohnungsdurchsuchung, der Erlass eines Untersuchungshaftbefehls oder die Überwachung der Telekommunikation, wird ein richterlicher Beschluss benötigt.

Anklage

Kommt die Staatsanwaltschaft durch ihre Erforschungen zu der Überzeugung, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht, reicht sie bei dem zuständigen Gericht eine Anklageschrift ein oder beantragt den Erlass eines Strafbefehls (Legalitätsprinzip). Andernfalls stellt sie das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein. Die Staatsanwaltschaft kann jedoch auch bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen, wenn verschiedene, in der Strafprozessordnung näher erläuterte Gesichtspunkte mehr wiegen, als das öffentliche Interesse (Opportunitätsprinzip). Für diese Verfahrenseinstellungen ist abgesehen von Fällen der Bagatellkriminalität die Zustimmung des Gerichts erforderlich.

Vollstreckung

Der Staatsanwaltschaft obliegt die Vollstreckung der gerichtlichen Strafurteile, mit Ausnahme der gegen Jugendliche und Heranwachsende betriebenen Strafverfahren, die durch das Gericht vollstreckt werden. Verwaltungsrechtliche Grundlage der Vollstreckung ist die Strafvollstreckungsordnung (StVollstrO).Diese regelt im einzelnen die Überwachung von Geldstrafenzahlungen,sowie von Bewährungsauflagen und die Ladung von Verurteilten zum Haftantritt. Auf Grundlage des Strafurteils ist die Staatsanwaltschaft ermächtigt, gegebenenfalls selbst einen Vollsstreckungshaftbefehl zu erlassen. Die Staatsanwaltschaft kümmert sich um die Einziehung und Verwertung bzw, Vernichtung von Einziehungsgegenständen wie Tatwaffen und Diebesgut.

Ordnungswidrigkeiten

Die Staatsanwaltschaft übernimmt nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, wenn sich eine Tat zugleich als strafbar und ordnungswidrig darstellt oder der Betroffene im Bußgeldverfahren gegen den Bescheid der Verwaltungsbehörde Einspruch einlegt und die Verwaltungsbehörde diesem nicht abhilft.

Organisation

Rechtsgrundlagen für die Arbeit der Staatsanwaltschaft sind primär die StPO und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Diese statten die Staatsanwaltschaft zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit weitreichenden Befugnissen aus. Die Beamten, die diese wahrnehmen, sind Staatsanwälte, Amtsanwälte und Rechtspfleger. Die Staatsanwaltschaften haben ihren Sitz am Ort der Landgerichte, der Oberlandesgerichte (dort mit der Bezeichnung Generalstaatsanwaltschaft) und des Bundesgerichtshofs (dort mit der Bezeichnung Bundesanwaltschaft).

Hierarchie

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Organisationsstruktur der Staatsanwaltschaft, vom Autor erstellt

Die Staatsanwaltschaft ist als Organ der Exekutive von den Gerichten unabhängig und den Richtern weder über- noch unterstellt. Sie ist im Gegensatz zu den Gerichten nicht unabhängig, sondern hierarchisch und monokratisch gegliedert. An ihrer Spitze steht auf Landesebene an den Landgerichten ein Leitender Oberstaatsanwalt. Die Leitenden Oberstaatsanwälte der einzelnen Staatsanwaltschaften sind einem Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht unterstellt. Die Dienstaufsicht über die Generalstaatsanwälte steht dem jeweiligen Landesjustizministerium zu. Innerhalb dieser Hierarchie bestehen Berichtspflichten und Weisungsbefugnisse.

Innere Organisation

Eine Staatsanwaltschaft ist in verschiedene Abteilungen gegliedert. Jede Abteilung ist einem Oberstaatsanwalt als Abteilungsleiter und gegebenenfalls einem oder mehreren Gruppenleitern unterstellt.

Die Zuständigkeiten werden nach Deliktsgruppen unterschieden. So gibt es neben einer Abteilung für Kapitaldelikte meist eine Abteilung zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität, eine Abteilung für Betäubungsmittel- und Arzneimittelstrafsachen, eine Abteilung, die sich ausschließlich mit der Verfolgung von Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender beschäftigt, eine Vollstreckungsabteilung und Abteilungen zur Verfolgung allgemeiner Strafsachen. Innerhalb der Abteilungen führt jeder Staatsanwalt bzw. Amtsanwalt ein eigenes Dezernat. Die Verfahren werden den Dezernenten nach einem Geschäftsverteilungsplan durch den Abteilungsleiter zugeteilt und dann grundsätzlich in eigener Zuständigkeit aber weisungsgebunden bearbeitet. Gewöhnlich ist jede Staatsanwaltschaft für die Verfolgung aller Straftaten zuständig, die in ihrem Bezirk begangen wurden. Für bestimmte Deliktstypen kann die Zuständigkeit jedoch über den Bezirk eines Land- oder Oberlandesgerichts hinaus auf eine sogeannte Scwerpunktstaatsanwaltschaft übertragen werden. Schwerpunktstaatsanwaltschaften werden eingerichtet unter anderem um die Spezialisierung auf die Verfolgung von Deliktstypen, die besondere Sachkenntnis verlangen (häufig Wirtschaftsstrafsachen),zu ermöglichen.

Kritik

Obwohl die Institution der Staatsanwaltschaft bedeutend zur Durchführung möglichst objektiver Verfahren beiträgt und als fester Bestandteil des Justizsystems im Rechtsstaat unverzichtbar ist, bestehen Spannungsverhältnisse und werden Forderungen nach Veränderungen der gegenwärtigen Struktur erhoben:

  • Die Staatsanwaltschaft ist ein Organ der Exekutive, dennoch trifft sie in Ausübung des durch das Opportunitätsprinzips eingeräumten Ermessensspielraumes Entscheidungen, die judikativen Charakter haben. Sie übernimmt die Funktion eines "Richters vor dem Richter". Hierin wird ein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung gesehen. Gefordert wird diesen Ermessensspielraum durch Ausweitung von Beschwerdemöglichkeiten einer stärkeren Kontrolle zu unterwerfen.
  • Aufgrund mangelnder personeller und technischer Ausstattung ist die Staatsanwaltschaft bei gleichzeitig zunehmender Komplexität von Sachverhalten, z. B. im Wirtschafts- oder Umweltstrafrecht, zur Durchführung eigener Ermittlungen kaum in der Lage, sondern darauf angewiesen, die Ermittlungen durch die Polizei durchführen zu lassen und Sachverständige zu beauftragen. Die Staatsanwaltschaft wird daher auch als "Kopf ohne Hände" bezeichnet.
  • Aufgrund des Weisungsrechts ist die politische Einflussnahme auf staatsanwaltschaftliche Entscheidungen nicht gänzlich auszuschließen. Im Ausland finden sich vereinzelt (so z.B. in Italien und den USA), Strukturen, die die Unabhängigkeit staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen von Regierungsinteressen konsequenter sicherstellen.
  • Die Staatsanwaltschaft wird erst bei Verdacht auf Vorliegen einer Straftat repressiv tätig. Kriminalpräventiv tätig werden kann die Staatsanwaltschaft allenfalls in beratender Funktion, mangels Rechtsgrundlagen jedoch nicht in eigener Zuständigkeit.



Literatur

  • Michael Heghmanns: Das Arbeitsgebiet des Staatsanwalts, Münster 2003
  • Roland Kalkofen: Die Staatsanwaltschaft, Würzburg 2007
  • Wolfgang Wohlers: Entstehung und Funktion der Staatsanwaltschaft, Berlin 1994

Weblinks