Kriminalprognose: Unterschied zwischen den Versionen

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== Individualprognosen ==
== Individualprognosen ==


(1) Anwendungsgebiete für Individualprognosen
(1) Nutzung


Anlass zur Erstellung einer individuellen Kriminalprognose ist i. d. R. die Frage, ob eine freiheitsentziehende Maßnahme fortgesetzt werden darf/muss bzw. unter welchen ggf. geänderten Bedingungen diese fortzusetzen ist. Prognosen können sich auf die Frage beziehen, ob für den Fall der Gewährung von Vollzugslockerungen wie Ausgang, Urlaub usw. rückfällige Straftaten zu befürchten wären. Auf Prognosen ist man auch angewiesen, wenn es um die Frage der Reststrafenaussetzung zur Bewährung geht (in Deutschland. § 57 StGB sowie § 454 Abs. 2 StPO). Man kann also sagen: „Kriminalprognosen der Strafrechtspflege dienen regelmäßig der Entscheidung über Freiheit oder Unfreiheit des Täters“ (Volckart 2002).
Individuelle Kriminalprognosen, die im Bereich der Justiz Verwendung finden, dienen regelmäßig der Entscheidung über Freiheit oder Unfreiheit des Betroffenen (vgl. Volckart 2002). Es geht um das Ob oder Wie eines Freiheitsentzugs (z.B. vorläufige Festnahme oder Einweisung in eine psychiatrische Anstalt, Untersuchungshaft; Einweisung in den Maßregelvollzug - Psychiatrie, Entziehungsanstalt, (nachträgliche) Sicherungsverwahrung - und Entscheidung über das Andauern oder die Beendigung der Einweisung; Entscheidung über die Aufnahme in eine sozialtherapeutische Einrichtung im Strafvollzug; Entscheidung über Lockerungen oder Urlaub aus der Strafhaft; Entscheidung über vorzeitige Entlassung zur Bewährung und vieles andere mehr). In Deutschland kam es nach 1998 aufgrund des damals eingeführten Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten zu einer erhöhten Nachfrage der Justiz nach solchen individuellen Kriminalprognosen (Bliesener 2007).


Die Nachfrage nach Prognosen erhöhte sich in Deutschland durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten aus dem Jahre 1998. Darüber hinaus spielen individuelle Prognosen auch bei der Bestimmung von Resozialisierungs- und Behandlungsmaßnahmen im (sozialtherapeutischen) Straf- und Maßregelvollzug eine erhebliche Rolle (Bliesener 2007).
Darüber hinaus interessieren individuelle Kriminalprognosen aber auch außerhalb - bzw. im Vorfeld - der Strafjustiz, etwa dort, wo die Jugendhilfe einschätzen möchte, welche auffälligen Jugendlichen womöglich auf dem Weg zu einer kriminellen Karriere als jugendliche Intensivtäter sind. Ganz abgesehen davon existiert eine Tendenz zur Auslotung der Früherkennungsmöglichkeiten von späterer Delinquenz schon im frühesten Kindesalter.


Im Bereich der Jugendhilfe besteht Interesse an Prognoseinstrumenten, um Entwicklungen in Richtung auf "junge Intensivtäter" frühzeitig zu begegnen.
Denkbar sind auch Prognosen, die bereits im frühen Kindesalter  die relative Anfälligkeit für spätere delinquente Karrieren zu bestimmen versuchen.
Anlass kann z.B. die Frage nach der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. § 61 StGB) einschließlich der Frage nach den Voraussetzungen und Behandlungsaussichten (vgl. § 246 a StPO) sein. Hinter einer Prognose kann aber auch die Frage nach der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. § 64 StGB) oder in der Sicherungsverwahrung (vgl. § 66 StGB) stehen.
Darüber hinaus kann sich die Frage nach der Überweisung in eine andere Maßregel sowie neuerdings die Frage nach der Anordnung der (nachträglichen) Sicherungsverwahrung stellen (vgl. § 66 b StGB; § 275 a StPO).
Schließlich kann forensischen Sachverständigen die Frage nach der Aussetzung einer Maßregel nach den §§ 63, 64 StGB bzw. – in der Praxis wohl eher seltener - die Frage nach der Erledigung der Sicherungsverwahrung, nachdem diese bereits 10 Jahre lang vollzogen worden ist, gestellt worden sein.


(2) Wer stellt die Prognosen?
(2) Wer stellt die Prognosen?
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