Nachträgliche Therapieunterbringung

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Nachträgliche Therapieunterbringung ist ein juristisches Konstrukt, welches im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD auftaucht. Es soll ermöglichen, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht verworfene "nachträgliche Sicherungsverwahrung" unter neuem Namen wieder einzuführen. Es knüpft an das juristische Konstrukt der "Therapieunterbringung" an, welches im Gefolge der Entscheidungen des EGMR zur Sicherungsverwahrung erfunden wurde, um die von dieser Entscheidung betroffenen "Altfälle" nicht freilassen zu müssen. Die Möglichkeit der nachträglichen Therapieunterbringung soll jetzt auf alle "höchstgefährlichen, psychisch gestörten Gewalt und Sexualstraftäter" ausgedehnt werden, "deren Gefährlichkeit sich erst während der Strafhaft herausstellt" (Koalitionsvertrag Ziff. 5.1). Dies ist ein weiteres Beispiel für die neuere Tendenz zu "Pre-crime".

Kritisch haben sich dazu eine große Zahl von Praktikern und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen geäußert[1]. Sie argumentieren u.a., dass

  • die bekannten Probleme mit der Kriminalprognose zur Festhaltung unverhältnismäßig vieler "falscher Positiver" führen muss
  • die neue Institution eine Ausweitung des Netzes der Sozialkontrolle mit sich bringt
  • die Gleichsetzung psychischer Störung mit Gefährlichkeit eine Stigmatisierung aller psychisch Kranker bedeutet
  • die neue Unsicherheit über das Vollzugsende zu einer Verschlechterung des Klimas im gesamten Strafvollzug führen muss
  • und dass auch das neue juristische Konstrukt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen dürfte.



Einzelnachweise


Vgl. dazu auch

Siehe dazu den Brief einer Reihe von Praktikern und Wissenschaftlern an den neuen Bundesjustizminister: