Maßregeln der Besserung und Sicherung: Unterschied zwischen den Versionen

Zeile 90: Zeile 90:
==== Freiheitsentziehende Maßregeln ====
==== Freiheitsentziehende Maßregeln ====


§63 <nowiki>StGB</nowiki>-Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
===§63 <nowiki>StGB</nowiki>-Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus===


Nach § 63 <nowiki>StGB</nowiki> werden diejenigen Straftäter untergebracht deren Schuldunfähigkeit aufgrund einer Störung aufgehoben oder erheblich gemindert ist. (Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung: § 20 <nowiki>StGB</nowiki>; Verminderte Schuldunfähigkeit: § 21 <nowiki>StGB</nowiki>.) Die Störung darf nicht nur vorübergehender Natur sein, die zu erwartenden Straftaten müssen eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit darstellen und in engem Zusammenhang mit der Erkrankung stehen, was bedeutet, dass Anlasstat und die befürchtete Tat aus ein und derselben psychischen Störung resultieren müssen Jährlich findet eine richterliche Anhörung vor einer Strafvollstreckungskammer statt, in der darüber entscheiden wird, ob eine Entlassung erfolgen kann. Eine Entlassung ist erst möglich, wenn ein Gutachten bescheinigt, dass aufgrund der psychischen Erkrankung keine Gefahr mehr von der jeweiligen Person ausgeht. Im Extremfall kann die Unterbringung lebenslänglich andauern.
Nach § 63 <nowiki>StGB</nowiki> werden diejenigen Straftäter untergebracht deren Schuldunfähigkeit aufgrund einer Störung aufgehoben oder erheblich gemindert ist. (Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung: § 20 <nowiki>StGB</nowiki>; Verminderte Schuldunfähigkeit: § 21 <nowiki>StGB</nowiki>.) Die Störung darf nicht nur vorübergehender Natur sein, die zu erwartenden Straftaten müssen eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit darstellen und in engem Zusammenhang mit der Erkrankung stehen, was bedeutet, dass Anlasstat und die befürchtete Tat aus ein und derselben psychischen Störung resultieren müssen Jährlich findet eine richterliche Anhörung vor einer Strafvollstreckungskammer statt, in der darüber entscheiden wird, ob eine Entlassung erfolgen kann. Eine Entlassung ist erst möglich, wenn ein Gutachten bescheinigt, dass aufgrund der psychischen Erkrankung keine Gefahr mehr von der jeweiligen Person ausgeht. Im Extremfall kann die Unterbringung lebenslänglich andauern.
Zeile 96: Zeile 96:
Zur Behandlung von Psychisch Kranken oder zur Suchttherapie werden die Straftäter in  “Maßregelvollzugskliniken“ oder “forensischen Kliniken“ untergebracht. Wesentlicher Bestandteil der Behandlung ist die Auseinandersetzung mit dem Delikt selbst, den Ursachen und den Folgen. Das Angebot reicht von Einzel- und Gruppentherapien, Ergotherapie bis hin zu Sport- und Bewegungstherapie. Außerdem werden Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und Weiterbildung angeboten. Ebenso wie die Justizvollzugsanstalten sind Maßregelvollzugseinrichtungen von erheblichen Überbelegungen betroffen, obwohl ständig neue Plätze geschaffen werden. Nicht nur die Zahl, sondern auch die durchschnittliche Unterbringungsdauer der PatientInnen, ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen,  Einer der Gründe für diese Entwicklungen sind die Verschärfungen im Zuge des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten. Im Jahr 2002 waren ca. 1.150 Plätze für den Maßregelvollzug vorhanden, bei einem Bedarf von ca. 1.800 Plätzen. (§§ 63 und 64 <nowiki>StGB</nowiki>) Da die Unterbringung grundsätzlich unbefristet ist, sind die Betroffenen zusätzlich mit der Unbestimmtheit über einen Entlassungstermin konfrontiert. Eine lange Unterbringungsdauer birgt die Gefahr einer Hospitalisierung. Sowohl für die Untergebrachten als auch für das Personal führt dies zu größeren Stressfaktoren.  
Zur Behandlung von Psychisch Kranken oder zur Suchttherapie werden die Straftäter in  “Maßregelvollzugskliniken“ oder “forensischen Kliniken“ untergebracht. Wesentlicher Bestandteil der Behandlung ist die Auseinandersetzung mit dem Delikt selbst, den Ursachen und den Folgen. Das Angebot reicht von Einzel- und Gruppentherapien, Ergotherapie bis hin zu Sport- und Bewegungstherapie. Außerdem werden Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und Weiterbildung angeboten. Ebenso wie die Justizvollzugsanstalten sind Maßregelvollzugseinrichtungen von erheblichen Überbelegungen betroffen, obwohl ständig neue Plätze geschaffen werden. Nicht nur die Zahl, sondern auch die durchschnittliche Unterbringungsdauer der PatientInnen, ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen,  Einer der Gründe für diese Entwicklungen sind die Verschärfungen im Zuge des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten. Im Jahr 2002 waren ca. 1.150 Plätze für den Maßregelvollzug vorhanden, bei einem Bedarf von ca. 1.800 Plätzen. (§§ 63 und 64 <nowiki>StGB</nowiki>) Da die Unterbringung grundsätzlich unbefristet ist, sind die Betroffenen zusätzlich mit der Unbestimmtheit über einen Entlassungstermin konfrontiert. Eine lange Unterbringungsdauer birgt die Gefahr einer Hospitalisierung. Sowohl für die Untergebrachten als auch für das Personal führt dies zu größeren Stressfaktoren.  
   
