Mord (Version 1)

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Der Mord im Zusammenhang des Tötens

Der evolutionäre Vorteil instrumenteller Grausamkeit

Über das aggressive Töten anderer Menschen, das die Geschichte unserer Spezies von Anfang an charakterisiert, glaubt die Forschung heute zweierlei zu wissen.

Erstens, dass der Mensch, der als "das gefährlichste aller Tiere" (David Livingstone Smith) über einen Erfindungsreichtum sondergleichen verfügt, was die grausame und egoistische Eliminierungen seiner Artgenossen angeht, diese Fähigkeit schon von seinen Vorfahren übernommen haben dürfte, für die sich dieses Verhalten im Laufe von rund sechs Millionen Jahren immer wieder als überlebenswichtig erwiesen und tief verankert hatte. Die Verschmelzung der Angst des Gejagten mit dem Triumph des Jägers im "aggressiven Individuum" war wohl ein erheblicher evolutionärer Vorteil für den homo erectus. Darauf konnte auch der anatomisch moderne Mensch, der die Erde seit rund 200.000 Jahren bevölkert, aufbauen - und noch während der letzten 12.000 Jahre, seit der Erfindung des Ackerbaus, erwies sich die Bereitschaft zur Grausamkeit gegenüber Fremden als nützliche Verhaltensdisposition. Immerhin verbrachte der Mensch 95% dieser Zeitspanne in sehr übersichtlichen Gemeinschaften: Fremde kannte er fast nur als Gefahr für sein Leben. Viele Forscher sehen heute noch ontogenetische Ausläufer dieses phylogenetischen Erbes: in der kulturübergreifend feststellbaren Entwicklungsphase des "Fremdelns" bei sieben bis acht Monate alten Kleinkindern (einer Phase der Angst vor Fremden und besonders vor männlichen Fremden) ebenso wie in der (aus der Angst vor dem Ermordet-Werden stammenden) Fähigkeit des Menschen, sich in die potentiell bösen Absichten Anderer hineinzuversetzen. Diese Fähigkeit ist dann ein Vorteil, wenn es dem Menschen gelingt, die Angst vor dem Anderen in die Bereitschaft zu dessen Tötung zu verwandeln. Denn die (von Thomas Hobbes eindrucksvoll geschilderte) Logik der wechselseitigen Antizipation böser Absichten befähigt (und nötigt) das um seine Sicherheit besorgte Individuum, dem Risiko eines Angriffs durch den Anderen durch den eigenen Angriff zuvorzukommen. Den für die weitere Entwicklung riskanten bellum omnium contra omnes konnte dann - nach Hobbes - nur die Herausbildung einer starken, die Partikulargewalten entwaffnenden Zentralmacht verhindern. - Der angesehene Ökonom und Verhaltensforscher Samuel Bowles (2004) sieht in der Aggression gegen äußere Feinde sogar die Bedingung der Möglichkeit für die ersten evolutionären Schritte zu einer verstärkten Binnensolidarität menschlicher Gemeinschaften. Die Bedrohung von außen wurde zur Wiege menschlicher Selbstlosigkeit. Mit zunehmender Bevölkerungsdichte wurden Kontakte häufiger und intensiver, nicht aber unbedingt friedlicher. So wie es für Kopfjäger und Kannibalen rational war, Fremde umzubringen und gegebenenfalls aufzuessen, weil man damit mehrere Zwecke zugleich erreichen konnte - Abschreckung von Feinden, Vermehrung der eigenen Ressourcen, Stärkung des eigenen Machtgefühls und Verbesserung der Eiweißversorgung - so wurde es auch rational, Fremde zu foltern, zu vergewaltigen oder zu zergliedern. Da die Grausamkeit zweckorientiert war und für die Menschen einen effektiven Weg zum Überleben darstellte, war das Töten anderer Menschen strategisch rational (Helbling 2006). Was heutigen Betrachtern als verabscheuungswürdiger Mord erscheint, war im moralischen Universum der Betroffenen ein naturgegebener und fraglos legitimer Weg der Existenzsicherung des Individuums und seines Kollektivs.

Zweitens hat das Risiko, sein Leben als Opfer einer vorsätzlichen Gewalttat zu beenden, im Laufe der Jahrtausende dramatisch abgenommen. Alles in allem ist die Menschheit - so kontraintuitiv das angesichts der Massaker der Gegenwart erscheint - heutzutage im Vergleich zu früher eher besonders friedfertig. Vor 10.000, 5.000, 2.000 und auch noch 500 Jahren war die Rate gewaltsamer Todesfälle wesentlich höher als heute. Insofern wurde das Mordgeschehen menschheitsgeschichtlich immer weiter marginalisiert: faktisch wie ideologisch und moralisch. Ein erster Befriedungsschub verdankte sich (vor 5000 Jahren) der Entstehung von Hochkulturen. Damals ging die Rate der Homizide um etwa vier Fünftel zurück. Der Aufbau von Verwaltungsstrukturen im 13. und 14. Jahrhundert führte zu einem erneuten und überaus dramatischen Tötungs-Rückgang auf jährlich vielleicht noch 30 bis 40 Personen pro 100.000 Einwohner. Der dritte Humanisierungsschub schließlich kam mit dem Niedergang zahlreicher Gewaltpraktiken von der Gewaltherrschaft bis zur Folter im Zuge der Aufklärung und der Urbanisierung (Eisner 1997). - Die Gewaltexzesse des 20. Jahrhunderts mit ihren vielleicht 180 Millionen Toten (White 2011) sollen nichts an der Realität einer langfristigen Abnahme des Homizids ändern: selbst wenn dadurch der Durchschnitt auf drei von hundert Todesfällen stiege, läge dieser Anteil immer noch deutlich unter dem in allen früheren Epochen Üblichen. Steven Pinker (2011) zieht daraus den Schluss, dass wir bei aller noch vorhandenen Grausamkeit auf der Welt letztlich doch froh sein könnten über die historische Leistung der Aufklärung und der Zivilisation insgesamt. Wenn das so grausame und so blutige 20. Jahrhundert allerdings im historischen Vergleich vergleichsweise gewaltarm war - dann kann dies auch weniger zur Beruhigung als vielmehr zu einer vertieften Beunruhigung über die Geschichte der Menschheit und den Stand ihrer Zivilisierung Anlass geben. Und denkbar wäre auch, dass das 21. Jahrhundert mit seiner "Coming Anarchy" (Kaplan 1994) eine neue Tendenz in Richtung auf vermehrte Extremgewalt begründet. Jedenfalls fehlt es nicht an Gesellschaftskrisen, die zu derlei Anlass geben könnten - und auch nicht an militärischem, religiösen und politischen Gewaltpotential oder irgend einer sonstigen Bedingung für die rasche Entstehung und Vervielfältigung sozial heterogener Netzwerke der Verfolgung, die trotz intern uneinheitlicher Motivationen und Interessen eines gemeinsam haben: den Willen, eine gegnerische Gruppe zu vernichten (Gerlach 2011). Wenn also auch zuzutreffen scheint, dass Mord heute weniger häufig vorkommt als während aller früheren Epochen, so bleibt es doch beunruhigend, dass gerade die entwickelten Gesellschaften im frühen 19. Jahrhundert und in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts schwer erklärliche Phasen des Anstiegs des Risikos gewaltsamer Tötungen zu verzeichnen hatten (vgl. Gartner 1990: 92; Gurr 1981).

