Kriminologie: Unterschied zwischen den Versionen

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In Deutschland gehört die Kriminologie zur nicht-juristischen [[Kriminalwissenschaft]] und ist somit (zumindest in Teilbereichen) den Rechtswissenschaften zuzurechnen. Sie ist bedeutsam im Zusammenhang mit dem Strafrecht und vor allem in Bezug auf das [[Strafvollzugsrecht]] bzw. bei dessen Umsetzung durch im [[Strafvollzug]] tätige [[Jurist]]en. Anwendung finden kriminologische Erkenntnisse im Strafrecht vor allem bei der Legalprognose im Zusammenhang etwa mit der Urteilsfindung oder auch der Aussetzung der Strafe zur Bewährung.
In Deutschland gehört die Kriminologie zur nicht-juristischen [[Kriminalwissenschaft]] und ist somit (zumindest in Teilbereichen) den Rechtswissenschaften zuzurechnen. Sie ist bedeutsam im Zusammenhang mit dem Strafrecht und vor allem in Bezug auf das [[Strafvollzugsrecht]] bzw. bei dessen Umsetzung durch im [[Strafvollzug]] tätige [[Jurist]]en. Anwendung finden kriminologische Erkenntnisse im Strafrecht vor allem bei der Legalprognose im Zusammenhang etwa mit der Urteilsfindung oder auch der Aussetzung der Strafe zur Bewährung.


== Begriffsgeschichte ==
== Geschichte und Strömungen der Kriminologie ==
Die Herkunft der Bezeichnung Kriminologie ist nicht eindeutig geklärt. Verwendet wurde der Begriff jedoch nachweislich zum ersten Mal von [[Raffaele Garofalo]] als Titel seines 1885 veröffentlichten Werkes "Criminologia".
Die Herkunft der Bezeichnung Kriminologie ist nicht eindeutig geklärt. Verwendet wurde der Begriff jedoch nachweislich zum ersten Mal von [[Raffaele Garofalo]] als Titel seines 1885 veröffentlichten Werkes "Criminologia".
=== 18. und 19. Jahrhundert: Die "Klassische" und die "Positive" Schule ===
[[Bild:VonVerbrechenundStrafen.jpg|left|]]
Als (zumindest geistiger) Begründer einer sog. "Klassischen Schule der Kriminologie" − und der Disziplin Kriminologie überhaupt − wurde früher verbreitet der Italiener [[Cesare Beccaria]] angesehen. In seiner im 18. Jahrhundert veröffentlichten Schrift "Dei Delitti e delle Pene" (dt. "Über Verbrechen und Strafen") plädierte er als [[Utilitarismus|Utilitarist]] in einer Art Manifest gegen die Zustände des damaligen Strafrechtswesen dafür, die Überkommenen Methoden (wie Folter, Todesstrafe etc.) durch humanere und nützlichere Methoden zu ersetzen. Obwohl Beccarias Schrift zunächst auf große Zustimmung traf, verhallten seine Forderungen recht bald wieder, ohne für große Veränderungen gesorgt zu haben. Beccaria wird einerseits teilweise als Vorläufer einer ettiketierungstheoretisch orientierten Kriminologie bezeichnet (so vom [[Schweiz]]er Kriminologen [[Karl-Ludwig Kunz]]), andererseits wird zunehmend bezweifelt, dass Beccarias Werk mangels empirischer Forschungsansätze überhaupt bereits der Kriminologie zuzuordnen ist.
[[Bild: Cesare_Lombroso.jpg|thumb|Foto eines zeitgenössischen Ölbildes des Psychiaters Cesare Lombroso]]
Als Urheber einer empirischen Kriminologie gilt hingegen der italienische Mediziner [[Cesare Lombroso]]. Dieser begründete − gemeinsam mit den Juristen [[Raffaele Garofalo]] und [[Enrico Ferri]] −  die "Positive Schule" der Kriminologie ("Secola Positiva" − Selbstbezeichnung). Im Jahre 1876 veröffentlichte Lombroso die erste Auflage seines Werkes "L'uomo delinquente" (dt. "Der Verbrecher"), in welchem er die These vertrat, dass man Verbrecher anhand physiologischer Merkmale erkennen könne. Nach dieser Theorie war das Verbrechen somit bei der Geburt determiniert, was zu dem Schluss führte, dass als Reaktion auf Verbrechen ausschließlich repressive Maßnahmen in Betracht kämen.
Lombrosos Thesen basierten auf Untersuchungen (körperlichen Messungen), welche er zunächst in seiner Zeit als Militärarzt an Soldaten und später an Strafgefangenen vorgenommen hatte und anhand derer er Tafeln mit den unterschiedlichen "Verbrechertypen" aufstellte.
Seine Theorien wurden allerdings bereits zu dessen Lebzeiten von anderen Wissenschaftlern widerlegt und werden heutzutage kaum noch vertreten.  Insbesondere der österreichische Philosoph [[Peter Strasser]] bestreitet in seiner antilombrosianischen Streitschrift [[Verbrechermenschen]] (1. Auflage 1984) auch Lombrosos Selbstanspruch als empirischen Forscher. Die Kriminologie Lombrosos bezeichnet er als den "als Wissenschaft verbrämten Mythos".


Als (zumindest geistiger) Begründer der Kriminologie wird der Italiener [[Beccaria]] angesehen. In seiner im 18. Jahrhundert veröffentlichten Schrift "Dei Delitti e delle Pene" (dt. "Über Verbrechen und Strafen") plädierte er in einer Art Manifest gegen das Strafrechtswesen im Allgemeinen und forderte, die Überkommenen Methoden (wie Folter, etc.) durch humanere Methoden zu ersetzen. Obwohl Beccarias Schrift zunächst auf große Zustimmung traf, verhallten diese Forderungen recht bald wieder, ohne für große Veränderungen gesorgt zu haben.
=== 20. Jahrhundert und Gegenwart ===
Als Urheber der empirischen (also streng an Fakten orientierten) Kriminologie gilt dagegen der italienische Mediziner [[Cesare Lombroso]]. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlichte er sein Werk "L'uomo delinquente" (dt. "Der Verbrecher"), in welchem er die These vertrat, dass man Verbrecher anhand physiologischer Merkmale erkennen könne. Nach dieser Theorie war das Verbrechen somit bei der Geburt determiniert, was zu dem Schluss führte, dass als Reaktion auf Verbrechen ausschließlich repressive Maßnahmen in Betracht kämen.
Die von Lombroso und seiner Schule begründeten anlagebedingten Erklärungsansätze wurden im 20. Jahrhundert durch die Adoptions- und die [[Zwillingsforschung]], sowie die weniger populäre sog. "Phosphattheorie" (verstärkte Aggressionsbereitschaft durch übermäßigen Konsum phosphathaltiger Fleischprodukte) fortgesetzt. Ferner wurde zeitweilig von der Existenz eines sog. Mörderchromosomes ausgegangen (überzähliges Y-Chromosom - [[XYY]]), dessen Kausalität für das Begehen von Verbrechen jedoch wissenschaftlich widerlegt werden konnte.
Lombrosos Thesen basierten auf Untersuchungen (körperlichen Messungen), welche er zunächst in seiner Zeit als Militärarzt an Soldaten und später an Strafgefangenen vorgenommen hatte und anhand derer er Tafeln mit den unterschiedlichen "Verbrechertypen" aufstellte.
Seine Theorien wurden allerdings bereits zu dessen Lebzeiten von anderen Wissenschaftlern widerlegt und werden heutzutage kaum noch vertreten.
Als weitere anlagebedingte Ansätze gelten etwa die Adoptions- und die [[Zwillingsforschung]], sowie die weniger populäre sog. "Phosphattheorie" (verstärkte Aggressionsbereitschaft durch übermäßigen Konsum phosphathaltiger Fleischprodukte). Ferner wurde zeitweilig von der Existenz eines sog. Mörderchromosomes ausgegangen (überzähliges Y-Chromosom - [[XYY]]), dessen Kausalität für das Begehen von Verbrechen jedoch wissenschaftlich widerlegt werden konnte.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzten sich zunehmend solche Stimmen durch, welche die Verbrechensursachen nicht ausschließlich in den Anlagen des Menschen vermuteten, sondern vielmehr auch die Umwelt als Ursache mit einbezogen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzten sich zunehmend solche Stimmen durch, welche die Verbrechensursachen nicht ausschließlich in den Anlagen des Menschen vermuteten, sondern vielmehr auch die Umwelt als Ursache mit einbezogen.
In diesem Zusammenhang entwickelte sich die von [[Franz von Liszt]] aufgestellte sog. '''Anlage-Umwelt-Formel''', wonach er das Verbrechen als Resultat der Eigenart des Täters und den diesen zur Tatzeit umgebenden äußeren Einflüssen beschrieb.
In diesem Zusammenhang entwickelte sich die von [[Franz von Liszt]] aufgestellte sog. '''Anlage-Umwelt-Formel''', wonach er das Verbrechen als Resultat der Eigenart des Täters und den diesen zur Tatzeit umgebenden äußeren Einflüssen beschrieb.
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== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Kriminalität]], [[Kriminalistik]], [[Kriminalprävention]], [[Kriminalbiologie]], [[Kriminalpolitik]], [[Profiler (Kriminalistik)]]
* [[Kriminalität]], [[Kriminalistik]], [[Kriminalprävention]], [[Forensische Entomologie|Kriminalbiologie]], [[Kriminalpolitik]], [[Profiler (Kriminalistik)]]
* [[Rechtspsychologie]]
* [[Rechtspsychologie]]
* [[Kriminologische Zentralstelle]], [[Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen]]
* [[Kriminologische Zentralstelle]], [[Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen]]
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* Britta Bannenberg, Dieter Rössner: ''Kriminalität in Deutschland.'' Beck, München 2005, ISBN 3-406-50884-7.
* Britta Bannenberg, Dieter Rössner: ''Kriminalität in Deutschland.'' Beck, München 2005, ISBN 3-406-50884-7.
* Peter Becker: ''Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der Kriminologie des 19. Jahrhunderts als Diskurs und Praxis.'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3525351720  
* Peter Becker: ''Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der Kriminologie des 19. Jahrhunderts als Diskurs und Praxis.'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3525351720  
* Michael Walter: ''[http://www.uni-koeln.de/jur-fak/krimfor/Jugendkriminalitaet2005.pdf Jugendkriminalität].'' Stuttgart 2005, 3. Auflage, ISBN 3415035131.
* [[Michael Walter (Kriminologe)|Michael Walter]]: ''[http://www.uni-koeln.de/jur-fak/krimfor/Jugendkriminalitaet2005.pdf Jugendkriminalität].'' Stuttgart 2005, 3. Auflage, ISBN 3415035131.
* Michael Bock: ''Kriminologie.'' München 2000, ISBN 3800625830.
* Michael Bock: ''Kriminologie.'' München 2000, ISBN 3800625830.
* Helga Cremer-Schäfer, [[Heinz Steinert]]: ''Straflust und Repression. Zur Kritik der populistischen Kriminologie.'' Münster 1998.
* Helga Cremer-Schäfer, [[Heinz Steinert]]: ''Straflust und Repression. Zur Kritik der populistischen Kriminologie.'' Münster 1998.
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*http://www.mpicc.de/ - [[Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht]]
*http://www.mpicc.de/ - [[Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht]]
*[http://www.krimz.de/ Kriminologische Zentralstelle in Wiesbaden]
*[http://www.krimz.de/ Kriminologische Zentralstelle in Wiesbaden]
*http://www.kfn.de - [[Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen|Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen]]
*http://www.kfn.de - [[Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen|Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen]]
*[http://www.criminologia-rsm.eu Society of Criminology, Republic of San Marino]
*[http://www.criminologia-rsm.eu Society of Criminology, Republic of San Marino]
*[http://www.irks.at/ Institut für Rechts und Kriminalsoziologie Wien]
*[http://www.irks.at/ Institut für Rechts und Kriminalsoziologie Wien]
*[http://www.mpicc.de/ww/de/pub/home/albrecht.htm Beitrag Hans Jörg Albrechts in: 'Kleines Kriminologisches Wörterbuch'], hrsg. von [http://www.isip.uni-hamburg.de/05%20Mitarbeiter/FS%202.htm Fritz Sack], [http://www.mpicc.de/ww/de/pub/home/kaiser.htm Günther Kaiser], Hans-Jürgen Kerner und Hartmut Schellhoss, Heidelberg: C. F. Müller 1993.
 
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[[Kategorie:Soziologie]]
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