Edgework: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Begriff'''
'''Begriff'''
Der Begriff des „Edgework“ wurde durch den US-amerikanischen Soziologen und Fallschirmspringer Steven Lyng geprägt. Gemeint ist damit die Suche nach und das Erleben von individuellen Grenzerfahrungen. Edgework-Aktivitäten sind stets mit einem Risiko behaftet und können an unterschiedlichsten Grenzen erlebt werden: Der zwischen Leben und Tod, zwischen Legalität und Illegalität, Konformität und Tabu oder zwischen materiellem Gewinn und Verlust. Das Risiko wird dabei bewusst gesucht und kann darin bestehen, sich einer schon vorhandenen Gefahrensituation auszusetzen (z.B. im Rahmen von Rettungsdiensten) oder eine Gefährdung für sich selbst, für eigene Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen) zu schaffen.  
Der Begriff des „Edgework“ wurde durch den US-amerikanischen Soziologen und Fallschirmspringer Steven Lyng geprägt. Gemeint ist damit die Suche nach und das Erleben von individuellen Grenzerfahrungen. Edgework-Aktivitäten sind stets mit einem Risiko behaftet und können an unterschiedlichsten Grenzen erlebt werden: Der zwischen Leben und Tod, zwischen Legalität und Illegalität, Konformität und Tabu oder zwischen materiellem Gewinn und Verlust. Das Risiko wird dabei bewusst gesucht und kann darin bestehen, sich einer schon vorhandenen Gefahrensituation auszusetzen (z.B. im Rahmen von Rettungsdiensten) oder eine Gefährdung für sich selbst, für eigene Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen) zu schaffen.  
In dem 2005 von Lyng herausgegebenen Sammelband „Edgework – The Sociology of Risk-Taking“ werden einige Edgework-Schauplätze und -erfahrungen beschrieben und analysiert: Extremsportarten, Drogenkonsum und terroristische Aktivitäten zählen eben so dazu wie freiwillige Rettungsdienstleistungen in den Rocky Mountains. Lyng selbst ist aktiver Fallschirmspringer und kann so als teilnehmender Beobachter eigene Erfahrungen und Kontakte für seine Arbeit nutzen.
In dem 2005 von Lyng herausgegebenen Sammelband „Edgework – The Sociology of Risk-Taking“ werden einige Edgework-Schauplätze und -erfahrungen beschrieben und analysiert: Extremsportarten, Drogenkonsum und terroristische Aktivitäten zählen eben so dazu wie freiwillige Rettungsdienstleistungen in den Rocky Mountains. Lyng selbst ist aktiver Fallschirmspringer und kann so als teilnehmender Beobachter eigene Erfahrungen und Kontakte für seine Arbeit nutzen.
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'''Theorien und Funktionen'''
'''Theorien und Funktionen'''
In seiner „Soziologie des Abenteuers“ (Jock Young) bezieht sich Lyng u.a. auf Erving Goffman, der sich in seinem Essay „Where the Action is“ (1967) mit dem Phänomen wachsender Bereitschaft zu risikogeneigtem Verhalten („Action“) in westlichen Zivilisationen der Nachkriegszeit befasst.
In seiner „Soziologie des Abenteuers“ (Jock Young) bezieht sich Lyng u.a. auf Erving Goffman, der sich in seinem Essay „Where the Action is“ (1967) mit dem Phänomen wachsender Bereitschaft zu risikogeneigtem Verhalten („Action“) in westlichen Zivilisationen der Nachkriegszeit befasst.