Tötungsdelikte im internationalen Vergleich

Der internationale Vergleich von Mordstatistiken ist für seine vielen Fallstricke und Unwägbarkeiten bekannt. Um die Schwierigkeiten, die sich aus den verschiedenen gesetzlichen Abgrenzungen ergeben, zu entgehen, beschränkt man den Vergleichsversuch von vornherein auf die viel weitere Kategorie der "vorsätzlichen Tötungsdelikte", schließt also zumindest den Totschlag mit ein. Da sich auch dort erhebliche Abgrenzungsprobleme ergeben, hat man das Problem weniger umgangen als verschoben. Aber so ist es nun einmal. Den relativ besten Eindruck von den Größenverhältnissen und Entwicklungstendenzen bei vorsätzlichen Tötungsdelikten (= homicide; Homizide) vermittelt die Global Study on Homicide des Büros Vereinten Nationen zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung gelten (UNODC 2011), die ihre Daten aus nationalen und internationalen sowie polizeilichen und medizinischen Quellen schöpfte und dadurch einige der Verzerrungen, die sich aus mancherorts sehr selektiven Polizeistatistiken ergeben, ausbügeln konnte.

  • Weltweit starben im Jahr 2010 nach der besten verfügbaren Schätzung 468 000 Menschen durch vorsätzliche Tötungsdelikte. Die Homizidrate lag damit im weltweiten Durchschnitt bei 6,9 Tötungsdelikts-Opfern pro 100.000 Einwohnern. Homizide sind überwiegend Männersache und werden häufig mit Schusswaffen begangen. 80 Prozent aller Täter und aller Opfer sind männlich. Schußwaffen spielen bei 40% aller Taten eine Rolle (in Europa: 21%).
  • In Europa wird der globale Durchschnitt nur in den neuen baltischen EU-Mitgliedsstaaten erreicht. Ansonsten bleibt Europa, wo 11% der Weltbevölkerung wohnen, aber (nur) 5% der vorsätzlichen Tötungen geschehen, deutlich darunter. Die Staaten der EU kommen auf einen Wert von 3/100.000. West- und Mitteleuropa für sich genommen auf 1,5 und Deutschland seit Jahren auf einen um die 1,0 oszillierenden Wert (je nach Quelle und Berechnung auf 0,84 bis 1,1), während Österreich ebenfalls seit Jahren noch darunter liegt (0,56).
  • Geringe Homizidraten (< 3/100.000) fanden sich 2010 weltweit (einschließlich Europas) in immerhin 40 (von 207 berücksichtigten) Staaten. Außerhalb Europas gehören zu dieser Gruppe u.a. Kanada, Australien und Neuseeland, China und Japan und die meisten arabischen Staaten. Soziale Unruhen (wie in Nordafrika) und einzelne Massenmorde (wie das Massaker auf der norwegischen Insel Utoya) verweisen allerdings auf eine hohe Störanfälligkeit des statistischen Friedens.
  • Sogar ohne dramatische gesellschaftliche Verwerfungen können sich die Homizid-Raten innerhalb von ein bis zwei Dekaden erheblich verändern. Zwischen Ende der 1950er und Ende der 1970er Jahre stieg z.B. in entwickelten westlichen Ländern das Risiko, Opfer eines tödlichen Gewaltverbrechens zu werden, um 60%. Andererseits sank dasselbe Risiko in New York City von 1993 bis 2002 um 69% (vgl. Hess 2004).
  • Homizidraten von über 20/100.000 fanden sich 2010 in 17 der 2007 Staaten. Die Spitzengruppe liegt mit ihren Raten allerdings weit darüber. An erster Stelle steht Honduras (Anstieg von 82/100.000 im Jahre 2010 auf 86/100.000 im Jahre 2011). Mit einigem Abstand folgen El Salvador (von 66 in 2010 auf 71 in 2011), Saint Kitts and Nevis (von 38 in 2010 auf 68 in 2011) und Venezuela (von 48 in 2010 auf 67 in 2011).
  • Direkt unter den genannten vier Ländern mit ihren völlig aus dem Rahmen fallenden Homizidraten rangierten im Jahr 2011 sieben Staaten mit Raten im Dreißigerbereich: Belize, Guatemala und Jamaika (mit jeweils 39), die Bahamas (36), Kolumbien (33), Südafrika (32; Durchschnitt für ganz Afrika: 17) und die Dominikanische Republik (31).
  • In armen Ländern mit extremen Einkommensunterschieden und schlechter Regierungsführung und ist die Mord- und Totschlagsrate um ein Mehrfaches höher als anderswo. Länder wie Honduras, El Salvador, Guatemala sind von tiefen sozialen Gräben zwischen einer nahezu allmächtigen Oligarchie und weitgehend rechtlosen Angehörigen verschiedener Volksgruppen gekennzeichnet. Polizei und Militär haben in solchen Ländern oft faktisch eine Lizenz zum Töten und stellen eher einen Teil der Gewaltmärkte und Gewaltkulturen dar, als dass sie sie eindämmten.