   
§64 <nowiki>StGB</nowiki>-Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
===§64 <nowiki>StGB</nowiki>-Unterbringung in einer Entziehungsanstalt===


Im Grunde genommen ähnelt der § 64 <nowiki>StGB</nowiki> in vielerlei Hinsicht dem § 63 <nowiki>StGB</nowiki>. Grundsätzlich unterscheidet er sich aber darin, dass hier nicht mehr von einer psychischen Störung, sondern von einem „Hang“ zu Suchtstoffen die Rede ist, deren Abhängigkeit als Krankheit bewertet wird. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist unabhängig von verminderter Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit und ist auf 2 Jahre begrenzt. Gemäß einer Entscheidung des <nowiki>BVerfG</nowiki> vom 16. März 1994 darf  sie nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg besteht.
Im Grunde genommen ähnelt der § 64 <nowiki>StGB</nowiki> in vielerlei Hinsicht dem § 63 <nowiki>StGB</nowiki>. Grundsätzlich unterscheidet er sich aber darin, dass hier nicht mehr von einer psychischen Störung, sondern von einem „Hang“ zu Suchtstoffen die Rede ist, deren Abhängigkeit als Krankheit bewertet wird. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist unabhängig von verminderter Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit und ist auf 2 Jahre begrenzt. Gemäß einer Entscheidung des <nowiki>BVerfG</nowiki> vom 16. März 1994 darf  sie nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg besteht.
Zeile 106: Zeile 106:
Der Entwurf eines Gesetzes des Bundesministeriums der Justiz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt will dazu beitragen „die vorhandenen und neugeschaffenen Kapazitäten des Maßregelvollzugs besser und zielgerichtet zu nutzen“. Bereits jetzt laufen immer mehr Unterbringungen auf die Feststellung von "Aussichtslosigkeit" und damit auf die Verlegung in den kostengünstigeren Strafvollzug hinaus. Nach dem Gesetzesentwurf sollen künftig die Gerichte bei der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Diese Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge soll auch für jene gelten, denen Abschiebung oder Ausweisung droht. (vgl. Neue juristische Wochenschrift, 16) Dieser Entwurf läuft entgegen der jahrelang erfolgreichen Praxis des Vorwegvollzuges der Maßregel, mit dem Ziel den Täter frühzeitig von seiner Sucht zu befreien, denn es spricht vieles dafür, dass, je eher die Behandlung erfolgt, desto kürzer ist deren Dauer. Folgen dieser Entlastung des Maßregelvollzuges wird eine weitere dramatische Überbelegung der Strafvollzugsanstalten sein und damit die Gefährdung der [[Resozialisierung (als Vollzugsziel)]] von Strafgefangenen. Letztendlich geht es um Einsparungen von kostenaufwendigen Therapieplätzen und damit der Abwendung von einem Behandlungsvollzug hin zu einem reinen Verwahrvollzug.
Der Entwurf eines Gesetzes des Bundesministeriums der Justiz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt will dazu beitragen „die vorhandenen und neugeschaffenen Kapazitäten des Maßregelvollzugs besser und zielgerichtet zu nutzen“. Bereits jetzt laufen immer mehr Unterbringungen auf die Feststellung von "Aussichtslosigkeit" und damit auf die Verlegung in den kostengünstigeren Strafvollzug hinaus. Nach dem Gesetzesentwurf sollen künftig die Gerichte bei der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Diese Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge soll auch für jene gelten, denen Abschiebung oder Ausweisung droht. (vgl. Neue juristische Wochenschrift, 16) Dieser Entwurf läuft entgegen der jahrelang erfolgreichen Praxis des Vorwegvollzuges der Maßregel, mit dem Ziel den Täter frühzeitig von seiner Sucht zu befreien, denn es spricht vieles dafür, dass, je eher die Behandlung erfolgt, desto kürzer ist deren Dauer. Folgen dieser Entlastung des Maßregelvollzuges wird eine weitere dramatische Überbelegung der Strafvollzugsanstalten sein und damit die Gefährdung der [[Resozialisierung (als Vollzugsziel)]] von Strafgefangenen. Letztendlich geht es um Einsparungen von kostenaufwendigen Therapieplätzen und damit der Abwendung von einem Behandlungsvollzug hin zu einem reinen Verwahrvollzug.


