Racial Profiling

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Racial Profiling (zu Deutsch etwa: Rassenspezifisches Fahndungsvorgehen) liegt vor, wenn die Zugehörigkeit einer Person zu einer ethnischen Minderheit aufgrund augenscheinlicher Merkmale (z.B. Hautfarbe, Namensherkunft) erkennbar ist und Strafverfolgungsbehörden aufgrund solcher Merkmale Maßnahmen wie z.B. Anhalten, Befragen, Durchsuchen oder Ingewahrsamnahme durchführen, also diese Merkmale als alleinige oder ausschlaggebende nutzen, um einen Verdacht zu generieren.


Begriff

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Profiling vor allem in Verbindung mit der Aufklärung von Serienmorden in den USA verwandt. In der jüngeren Vergangenheit nutzt die Polizei das Instrument, um Täterprofile zu erstellen, die zur Aufhellung verdachtsunabhängiger Kontrolldelinquenz beitragen soll. Speziell in den USA unterstellen vor allem African Americans der Polizei, dass diese das Merkmal race als ausschlaggebendes im Rahmen von Kontrollen gebraucht und fühlen sich dadurch diskriminiert.

Racial profiling wird von Wörterbüchern wie folgt definiert:

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Abgrenzung Criminal Profiling – Racial Profiling am Beispiel der USA

Criminal Profiling

Ungeachtet polizeilicher Ermittlungen beschreibt David A. Harris (University of Colorado) das Profil eines Menschen als Zusammenspiel von physischen und psychologischen Verhaltensmerkmalen. Werden diese Merkmale durch Strafverfolgungsbehörden mit Delikten in Verbindung gebracht, spricht man vom criminal profile. Anhand von Tatortarbeit wird der modus operandi[1] eines Täters ermittelt. Der Profiler versucht Rückschlüsse auf das Verhalten, die Persönlichkeit und die physischen Mermale des Täters zu ziehen, um ihn letztendlich zu identifizieren. Ein Profil kann jedoch niemals allein eine Tat abschließend aufklären. Es kann den Strafverfolgungsbehörden lediglich zuarbeiten und einen möglichen Täterkreis eingrenzen. Das criminal profiling wird gegenwärtig bei der Aufklärung von (überwiegend sexuell motivierten) Serienstraftaten hinzu gezogen. Neben dem repressiven Einsatz des criminal profiling ist jedoch auch ein präventiver möglich. Beispielsweise verwenden amerikanische Personenschützer des Secret Service das sog. Threat-assessment Profile, um potentielle Attentäter im Voraus zu erkennen.

Racial Profiling

Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffes existiert bisher nicht. Der Begriff racial profiling ist durchaus negativ konnotiert und wird von Personen, die dieses Mittel anwenden in der Regel nicht verwendet. Im europäischen Kontext wird der eher neutrale Ausdruck ethnic profiling gebraucht, der jedoch in seiner Bedeutung mit dem Begriff racial profiling identisch ist. David A. Harris beschreibt das racial profiling als eine Abwandlung vom criminal profiling in den Fällen, wo Merkmale wie ethnische Herkunft oder Rasse in die Erstellung eines Täterprofils hinein fließen. Nach Ron Reitzel und Alex R. Piquero liegt racial profiling vor, wenn es neben dem Merkmal Hautfarbe keine weiteren Verdachtsmomente gibt, die eine Überprüfung rechtfertigen könnten. Heather MacDonald unterscheidet daher zwischen Hard Profiling (folgt man Reitzel und Piquero) und Soft Racial Profiling (nach Harris). Im Jahr 2000 wurde das „Kontinuum des racial profiling“ von David L. Carter und Andra J. Katz-Bannister veröffentlicht. Demnach kann racial profiling in drei abgestuften und ineinander übergehenden Phasen vorliegen:

  1. Die Rasse oder ethnische Herkunft trifft als ein Merkmal einer bekannten Personenbeschreibung zu, aufgrund dessen die Person einer Überprüfung unterzogen wird.
  2. Die Rasse oder ethnische Herkunft ist der ausschlaggebende Faktor für eine Personenüberprüfung, obwohl zwar weitere Verdachtsindikatoren vorliegen, diese jedoch das Anhalten nicht begründen, sondern eher als Vorwand dienen.
  3. Die Rasse oder ethnische Herkunft ist der alleinige Grund, warum eine Person von Strafverfolgungsbehörden überprüft wird.

Nach Carter und Katz-Bannister kann man erst in der 3. Phase von racial profiling sprechen. Die Autoren gehen jedoch davon aus, dass die meisten öffentlichen Diskussionen über racial profiling auf Grundlage der o.g. 1. und 2. Phase stattfinden. Racial profiling beschreibt demnach eine diskriminierende und somit rechtswidrige Handlung.

Es bedarf jedoch in den USA eher niederschwellige Voraussetzungen hinsichtlich dem Anhalten, bzw. der oberflächlichen Durchsuchung von Personen. Es muss eigentlich ein begründeter Verdacht vorliegen, jedoch wird dieser Umstand durch diverse Gerichtsentscheidungen aufgeweicht und bietet somit Mißbrauchsmöglichkeiten, die sich in anderen Selektionskriterien, wie beispielsweise der Hautfarbe, äußern können.


