Neutralisationstechniken: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 42: Zeile 42:
Womöglich ist die Frage, ob Täter Neutralisationstechniken anwandten, weniger fruchtbar als diejenigen, aus welcher Quelle sie sie bezogen. Die von Sykes und Matza beschriebenen Jugendlichen bezogen ihre Neutralisationstechniken - also ihre Interpretationen der Situation, die sie subjektiv zur Tat berechtigten - vor allem aus ihrer Gruppe (Peer-Group, Bande, Freundeskreis). Sie waren weder ganz allein noch waren sie aber auch von den herrschenden Normen gedeckt.
Womöglich ist die Frage, ob Täter Neutralisationstechniken anwandten, weniger fruchtbar als diejenigen, aus welcher Quelle sie sie bezogen. Die von Sykes und Matza beschriebenen Jugendlichen bezogen ihre Neutralisationstechniken - also ihre Interpretationen der Situation, die sie subjektiv zur Tat berechtigten - vor allem aus ihrer Gruppe (Peer-Group, Bande, Freundeskreis). Sie waren weder ganz allein noch waren sie aber auch von den herrschenden Normen gedeckt.


Von hier aus lassen sich zwei Extrempunkte denken: einerseits Situationen, in denen ein Individuum ganz allein eine Legitimation für sein Handeln erfinden muss (Amokläufer) und andererseits Situationen, in denen nicht nur eine Gruppe, sondern die herrschende Meinung in der Gesamtgesellschaft die Legitimation zum Handeln liefert (Straftaten im Auftrag einer herrschenden Weltanschauung). Im Fall des Amokläufers handelt es sich um extreme Abweichung von der Norm, im Fall der jugendlichen Gruppentäter um Konformität mit den Gruppennormen und Abweichung von den herrschenden Normen, und im Fall der Straftaten im Kontext einer herrschenden Meinung um Konformität mit den herrschenden Normen, die aber zu einer Straftat auffordern (Genozid im NS-Staat, in Ruanda etc.).
Von hier aus lässt sich ein Drei-Stufen-Modell konstruieren:
*Auf der ersten Stufen liefert niemand die Legitimation für strafbares Handeln - vom Täter selbst abgesehen. Er sieht sich als Verteidiger höchster Werte, aber als völlig allein (Typ Amokläufer).
*Auf der zweiten Stufe liefert die persönliche Bezugsgruppe - etwa der Freundeskreis, die Schulclique, die Bande - die Legitimation. Der Täter verteidigt die Gruppennormen, verhält sich aber abweichend gegenüber den herrschenden Normen.
*Auf der dritten Stufe verletzt das Handeln zwar moralische (und rechtliche) Normen, doch die herrschende Meinung der Gesamtgesellschaft (= die Herrschenden) liefern die Legitimation zur Tat (Typ NS-Täter).


==Literatur==
==Literatur==
31.738

Bearbeitungen

Navigationsmenü