§66 <nowiki>StGB</nowiki>-Sicherungsverwahrung
===§66 <nowiki>StGB</nowiki>-Sicherungsverwahrung===


Eine Therapie ist im Gegensatz zu den nach den §§ 63 und 64 <nowiki>StGB</nowiki> Untergebrachten, nicht vorgesehen.<br>
Eine Therapie ist im Gegensatz zu den nach den §§ 63 und 64 <nowiki>StGB</nowiki> Untergebrachten, nicht vorgesehen.<br>
Zeile 120: Zeile 120:
<br>Am 18. Juni hat der Bundestag nach einem Entwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ein Gesetz beschlossen, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung möglich macht.  
<br>Am 18. Juni hat der Bundestag nach einem Entwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ein Gesetz beschlossen, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung möglich macht.  
Am 29. Juli 2004 ist dieses Gesetz in Kraft getreten.
Am 29. Juli 2004 ist dieses Gesetz in Kraft getreten.
 
===Fazit===
Seit Bestehen der Maßregeln waren diese immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. <br>
Seit Bestehen der Maßregeln waren diese immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. <br>
Der wohl älteste Vorwurf ist der des Etikettenschwindels. Er wurde bereits vor Einführung der Maßregeln, von Moritz Liebmann erhoben (Dessecker, 2004, S.  25) und dauert bis heute an. Kritisiert wird, dass sich Strafe und Maßregel (insb. die Sicherungsverwahrung) in ihrer Ausgestaltung faktisch nicht voneinander unterscheiden.
Der wohl älteste Vorwurf ist der des Etikettenschwindels. Er wurde bereits vor Einführung der Maßregeln, von Moritz Liebmann erhoben (Dessecker, 2004, S.  25) und dauert bis heute an. Kritisiert wird, dass sich Strafe und Maßregel (insb. die Sicherungsverwahrung) in ihrer Ausgestaltung faktisch nicht voneinander unterscheiden.
1.005

Bearbeitungen