Hintergründe des Racial Profiling in den USA

Einige sehen in dem Begriff eine Art von Auswirkung des alten Rassentrennungsproblems in den USA. Nach Buerger und Farrell besteht ein historisch gewachsenes Spannungsverhältnis zwischen der Polizei und entrechteten Gemeinden. So spielte beispielsweise die Polizei bei der Durchsetzung der Jim-Crow-Segregation eine entscheidende Rolle. In den späten sechziger Jahren wurde laut Harris die sog. „Stop-and-Search“- Taktik bei der amerikanischen Polizei als criminal profiling eingeführt. Im Zuge der Anwendung dieser Taktik kam es vermehrt zu Konfrontationen zwischen der Polizei und ethnischen Minderheiten. Bürgerrechtler mahnten zu dieser Zeit erstmals an, dass criminal profiling und das Merkmal race miteinander vermengt wurden. Verdachtsunabhängige Kontrollen wurden ebenfalls in den neunziger Jahren duch die sog. Zero Tolerance- Politik auf Grundlage der Broken Windows- Theorie in zunehmender Weise ermöglicht.

Alltag

Da Anekdoten und Ambiguitäten meist nicht empirisch überprüft werden können, da sie Einzelfälle sind, kann man anhand dessen die Existenz von racial profiling nicht belegen. In den USA wurden eine Reihe von Studien durchgeführt, um so entstandene Daten hinsichtlich einer überproportional hohen Überprüfungsquote von ethnischen Minderheiten durch Strafverfolgungsbehörden zu analysieren. Während einer Studie zwischen 1988 bis 1991 (von John Lamberth) in New Jersey wurde das Kontrollverhalten gegenüber Kraftfahrzeugführern der Polizei hinsichtlich des Merkmals race analysiert. 1994 wurde die Studie veröffentlicht. Es wurde festgestellt, dass lediglich 14% der Verkehrsteilnehmer African Americans waren, jedoch 73% Verkehrskontrollen unterzogen wurden. Nach dieser Studie wurde es unter Kritikern als erwiesen angesehen, dass die Polizei auf race based profiles, trotz Diskriminierungsverbotes, zurück griff. Aus diesem Begriff entstand später der Begriff des racial profiling.

Race and Place

Die Art des bisher untersuchten Profiling lässt die Annahme zu, dass auch die Örtlichkeit das polizeiliche profiling Verhalten beeinflusst, wenn der Angehaltende sich, allgemein gesprochen, in für ihn `untypischen` Gebieten aufhält. Dieses Verhalten könnte mit dem bisher gelernten, was als `normale` Erscheinung von Personen, Gegenständen und Verhaltensweisen in ihrem Sektor gilt, zusammenhängen. Fuhren african americans in Bereiche, in denen weiße, wohlhabende Menschen lebten, erhöhte sich ihr Abfrageanteil um ein vielfaches. Dieses Ungleichgewicht ergibt eine Auswertung von Daten der Abfragecomputer der US-Streifenwagen mit der rassischen Zusammensetzung auf den Straßen. Die Effektivität der höheren Kontrollintensität wurde in der Studie ebenfalls untersucht und verneint.(Meehan/ Ponder 2002, S.326)

Reaktionen

Generell finden sowohl Gegner und Verfechter an den Untersuchungen und Herangehensweisen der Statistikerhebung Punkte der Kritik und sehen Beweise, die Ihre eigene Argumentation stützt. Auch african americans beteiligten sich an einer entfachten Diskussion, die von den Medien publiziert wurde.

Stimmen wurden jedoch ebenso laut, die nun kritisierten, dass nun z.B. Fragen, ob Angehörige ethnischer Minderheiten häufiger Verkehrsverstöße begehen, ein Tabuthema unter Racial-Profiling-Kritikern darstelle. Personen, die diese Frage problematisierten, würden als Rassisten verunglimpft. (Mac Donald 2001)

Konsequenzen Racial Profiling hat erhebliche Auswirkungen für die Beziehung zwischen Minderheitenangehörige und der Polizei. So wird eine negative Einstellung gegenüber der Polizei festgestellt. African americans fühlen sich nicht mehr sicher, wenn Polizisten in ihrer Nähe sind und zeigen deutliches Vermeidungsverhalten. (Harris)

Ende der 90`er Jahre wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze und Auflagen erlassen um Racial Profiling rechtzeitig erkennen und vorbeugen zu können. Zusätzlich beschlossen sogar einige Bundesstaaten, dass Videokameras in ihre Funkstreifenwagen installiert werden mussten.


End Racial Profiling Act (ERPA)

Im Jahr 2001 wurde ein Gesetzesentwurf zur Beendigung der Anwendung von Racial Profiling sowohl dem Senat, als auch dem Repräsentantenhaus vorgelegt. Er beinhaltet ein Verbot für Polizisten und alle an der Strafverfolgung beteiligten Personen der USA, Racial Profiling zu betreiben und deren strafrechtliche Verfolgung.

