Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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*Strafbarkeit der "geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" (2015) statt Unterbindung problematischer Sterbehilfeorganisationen durch das Vereins- und Gewerberecht. Gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung markierte der unter maßgeblich kirchlicher Beteiligung zustandegekommene Gesetzesbeschluss einen schwarzen Tag für die Selbstbestimmung des Menschen am Lebensende:
*Strafbarkeit der "geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" (2015) statt Unterbindung problematischer Sterbehilfeorganisationen durch das Vereins- und Gewerberecht. Gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung markierte der unter maßgeblich kirchlicher Beteiligung zustandegekommene Gesetzesbeschluss einen schwarzen Tag für die Selbstbestimmung des Menschen am Lebensende:
:"Man glaubte die Zeiten moralisierenden Strafrechts überwunden. Wegen der Unbestimmtheit der Regelung muss schon mit Strafverfolgung rechnen, wer in Palliativstationen oder Hospizen einen Sterberaum und Sterbebegleitung jemandem zusagt, der sich in einer unerträglichen Krankheitssituation bewusst etwa für das Sterbefasten entscheidet. Sterbebegleiter sehen sich dem Dilemma ausgesetzt: zwischen einer Strafbarkeit wegen Suizidbeihilfe und unterlassener Hilfeleistung. Das politische Ziel, die Palliativmedizin zu stärken, wird in sein Gegenteil verkehrt: In Palliativ- und Hospizarbeit Tätige werden verunsichert. Denunziationen enttäuschter Angehöriger von Verstorbenen sind absehbar, ebenso peinliche und erniedrigende polizeiliche Ermittlungen in den sensiblen intimsten Bereichen des Lebens und Sterbens. Dabei ist vorauszusehen, dass wegen zu erwartender Nachweisprobleme solche Verfahren später eingestellt werden."
:"Man glaubte die Zeiten moralisierenden Strafrechts überwunden. Wegen der Unbestimmtheit der Regelung muss schon mit Strafverfolgung rechnen, wer in Palliativstationen oder Hospizen einen Sterberaum und Sterbebegleitung jemandem zusagt, der sich in einer unerträglichen Krankheitssituation bewusst etwa für das Sterbefasten entscheidet. Sterbebegleiter sehen sich dem Dilemma ausgesetzt: zwischen einer Strafbarkeit wegen Suizidbeihilfe und unterlassener Hilfeleistung. Das politische Ziel, die Palliativmedizin zu stärken, wird in sein Gegenteil verkehrt: In Palliativ- und Hospizarbeit Tätige werden verunsichert. Denunziationen enttäuschter Angehöriger von Verstorbenen sind absehbar, ebenso peinliche und erniedrigende polizeiliche Ermittlungen in den sensiblen intimsten Bereichen des Lebens und Sterbens. Dabei ist vorauszusehen, dass wegen zu erwartender Nachweisprobleme solche Verfahren später eingestellt werden."  
(Und so konkurrierten vier Gesetzentwürfe sowie ein Antrag, alles beim Alten zu belassen, um die Mehrheit der Stimmen. Am Ende war der Gruppenantrag, den die Abgeordneten Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) initiiert hatten, erfolgreich. Er sah vor, dass die ärztliche Sterbehilfe grundsätzlich erlaubt bleibt. Nur die „geschäftsmäßige“ Beihilfe zur Selbsttötung wurde unter Strafe gestellt, um den umstrittenen Vereinen die Arbeitsgrundlage zu entziehen. Ein Arzt, der Patienten wiederholt beim Suizid hilft – etwa indem er ihnen Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten verschafft – kann seitdem strafrechtlich belangt werden. Das Gesetz wurde danach dafür kritisiert, dass es auch die Falschen treffen könne – selbst redliche Ärzte, die mehrere Schwerstkranke betreuen, könnten kriminalisiert werden. Derzeit sind elf Klagen dagegen beim Bundesverfassungsgericht anhängig.)


*Strafbarkeit des Eigendopings im Sport (2015) statt Unterbindung und Sanktionierung auf der Ebene von Verbandsstrafen durch Fachverbände. Was diese können - Verbandsstrafen verhängen, Titel aberkennen, Geldsanktionen erlassen, Sportler lebenslang sperren - ist der Polizei verwehrt; die Kriminalisierung ist nutzlos. Trotz entsprechender Vorschriften in manchen anderen Ländern wurde dort nicht ein einziger Sportler wegen Dopings strafrechtlich verurteilt.  
*Strafbarkeit des Eigendopings im Sport (2015) statt Unterbindung und Sanktionierung auf der Ebene von Verbandsstrafen durch Fachverbände. Was diese können - Verbandsstrafen verhängen, Titel aberkennen, Geldsanktionen erlassen, Sportler lebenslang sperren - ist der Polizei verwehrt; die Kriminalisierung ist nutzlos. Trotz entsprechender Vorschriften in manchen anderen Ländern wurde dort nicht ein einziger Sportler wegen Dopings strafrechtlich verurteilt.  
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