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'''Kasuistik'''
'''Kasuistik'''
Ungeschützte Sexualkontakte und risikobehaftete Sexualtechniken wie Sado-Masochismus oder Asphyxiation werden vom Begriff Edgework erfasst. Eben so das Betreiben von Risikosportarten wie Wildwasser-Rafting, Fassadenklettern und Fallschirmspringen. Auch im Eingehen von Investitionsrisken und in ehrenamtlich oder als Profession betriebenen Not- und Rettungsdienstleistungen manifestiert sich Edgework. Kriminalisierte Handlungen (z.B. Ladendiebstahl, Drogenkonsum, oder Terrorismus) weisen eben so wie risikobehaftete Forschungs- und Recherchemethoden (Kriegsberichterstattung) die Merkmale des Edgeworking auf.
Ungeschützte Sexualkontakte und risikobehaftete Sexualtechniken wie Sado-Masochismus oder Asphyxiation werden vom Begriff Edgework erfasst. Eben so das Betreiben von Risikosportarten wie Wildwasser-Rafting, Fassadenklettern und Fallschirmspringen. Auch im Eingehen von Investitionsrisken und in ehrenamtlich oder als Profession betriebenen Not- und Rettungsdienstleistungen manifestiert sich Edgework. Kriminalisierte Handlungen (z.B. Ladendiebstahl, Drogenkonsum, oder Terrorismus) weisen eben so wie risikobehaftete Forschungs- und Recherchemethoden (Kriegsberichterstattung) die Merkmale des Edgeworking auf.


'''Methoden'''
'''Methoden'''
Die Forschungsarbeiten zum Thema Edgework sind nicht auf eine Methode festgelegt. Zur Anwendung kommen vorwiegend qualitative Methoden der Sozialforschung, wobei der Teilnehmenden Beobachtung insofern eine Schlüsselrolle zufällt, als das eigene Edgeworkerlebnis des Forschers teils als eine Voraussetzung zum Verstehen dieser Lebenswelt beurteilt wird. Hier setzt auch die Kritik am Konstrukt Edgework an, die in neuem Gewand die Argumente des Streits um die Notwendigkeit und Möglichkeit der Sozialforschung zur Objektivität wiederholt.
Die Forschungsarbeiten zum Thema Edgework sind nicht auf eine Methode festgelegt. Zur Anwendung kommen vorwiegend qualitative Methoden der Sozialforschung, wobei der Teilnehmenden Beobachtung insofern eine Schlüsselrolle zufällt, als das eigene Edgeworkerlebnis des Forschers teils als eine Voraussetzung zum Verstehen dieser Lebenswelt beurteilt wird. Hier setzt auch die Kritik am Konstrukt Edgework an, die in neuem Gewand die Argumente des Streits um die Notwendigkeit und Möglichkeit der Sozialforschung zur Objektivität wiederholt.


'''Kriminologische Relevanz'''
'''Kriminologische Relevanz'''
Unter dem Einfluss des Cultural Turn interessiert sich die Kriminologie vermehrt für eine Zusammenschau von Kriminalisierung, kriminalisiertem Verhalten und Kultur. In der Tradition der klassischen Forschung des CCCS zu Jugendkultur und Moralischer Panik entstand auch die Cultural Criminology. Unter ihrem Schlüsselbegriff „Transgression“ thematisert sie zunehmende Kriminalisierungstendenzen und Kriminalität als alltagskulturelles Phänomen.
Unter dem Einfluss des Cultural Turn interessiert sich die Kriminologie vermehrt für eine Zusammenschau von Kriminalisierung, kriminalisiertem Verhalten und Kultur. In der Tradition der klassischen Forschung des CCCS zu Jugendkultur und Moralischer Panik entstand auch die Cultural Criminology. Unter ihrem Schlüsselbegriff „Transgression“ thematisert sie zunehmende Kriminalisierungstendenzen und Kriminalität als alltagskulturelles Phänomen.


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'''Literatur'''
'''Literatur'''
Stephen Lyng “Holistic Health and Biomedical Medicine: A Countersystem Analysis, 1990
Stephen Lyng “Holistic Health and Biomedical Medicine: A Countersystem Analysis, 1990
Stephen Lyng, David D. Franks “Sociology and the Real World”, 2002
Stephen Lyng, David D. Franks “Sociology and the Real World”, 2002
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'''Links'''
'''Links'''
Cultural Criminology: http://www.culturalcriminology.org/
Cultural Criminology: http://www.culturalcriminology.org/
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