Nach dem 11. September 2001 jedoch, änderte Präsident George W. Bush seine Politik und fokussierte seine Anti-Terror-Handlungen auf Individuen arabischer oder südasiatischer Herkunft, auf Muslime und Sikhs. D.h. die Strafverfolgungsbehörden benutzten erneut Rasse, Religion oder ethnische Stereotypen zur Festlegung, welche Personen Zielscheibe polizeilicher Maßnahmen werden ließ. Eine Übernahme des ERPA in die Rechtsprechung erfolgte nicht, sodass der Entwurf im Jahr 2004 erneut dem Senat und Repräsentantenhaus vorgelegt wurde. Er scheiterte allerdings 2004 bis 2008 vor dem Bewilligungsausschuss, ohne debattiert worden zu sein.


Terrorismusbekämpfung

In ähnlicher Weise ist demnach auch das Gesamtthema Racial Profiling im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung zu sehen. Allgemeine und spezielle polizeiliche Maßnahmen aus anderen Kriminalitätsfeldern werden genauso im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung angewendet. Das Anhalten von Fahrzeugen, grössere Identitätsfeststellungen, Durchsuchungen oder Razzien stehen hier im Verdacht, in einem ungleichen Verhältnis zwischen Rasse, Religion oder ethnischen Stereotypen und den tatsächlich notwendigen Maßnahmen zu stehen. Im besonderen fällt gegenwärtig aber das Licht auf Passagierkontrollen im Flugverkehr und den Massendatenspeicherungen. Hier scheinen die Möglichkeiten zur Diskriminierung und überzogenen Freiheitseinschränkungen gegeben zu sein. Die öffentliche Diskussion ist hierüber seit einiger Zeit entfacht, nachdem einige Regierungen versuchen, ihre Eingriffsbefugnisse den sich veränderten terroristischen Bedrohungen durch Terrorismusbekämpfungsgesetze anzupassen.


Weblinks und Literatur

  • Carter, David L.; Katz-Bannister, Andra J. (2000) Racial Profiling: Issues and Responses for the Lansing, Michigan Police Departement,in http://www.lansingpolice.com/site/profile/policy%20paper.pdf
  • Davis, Kelvin R. (2001). Driving While Black: Coverup. Interstate International Pub. ISBN 0-931904-03-X.
  • ERPA von 2004 im Original:

http://www.ospolicycenter.org/pub/doc_47/HR%203847%20End%20Racial%20Profiling%20Act.pdf

  • Harris, David A. (1999). Driving While Black: Racial Profiling on our Nation's Highways. ACLU.
  • Harris, David A. (1999) The Cost of Getting Stopped:Fear, Anger and Humiliation in:http://academic.udayton.edu/race/03justice/dwb02.htm
  • Harris, David A.(2002) Profiles in Injustice: why racial profiling cannot work New York: New Press 2002
  • Herrnkind, Martin (2000) Personenkontrollen und Schleierfahndung. Kritische Justiz, 188 ff.
  • Herrnkind, Martin (2014) „Filzen Sie die üblichen Verdächtigen“ Racial Profiling in Deutschland. S. 79-102, in: Polizei & Wissenschaft, Ausgabe 3/2014
  • Kaufmann, Mareile (2008) MA-Arbeit, "Ethnic Profiling and Counter Terrorism." Universität Hamburg, Institut für kriminologische Sozialforschung
  • Lamberth, John (1994) Revised Statistical Analysis of the Inceidence of Police Stops and Arrests of Black Drivers/Travelers on the New Jersey Turnpike between exits or interchanges 1 and 3 from the years 1988 through 1991, in:http://www.lamberthconsulting.com/downloads/new_jersey_study_report.pdf
  • Lamberth, John (1998) Driving while Black: A statistical proves that prejudice still rules the road, in:http://www.lamberthconsulting.com/downloads/washingtonpost_article.doc
  • Mac Donald, Heather (2001) The Myth of racial profiling, in City Journal, in: http://www.city-journal.org/html/11_2_the_myth.html, The Manhattan Institute 2001
  • Mac Donald, Heather (2003) What looks like profiling might just be good policing, in: http://www.manhattan-institute.org/html/_latimes-what_looks_like.htm, Los Angeles Times 2003
  • Meehan, Albert J.; Ponder, Michael (2002) How roadway composition matters in analyzing police data on racial profiling, in: Police Quarterly Vol. 5 No. 3 (S. 306 - 333), Sage Publication 2002
  • Reitzel, John; Piquero, Alex R. (2006) Does it exist? Studying citizens´attitudes of racial profiling, in:Police Quarterly Vol. 9 No. 2 (S. 161 - 183), Sage Publication 2004
  • Stähler, Sonja (2007) Diplomarbeit "Racial Profiling? Verdachtsunabhängige Polizeikontrollen in den USA und in Deutschland", Universität Hamburg, Institut für kriminologische Sozialforschung 2007
  • Weitzer, Ronald & Steven Tuch (2006) Race and Policing in America: Conflict and Reform (New York: Cambridge University Press).