  • Ausnahmefall Nicaragua: das Land ist arm und liegt in demselben Drogenkorridor von Süd- nach Nordamerika, der die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Gruppen und Banden in Ländern wie Honduras und El Salvador befeuert. Dennoch liegt die Homizidrate (13/100.000) hier seit vielen Jahren schon um ein Vielfaches niedriger als bei den Nachbarn. Die relative Immunität gegen exorbitante Gewalt korreliert hier mit einer besseren Regierungsführung, einer vergleichsweise funktionsfähigen Justiz und einer weniger in feindselige ethnische oder soziale Lager gespaltenen Gesellschaftsstruktur (Logan 2009).
  • Ausnahmefall Brasilien: das Land hat eine hohe, aber nicht exorbitante Homizidrate von 25/100.000. Es gibt aber einen Bundesstaat (Alagoas), der eine Homizidrate von 60/100.000 aufweist und dessen Hauptstadt Maceió auf eine Rate von 107 kommt. Das Hauptmerkmal von Alagoas und seiner Hauptstadt Maceió ist extreme soziale Ungleichheit. Elend und Luxus leben nebeneinander. Riesige Zuckerrohrplantagen und Rinderherden kennzeichnen eine Gesellschaft, in der die Plantagenarbeiter ihre Zwiste mit der Faust und mit Messern oder Macheten austragen und in der die Oberschicht der Bestrafung entgeht, indem sie verschwiegene und billige Auftragskiller nutzt. Während Verbesserungen der Lebensverhältnisse und der Polizeiarbeit seit 1998 einen Rückgang der Homizide in Rio um zwei Fünftel und Sao Paulo um zwei Drittel bewirkten, wanderten gewalttätige Drogen- und Waffenhändlerbanden in Gegenden aus, die gleichsam noch auf ihre postmoderne Erschließung warteten, gleichzeitig aber auch alte Gewaltstrukturen aufwiesen: unter anderem in Alagoas fanden sie Gelegenheiten der Landerschließung, des illegalen Tropenholzmarktes, schlecht bewachte Grenzen für Waffen und Drogen sowie eine hochgradig korrupte Polizei (Waiselfisz 2011).
  • Die UNO sieht eine klare Verbindung zwischen Homizidraten und der Kluft zwischen Arm und Reich. In Ländern mit (laut Gini- oder Human Development Index) besonders krassen Unterschieden sind Homizide um ein Vielfaches häufiger als in Ländern mit einer gleichmäßigeren Verteilung des Wohlstands.
  • Auch die Alterspyramide spielt eine Rolle: je höher der Anteil junger Menschen, desto höher die Homizidraten. Insbesondere junge Männer haben eher Waffen, beteiligen sich an Straßenkriminalität und geraten leichter in körperliche Auseinandersetzungen (weltweit werden in jedem Jahr 21 von 100.000 jungen Männern Opfer vorsätzlicher Tötungsdelikte).

Mord als Abweichung

Tötungsdelikte, in denen sich ein Individuum gegen seine Bezugspersonen oder mutmaßliche Quellen der Frustration und Erniedrigung wie vielleicht Schulen, Ämter oder Geldinstitute stellt, werden häufig aus Situationen emotionaler Unterlegenheit, aus Verlassensangst oder (sonstiger) Überforderung in verschiedenen Lebensbereichen heraus begangen. Das sind Abweichungen vom Erwartungsfahrplan der Gesellschaft, die seit jeher einen legitimen Gegenstand der Theorien abweichenden Verhaltens und der Kriminalitätstheorien darstellen. Man denke an die bekannten Muster bei der Tötung des Intimpartners, wie sie Wilfried Rasch (1995) beschrieben hatte: da ist der Konflikt zwischen der Vitalschwäche, Kontaktenge und Gehemmtheit auf der Seite des späteren Täters einerseits und der Aktivität, Durchsetzungsfähigkeit und Souveränität auf der Seite des späteren Opfers andererseits. In einer Phase spannungsreicher Instabilität denkt der spätere Täter abwechselnd an Suizid, an die Tötung des Partners und einen gemeinsamen Tod: "Verzweiflung wird abgelöst von Hoffnung, um erneut tiefer Verzweiflung zu weichen (...) In einer 'letzten Aussprache' erfolgt schließlich die Tat überraschend für das Opfer, aber auch allzuoft unerwartet für den Täter selbst." Diese für die Geliebtentötung durch den verlassenen Partner charakteristische Konstellation findet sich auch dort, wo der verlassene Partner nicht den Geliebten oder die Geliebte, sondern den fortstrebenden Ehegatten umbringt. Auch hier gibt es das Machtgefälle, "bei dem das spätere Opfer mit seiner Umgebung als derjenige Teil erscheint, der die Situation beherrscht und in der Hand hat" - nur dass das spätere Opfer meist auch noch durch seine Herkunftsfamilie, Freunde, Anwälte und Behörden unterstützt wird und der spätere Täter sich fühlt, als stünde er mit dem Rücken zur Wand (Rasch 1995: 95 f.).

Was im Alltag oft als Mord bezeichnet wird, ist für Gerichte allerdings in der Mehrzahl der Fälle Totschlag (u.a. auch im Affekt) oder Körperverletzung mit Todesfolge. Das gilt auch für die folgenden raum-zeitlichen Aspekte vorsätzlicher Tötungsdelikte:

Tödliche Beziehungen. Für Staaten mit geringen oder durchschnittlichen Homizidraten gilt grundsätzlich, dass das Risiko, von einem unbekannten Täter umgebracht zu werden, deutlich geringer ist als das Risiko, zum Opfer eines Familienmitglieds, Freundes oder Bekannten zu werden. Hier liegt auch der Anteil von Frauen (sowohl unter Tätern als auch unter Opfern) regelmäßig deutlich höher (gelegentlich sogar über 50%) als in Ländern mit hohen Homizidraten, wo er nur halb so hoch oder noch geringer zu sein pflegt (vgl. Dotzauer 1975).

Gefährliches Wochenende. Die Kluft zwischen Arbeitszeit und Freizeit, insbesondere der besondere Status des Wochenendes, macht sich auch in der Kriminalität bemerkbar. Das Wochenende ist für große Bevölkerungskreise die Zeit der Geselligkeit und der außerhäuslichen Aktivitäten. Häufig spielt Alkohol eine Rolle, häufig kommt es auch zu Streitigkeiten. So kann nicht erstaunen, dass immerhin die Hälfte aller Körperverletzungen mit Todesfolge auf das Wochenende entfallen. Überraschenderweise gilt das aber nicht für Mord, der sich sogar unterdurchschnittlich häufig am Wochenende ereignet - mit einer markanten Ausnahme, nämlich der Ehegatten- und Geliebtenmorde. Offenbar werden die freien Tage genutzt, um eine letzte Aussprache herbeizuführen und die Beziehung ab und zu eben auch gewaltsam und endgültig zu beenden. Jedenfalls fallen immerhin rund 40 statt der zu erwartenden 30 Prozent der Taten aus dieser speziellen Fallgruppe auf das Wochenende. Diese Taten werden oft mit starken Emotionen und ohne Rücksicht auf die zu erwartenden Sanktionen ausgeführt (Dotzauer 1975: 365; Katz 1988: 12-51).

Gefährliche Nachtstunden. Zwischen 20 Uhr abends und 4 Uhr morgens spielen sich zwar überproportional viele Tötungsdelikte ab - die ihrerseits auf die Besonderheiten der sich in diesen Stunden abspielenden Sozialkontakte verweisen, sie in stärkerem Maße Reibungsflächen bieten und nach gesonderten Skripts ablaufen - doch werden auch sie in der Regel als Körperverletzungen mit Todesfolge eingeordnet, während Morde sich statistisch gesehen weitaus weniger tageszeitabhängig verhalten. Diese Unabhängigkeit von Wochentagen und Tageszeiten zeigt sich inbesondere in sog. Mord-Selbstmord-Fällen, bei denen der Täter sich nach dem Mord (an Familienangehörigen) selbst richtet (vgl. Dotzauer 1975: 365)

Kurze und lange Tötungen. Zwischen dem plötzlichen Mordanschlag einerseits und dem sich über Stunden, Tage oder gar Wochen hinziehenden Sexualmord andererseits liegen Welten. Die zeitlichen Strukturen des Täterhandelns und des Opferleidens sind bislang untererforscht. Beachtung verdienen vor allem die "langen Morde", seien es solche, die durch anomische Kleingruppen begangen werden - oder solche, die als bürokratische oder militärische Aktionen großer Gewaltkollektive in der Form von mörderischen Deportationen und Todesmärschen manifestieren. Die von Wolfgang Sofsky (1997) entworfene Forschungslandschaft der Gewaltzeit, in der es nicht nur um die Aktionsdynamik geht, sondern auch um deren Auswirkungen auf die leib-seelische Existenz der Opfer, ist für den Mord erst noch in konkrete Forschungen umzusetzen.

Sicherer Arbeitsplatz. Individuell motivierte Homizide geschehen nur selten am Arbeitsplatz des Täters: Interessen und Kräfte sind absorbiert, die Konflikte am Arbeitsplatz selbst erreichen häufig nicht die Intensität wie zuhause - und ein Blick auf die Strafurteile wegen Mordes zeigt, dass die meisten Täter zur Zeit der Tat sogar von einer beruflichen Bindung und damit von ihrem Arbeitsplatz akut oder längerfristig gelöst waren (arbeitslos, krank, im Urlaub, schlichtes Fernbleiben; vgl. Dotzauer 1975: 366).

Tödliche Wohnung. Speziell die Mord-Selbstmord-Fälle, aber auch die Beziehungs-Taten allgemein erfolgen überaus häufig in der gemeinsamen Wohnung, bzw. in der des Täters oder des Opfers. Für Frauen ist der riskanteste Ort mit großem Abstand das Schlafzimmer, für Männer aber auch noch die Küche, wo die Tötung dann typischerweise durch Erstechen erfolgt.

Die für die Zuordnung zum Mord erforderliche besondere Verwerflichkeit der Tat ist hingegen bei solchen Tatmustern gegeben, die von geradezu archetypischer Grausamkeit sind und an die Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft gehen - nicht umsonst graben sich in solchen Fällen auch die Namen der Täter in das kollektive Gedächtnis ein. Man denke an Jeffrey Dahmer, der die Köpfe seiner noch lebenden Opfer aufbohrte und mit Säure füllte, um sie zu willenlosen Sex-Sklaven zu machen machen, an Jack Unterweger, der junge Frauen mit dem Draht ihres Büstenhalters oder mit ihrer zu einem Henkersknoten gebundenen Unterwäsche qualvoll strangulierte oder einen Jürgen Bartsch, der seine kindlichen Opfer in einen höhlenartigen Bunker führte, wo er sie zwang sich zu entkleiden, sexuelle Handlungen an ihnen vornahm und sie dann bei vollem Bewusstsein zerstückelte. Der gut dokumentierte Fall Bartsch zeigt allerdings auch, dass sich erstens die Lustphantasien der Täter bei der Ermordung verängstigter, gefügiger und völlig wehrloser Opfer häufig als spiegelverkehrte Neuinszenierungen eigener Leidenswege des Täters als Kind verstehen und erklären lassen, und dass die monströsesten Taten von den Personen vollbracht werden können, die psychisch eher ein Häuflein Elend darstellen. Wo das Tatstrafrecht nach einer vergeltenden Grausamkeit ruft, würde ein Täterstrafrecht eher eine Klinikunterbringung nahelegen.

Mord als Konformität

Während der sozial unangepasste Mörder schon lange die Aufmerksamkeit der Kriminologie erregen konnte, ist die Möglichkeit des Mordes aus Gehorsam gegenüber bestimmten Normen und Werten erst in jüngerer Zeit wissenschaftlich bearbeitet worden. Dabei kommt Mord wohl mindestens ebenso häufig als Verbrechen aus Gehorsamsbereitschaft und damit als Ausdruck von sozialer Konformität vor wie als Ausdruck sozialer Anpassungsschwierigkeiten.

Eine Mittelstellung zwischen Mord als Abweichung und Mord als Konformität nimmt noch der Mord im Kontext eines Kulturkonflikts ein. Speziell in Einwanderergesellschaften ist es mit der Diagnose der "sozialen Abweichung" jedenfalls dann nicht getan, wenn einem Delikt ein Gruppenprozess zugrunde liegt, der selbst normativ strukturiert ist und innerhalb eines größeren Kollektivs durch Legitimitätsglauben gestützt wird. Dann ist die Handlung zwar aus der Sicht der Hauptkultur und ihrer Rechtsordnung "abweichend", nicht aber aus der Sicht der Täter selbst. Diese halten sich mit der Tat an eine eigene Ethik mit Werten und Normen, die sie und ihre Bezugsgruppen für legitim und verpflichtend halten, auch wenn diese von der sie umgebenden Rechtskultur nicht anerkannt werden (Sellin 1938). Ein solcher Fall liegt häufig dem Tatmuster Ehrenmord zugrunde. Nach den kulturell verankerten Familien-Normen ist die Tat eine Art Pflichterfüllung, die aber von der Rechtsordnung angesichts der nicht selten brutalen Tatausführung (z.B. dann, wenn zu mehreren auf das Opfer eingeschlagen und eingetreten wurde, um es sodann mit 18 Messerstichen im Leib - von denen ein besonders wuchtiger das Schulterblatt durchstieß - qualvoll verbluten zu lassen) häufig dann doch als Mord verurteilt wird. Derlei ist nicht antisoziales Verhalten im Sinne des Ungehorsams gegenüber sozialen Normen, sondern ein Fall des Autoritäts- und Gehorsamskonflikts: die Befolgung des einen Normensystems bedingt die Verletzung des anderen und umgekehrt. Und wenn keine rechtliche Strafe wartet, dann vielleicht eine informelle Sanktion aus dem anderen Normensystem, die von den Betroffenen noch mehr gefürchtet wird als eine formelle Strafe. Nicht nur für die Opfer von Ehrenmorden, sondern für alle direkt und indirekt daran Beteiligten enden derlei Doppelbindungen an konträre Normen mit großer Regelmäßigkeit in menschlichen Tragödien.

In anderen Fällen machen sich die Erwartungen der sozialen Umwelt so stark bemerkbar, dass von einem Kulturkonflikt nicht mehr die Rede sein kann. Bei den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen ging es um Morde, hinter denen eben gerade nicht individuelle soziale Anpassungsschwierigkeiten standen. Hier hatten "ganz normale Männer" das Gefühl, mit ihren Taten eine Pflicht gegenüber ihren Kameraden zu erfüllen, darüber hinaus aber auch gegenüber den Vorgesetzten und gegenüber ihrem von äußeren Feinden bedrohten Volk (Browning 1999). Es handelte sich nicht abweichendes, sondern um angepasstes Verhalten, nicht um "crimes of deviance", sondern "crimes of obedience". Dabei stand die Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autoritäten im Vordergrund - mit der ganzen "Banalität des Bösen", die jede intuitive Erwartung enttäuschte, dass der überdimensionierten Grausamkeit der Taten auch eine ebensolche Monstrosität der Motivation entsprechen müsse (vgl. Arendt 1986, Milgram 1974; Neubacher 2005).

Die Täter waren von der Aussicht auf kleine Vorteile motiviert: von der Vermeidung von Beschämung und Ausgrenzung, von der Hoffnung auf Anerkennung durch die Peer-Group und die Vorgesetzten - kurz: von den banalsten der alltäglichen Anreize. Wo sich angesichts der Wehrlosigkeit der Opfer stärkere Skrupel bemerkbar machten, ließen sich diese situativ durch die Manipulation normativer Bewusstseinsinhalte neutralisieren (Sykes & Matza 1968). Dazu gehörte vor allem der von der Staatsführung bis zu den Kameraden permanent wiederholte Diskurs darüber, dass sich das gesamte Kollektiv in einem Ausnahmezustand befinde. Der Einzelne sollte sich als Teil einer Schicksalsgemeinschaft begreifen, die er nicht verraten dürfe. Sein Volk sei zu Unrecht angegriffen worden und in seiner Existenz bedroht. Da der Feind jedes Mitgefühl vermissen lasse und Zivilisten angreife, seien die eigenen Maßnahmen gegen Zivilisten als kompensatorische Vergeltungsschläge nicht nur erforderlich, sondern auch vollkommen legitim.

Wege zum Mord

Der negative Sonderstatus, der die Kategorie des Mordes nicht nur von der Welt der Rechtschaffenheit, sondern darüber hinaus von "normalen" Straftaten trennt, legt zunächst einmal den Gedanken nahe, dass auch die Ursachen und Motive des Mordes ganz außergewöhnlich sein müssten. Heute glaubt man allerdings zu wissen, dass man aus tragischen Folgen nicht unbedingt auch auf dramatische Ursachen schließen kann, sondern dass die grässlichsten Ereignisse sich aus den banalsten Motiven und Situationen entwickeln können.

In der Frühzeit der Kriminologie sah das man noch anders. Die von Comte und Darwin beeinflussten Vertreter der sog. positiven Schule der Kriminologie waren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert überzeugt, dass es "geborene Verbrecher" gäbe, und dass diese wiederum unter den Mördern besonders häufig anzutreffen seien. Cesare Lombroso (1836–1909) glaubte zum Beispiel, Mörder schon nach ihrem Äußeren von Vergewaltigern unterscheiden zu können: "Die Mörder haben einen glasigen, eisigen, starren Blick, ihr Auge ist bisweilen blutunterlaufen. Die Nase ist groß, oft eine Adler- oder vielmehr Habichtsnase; die Kiefer starkknochig, die Ohren lang, die Wangen breit, die Haare gekräuselt, voll und dunkel, der Bart oft spärlich; die Lippen dünn, die Eckzähne groß. Nystagmus ist häufig, auch einseitiges Gesichtszucken, wobei sie die Eckzähne zeigen, gleichsam grinsend oder drohend". Die Vergewaltiger hingegen "haben fast immer ein funkelndes Auge, feines Gesicht, schwellende Lippen und Brauen, aber einen starken Unterkiefer. Meist sind die gracil gebaut, bisweilen jedoch bucklig" (Lombroso 1894: 229 ff.). Enrico Ferri (1856-1929) versicherte seinerseits, dass auch er im Stande sei, "allein aus den organischen Erscheinungen die Diagnose des Mörders zu machen inmitten anderer Verbrecher" (Ferri 1896: 38). Die sog. Lyoner Schule unter Alexandre Lacassagne (1843-1924) wiederum konterte derlei Biologismen gerne mit dem Hinweis auf sozialstrukturelle Ursachen aller Kriminalität und wurde für das Motto bekannt: "Jede Gesellschaft hat die Verbrecher, die sie verdient" (Lacassagne 1913: 364).

Die aktuelle Kriminologie hat sich vom "Mörder-Gen" ebenso verabschiedet wie von anderen monokausalen Modellen. Zwar fordern hirnphysiologisch orientierte Forscher ganz ähnlich wie die alte positive Schule die Verabschiedung des Schuldstrafrechts und dessen Ersetzung durch sichernde Maßnahmen (vgl. Markowitsch & Siefer 2007; kritisch dazu Hassemer 2009), doch dominieren heutzutage interdisziplinäre Erklärungsversuche, in denen der Stellenwert biologischer Aspekte im Vergleich zu früh geformten sozialen Bindungen und situativen Einflüssen (z.B. von Gleichaltigen oder von hierarchischen Gruppen) und denjenigen der formellen und informellen Sozialkontrolle als eher gering eingeschätzt wird.

Man geht auch nicht mehr davon aus, dass der Mensch grundsätzlich gut und regelkonform sei und man deshalb jede Abweichung durch Besonderheiten zu erklären habe, sondern legt häufiger ein Menschenbild zugrunde, in dem man sich den Menschen zunächst einmal als zu allem fähig und zu allem bereit vorstellt, was dieser aus seiner Sicht für nützlich hält. Morde können aus dieser Perspektive - wie andere Handlungen auch - anhand der vier Weber'schen Idealtypen sozialen Handelns klassifiziert werden. Gemordet werden kann entweder

  • zweckrational zwecks bestmöglicher Erreichung eines Ziels, bzw. einer Problemlösung (z.B. Lösung eines Liquiditätsproblems durch einen groß angelegten Versicherungsbetrug) oder
  • wertrational als Dienst an der eigenen Überzeugung ("Ich musste es einfach tun, es war eine Gewissenspflicht") oder
  • affektuell als Reaktion auf eine momentane Gefühlslage ("Es ist dann einfach mit mir durchgegangen ...") oder
  • traditionell in Befolgung einer regelhaften Gewohnheit ("Wir sind dann später jeden Tag von neuem ausgezogen, um unsere Arbeit - das Töten - fortzusetzen ... nach dem Sinn oder Zweck haben wir schon gar nicht mehr gefragt").

Die vier Motiv-Arten des Homizids, die das FBI unterscheidet, stehen dazu nicht unbedingt in einem Widerspruch:

  • Bereicherung (Criminal Enterprise Murder; Begehung zwecks persönlichen - nicht nur materiellen - Gewinns, bzw. zum Erhalt oder der Vermehrung von Ressourcen; einschließlich Taten zur Verdeckung eines vorher begangenen Delikts).
  • Beziehung (Personal Cause Murder; Begehung infolge eines emotionalen Konflikts; dazu gehört auch: vorsätzliche Tötung im Rahmen von Stalking, von häuslicher Gewalt, Rachetaten, Mord an Vorgesetzten, d.h. Autoritätshomizide, ideologisch motivierter Hass; Tötungen von schwerkranken Patienten durch Pflegepersonal).
  • Sexualität (Sexual Homicide; Begehung, bei denen die Ereignissequenz, die zur Tat führte, sexuelle Komponenten aufwies; dazu gehören die Tötungen von Kindern durch Pädophile, von Frauen durch Vergewaltiger, die von sadistischen Serienmördern begangenen Tötungen).
  • Gruppendynamik (Group Cause Homicide; in der gemeinsamen Ideologie mehrerer Akteure erscheint die Tötung als unabdingbar, gerechtfertigt, notwendig - jedenfalls legitim).

Die Frage ist dann weniger, warum Menschen morden, als vielmehr, warum so viele Menschen es nicht tun. Was ist es, was die Menschen ihrer Freiheit zur Abweichung, genauer: ihrer Freiheit zum Morden, beraubt? Kriminologische Kontrolltheorien (Gottfredson & Hirschi 1992) postulieren, dass es der Sozialisationsprozess in der Familie sei, der die meisten Menschen mit so viel Selbstkontrolle ausstatte, dass sie der Versuchung zu impulsiven und letztlich unvernünftigen Straftaten widerstehen können. Die vier wirksamsten Faktoren, um Menschen davor zu bewahren, kriminell zu werden, sind ihnen zufolge:

  • attachment (gemeint sind die Kräfte starker emotionaler Bindung an rechtschaffene Eltern und andere Bezugspersonen)
  • commitment (soziale Verpflichtungen)
  • involvement (Eingebundensein in legale Aktivitäten und Engagements) und
  • belief (als Glaube an konventionelle Werte und Normen in Abgrenzung zur Identifikation mit Subkulturen).

Je stärker diese sozialen Bindungen an die "richtigen" Personen, Werte und Normen ausgeprägt sind, desto geringer das Risiko, dass ein Mensch eine Tat begeht, die von der Gesellschaft, in welcher er lebt, als Inbegriff der Verwerflichkeit angesehen wird. Anders herum ergibt sich aus diesem Zusammenhang ebenfalls, dass der Mensch um so anfälliger für die Motivation und Bereitschaft zu einer Straftat sein wird, desto schwächer und lückenhafter die entsprechenden Bindungen bei ihm ausgeprägt sind. - Je lückenhafter hingegen die erwähnten Bindungen, desto freier ist ein Individuum, bei den allfällig auftretenden Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit - seien diese sachlicher oder affektiver Art - auch illegale Wege der Problemlösung überhaupt wahrzunehmen, zum Gegenstand von Überlegungen zu machen und gegebenenfalls auch auf (evtl. selbst gesuchte) Gelegenheiten zu reagieren, sich darin bestätigen und unterstützen zu lassen. Dabei sind dann allerdings immer noch zwei Hürden zu überwinden, bevor es zur Tat kommen kann. Zum einen die innere Kontrollinstanz des Gewissens. Dessen hemmende Wirkung gilt es - soll es zu einer als verwerflich angesehenen Tötungshandlung kommen - durch eine entsprechende Manipulation der eigenen normativen Bewußtseinsinhalte zu überwinden. Das ist die selblegitimierende Funktion der von Sykes und Matza (1968) beschriebenen Neutralisationstechniken. Sie schaffen im individuellen moralischen Universum des prospektiven Täters eine Wahrnehmung, bzw. Definition der Situation, der zufolge gleichsam "alles in Ordnung" ist und die vorgestellte Tat "erforderlich", "leider unausweichlich" oder sogar "heldenhaft" - jedenfalls mit den eigenen moralischen Standards vereinbar und damit legitim - erscheint. Im Hinblick auf individuelle Morde wurde dieser interne Legitimationsprozess auf überzeugende Art von Jack Katz (1988) beschrieben, im Hinblick auf religiös motivierte Terroristen von Mark Juergensmeyer (2004) und auf Kriegsverbrechen deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg von Sönke Neitzel und Harald Welzer (2012).

Ist dieser innere Prozess erst einmal erfolgt, dann ist die Durchführung der Handlung für den Akteur psychisch nicht schwieriger zu bewerkstelligen als die Durchführung irgend einer sozial akzeptierten Form der Tötung (z.B. in Notwehr oder im Rahmen eines Verteidigungskrieges o.ä.), wo die Überwindung erster Hemmungen zwar auch erforderlich, aber sozial unterstützt, ethisch gleichsam geadelt und damit auch für jeden Einzelnen leichter zu bewältigen ist.

Ist die Bereitschaft zur Tat gegeben, dann bedarf es noch der objektiven Möglichkeit und des letzten Entschlusses zur unmittelbaren Durchführung der Tat selbst. Die objektive Möglichkeit kann entweder an den Akteur herangetragen werden (die Gruppe fordert den Novizen auf, einen Gefangenen aus der gegnerischen Gruppe zu liquidieren, um seine Loyalität zur Gruppe unter Beweis zu stellen) - oder er kann sie sich selbst schaffen (langfristige Vorbereitung eines Giftmords). Wo eine Gelegenheit weder vorhanden ist noch geschaffen werden kann, da erfolgt auch kein Mord: insofern ist die Abwesenheit geeigneten (personalen oder technischen) Schutzes eine weitere (wenn auch negative) Voraussetzung für das Zustandekommen von Morden (Cohen & Felson 1979).

Gesellschaftliche Bedingungen

In ruhigeren Zeiten bleibt die Mordrate - wie auch diejenige anderer Verbrechen und Vergehen - ziemlich konstant. Es gibt also so etwas wie ein recht gut prognostizierbares "Verbrechensbudget", das Jahr für Jahr in etwa dieselbe Zahl von Opfern fordert. Darin sah Adolphe Quetelet (1839: 7) den Beweis, "dass es die Gesellschaft ist, die das Verbrechen vorbereitet, und dass der Schuldige nur das Werkzeug ist, das es ausführt." Auch wer als Mörder "seinen Kopf auf den Block legt oder sich anschickt, sein Leben in den Gefängnissen zu beschließen", ist aus dieser Perspektive letztlich gar nicht selber schuld, sondern erfüllt nur, was die gesellschaftlichen Verhältnisse notwendig hervorbringen müssen: der Mörder ist ein Opfer dieser Verhältnisse: "Sein Verbrechen ist die Frucht der äußeren Umstände, die er vorfindet."

