Welt ohne Gefängnisse: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Gefängnisse ist den meisten Menschen suspekt, weil sie Schwerverbrecher weder barbarisch töten noch frei herumlaufen lassen wollen: was bleibt da noch außer dem Gefängnis? Das Gefängnis ist das notwendige Übel par excellence. Gefängnisse, so scheint es, gehören zu der Klasse von Institutionen, die es immer schon gegeben hat und die es (leider) immer geben muss.  
Die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Gefängnisse ist den meisten Menschen suspekt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: was soll man denn mit Verbrechern machen, wenn man sie nicht entweder umbringen oder aber zum Schaden aller frei herumlaufen lassen will? Dieser schlichte Gedankengang ist es, der die Überzeugung von der Unersetzlichkeit des Gefängnisses zu einem nahezu universellen belief system gemacht hat. Es ist der Mangel an besseren Ideen. Und wo es nicht einmal Ideen zur Überwindung des Gefängnisses gibt, so die logische Schlussfolgerung, da wird es mit der tatsächlichen Möglichkeit von Alternativen erst recht nicht weit her sein. Die wenigen, die anderer Ansicht sind, weil sie eine Überwindung des Gefängnisses für möglich und für notwendig halten, kämpfen offenbar gegen Windmühlen. Doch sind sie wirklich nur Phantasten, Spinner, Utopisten?


Das Buch von Alejandro Gómez Jaramillo behandelt genau diese Frage und es kommt zu einem ebenso gut recherchierten wie überzeugenden - wenn auch überraschenden - Ergebnis. Obwohl der Anschein dagegen spricht, so der Autor, ist eine Welt ohne Gefängnisse möglich. Und sie wäre besser für alle: für die Opfer der Kriminalität, für die Täter, für die Gesellschaft. Eine solche These muss und wird heutzutage auf Widerspruch stoßen. An diesem Widerspruch wird sie dann entweder scheitern - oder sich bewähren. Der Ausgang der Diskussionen, die diesem Buch zu wünschen sind, ist offen. Er ist aber nicht irrelevant. Er kann seinerseits den Gang der Dinge beeinflussen. Und deshalb möchte ich diesem Buch ein paar bescheidene Worte mit auf den Weg geben, die vielleicht helfen können, seine wertvollen Anregungen vor dem Schicksal zu bewahren, mit ein paar oberflächlichen Bemerkungen abgetan und dann vergessen zu werden.
Die erste Bemerkung besteht aus der Behauptung, dass eine Welt ohne Gefängnisse zwar - entgegen der communis opinio - durchaus möglich sein dürfte, dass eine solche Welt aber nicht unbedingt besser sein muss als die heutige. Es ist aber sowohl nötig als auch möglich, eine klare Unterscheidung zu treffen zwischen einer Verdrängung des Gefängnisses aufgrund zunehmender Repression einerseits und einer Aufhebung des Gefängnisses aufgrund einer kommunitären Wiederaneignung sozialer Konfliktregelungskompetenzen andererseits.
Die zweite Bemerkung betrifft den Vorwurf der Utopie. Sie besteht aus der These, dass das größte Hindernis auf dem Weg zu einer befreienden Abschaffung der Gefängnisse nicht die Widerständigkeit der Realität darstellt, sondern die Trägheit der kollektiven Phantasie.
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Die Überzeugung von der Unmöglichkeit einer Welt ohne Gefängnisse erscheint trivial. In Wirklichkeit stellt sie aber eine überaus bemerkenswerte soziale Tatsache dar, illustriert sie doch die überraschende Situation einer überaus tiefen Kluft zwischen Alltagswissen und Wissenschaft. Vielleicht ist die Diskrepanz zwischen dem Stand der Wissenschaft und dem Stand der öffentlichen Meinung nirgendwo so riesig wie beim Thema "Verbrechen und Strafe".
Die Überzeugung von der Unmöglichkeit einer Welt ohne Gefängnisse erscheint trivial. In Wirklichkeit stellt sie aber eine überaus bemerkenswerte soziale Tatsache dar, illustriert sie doch die überraschende Situation einer überaus tiefen Kluft zwischen Alltagswissen und Wissenschaft. Vielleicht ist die Diskrepanz zwischen dem Stand der Wissenschaft und dem Stand der öffentlichen Meinung nirgendwo so riesig wie beim Thema "Verbrechen und Strafe".


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Wenn die positiven und legitimen Zwecke, mit denen diese Institutionen ihre Existenz rechtfertigen, auch anders und besser - d.h. mit der Zufügung von weniger Leid - ebenso gut oder besser erreicht werden könnten, dann stünde aus dieser Perspektive jedenfalls einer Abschaffung der Gefängnisse nichts mehr im Wege. Die entscheidenden Fragen allerdings müßten beantwortet werden: gibt es gute Alternativen zum Gefängnis? Und wie sähe wohl der Weg in eine Welt ohne Gefängnisse aus? Welche Schritte wären zu unternehmen, welche Fehler zu vermeiden?
Wenn die positiven und legitimen Zwecke, mit denen diese Institutionen ihre Existenz rechtfertigen, auch anders und besser - d.h. mit der Zufügung von weniger Leid - ebenso gut oder besser erreicht werden könnten, dann stünde aus dieser Perspektive jedenfalls einer Abschaffung der Gefängnisse nichts mehr im Wege. Die entscheidenden Fragen allerdings müßten beantwortet werden: gibt es gute Alternativen zum Gefängnis? Und wie sähe wohl der Weg in eine Welt ohne Gefängnisse aus? Welche Schritte wären zu unternehmen, welche Fehler zu vermeiden?


== Drei zentrale Einwände ==
== Drei Einwände ==
*Der Rechtsstaat.  
*Der Rechtsstaat.  


Anonymer Benutzer