Man muss die Interpretation Quetelets nicht teilen, um gleichwohl anzuerkennen, dass große Veränderungen der Mordrate nicht aus sich selbst heraus erklärbar sind, sondern auf dem Einfluss veränderter Bedingungen zu beruhen pflegen.

Die Veränderung äußerer Lebensumstände beeinflusst sowohl die Motive der Menschen als auch die Gelegenheitsstruktur, die sie vorfinden - und sowohl die inneren Hemmungen als auch die äußeren Kontrollen.

Sozialer, aber auch politischer Wandel kann die relativen Häufigkeiten unterschiedlicher Arten und Erscheinungsformen des Mordes verändern, aber auch generell das Risiko erhöhen oder vermindern, zu einer gegebenen Zeit und an einem bestimmten Ort zum Täter oder zum Opfer eines Mordes zu werden.

Insbesondere ein Zustand der Anomie, in dem vor dem Hintergrund tiefer Gräben zwischen Bevölkerungsgruppen und Lebensweisen sowohl das Zusammengehörigkeitsgefühl als auch das Rechtsbewusstsein nur schwach ausgeprägt sind (Durkheim 1983, Merton 1938, Messner/Rosenfeld 2012), führt in aller Regel zu erhöhter Bereitschaft und zu vermehrten Gelegenheiten der Gewalt, wenn nicht sogar - aufgrund der Schwäche staatlichen Schutzes - dazu, dass die Bevölkerung gleichsam genötigt wird, sich zum Schutz der eigenen Person, Familie und Güter der Gewalt als einer immer verfügbaren und häufig auch effektiven Ressource zu bedienen. Mit einem hohen Gewaltniveau geht eine hohe Mordrate jedenfalls dann einher, wenn in den Strukturen selbst gewisse Anreize für instrumentelle Grausamkeit angelegt sind oder aber eine Tendenz zum Auslegen von sinnlicher Lust am Töten befördern.

Kleine und große Gewaltkollektive werden um so häufiger in einer Gesellschaft auftreten, je häufiger ihre Mitglieder nur über schwache soziale Bindungen verfügen und desto größer ihre ursprüngliche Freiheit zur Abweichung ist.

  • Anomische Gruppen. In Gruppen von (jungen) Menschen mit wenig Selbstkontrolle, oftmals geringem Bildungsgrad und geringer sozialer Integration spielen Langeweile und die Suche nach einem gewissen Erregungsniveau - auch durch körperliche Gewalt - oft eine große Rolle. Ein ebenso bewunderter wie gefürchteter informeller Anführer ist in der Lage, auch an sich unaggressive Trabanten in eine mörderische Gewalteskalation zu involvieren, hinter der wenig anderes als die (oft alkoholisierte) Suche nach diesem besonderen Kick steht (Veiel 2007). Die Milieus, in denen sich solche Gruppen bilden, sind häufig solche der "doppelten Verlierer", die auch in regulären Subkulturen keinen Anschluss finden und sich am Rande des Randes einer Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes durchschlagen.
  • Sub- und Teilkulturen der Gewalt. Wenn die Beteiligten nach den ersten größeren Gewaltaktionen vor Gericht kommen, hören die jeweiligen Gruppen in der Regel auf zu existieren. Wo aber nennenswerte Teile der Bevölkerung von sozio-ökonomischen Teilhabechancen ausgeschlossen bleiben, wo also eine kritische Masse von Menschen in ähnlich prekären Lebenslagen entsteht, können sich auch überdauernde Milieus herauskristallisieren: Sub- und Teilkulturen der Gewalt, in denen Mutproben und Gewaltorgien in Diskurs und Praxis fetischisiert werden und eine zentrale Rolle beim Statuserwerb und -verlust einnehmen (Wolfgang/Ferracutti 1967).
  • Organisierte Gruppen. Wo es primär um ökonomischen Erfolg auf illegalen Märkten geht, spielen Gewalt im Allgemeinen und Mord im Besonderen eine weniger expressive Rolle. Gewalt ist etwa im illegalen Drogenhandel von einem gewissen Niveau an ein unabdingbares Mittel zum Zweck: Bedrohungen müssen abgewehrt, Spitzel liquidert, Probleme gelöst werden. Gewalt ersetzt in den Fällen, in denen nicht einmal Korruption ihn öffnen kann, den versperrten Zugang zu staatlichen Institutionen.
  • Sub- und Teilkulturen der Ehre. Eine dienende Funktion der Gewalt und des Mordes findet sich auch beim Ehrenmord und beim Mord an sündhaften Mitgliedern strenger Religionsgemeinschaften - sowie last not least auch dort, wo zum Beispiel polizeiliche oder militärische Sondereinheiten mörderische Aktionen gegenüber Unerwünschten aus der eigenen oder einer fremden Bevölkerung durchführen: Häufigkeit und Leichtigkeit des Mordens wird hier durch das Bewusstsein gefördert, eine Pflicht zu erfüllen und die Taten in Befolgung nicht nur von Befehlen, sondern auch von höheren Werten auszuführen.
  • Gewaltkulturen. In Gesellschaften mit einer langen Tradition (Kontinuität) von Gewalt, die sich über alle Bereiche der Gesellschaft erstreckt (Ubiquität), in denen statt eines staatlichen Gewaltmonopols eine Vielfalt von Gewaltakteuren bestimmt (Pluralität) und in denen illegale Gewalt aller Art als normal angesehen wird (Normalität), da stärkt die Faktizität der Gewalt ihrerseits ihre normative Akzeptanz (Legitimität). In einer Gewaltkultur gräbt sich die Gewalt auf diese Weise tief in die Strukturen von Staat und Gesellschaft ein und wird zu einem Alltagsphänomen wie andere auch. Wo ein demokratischer Rechtsstaat mit einer Gewaltkultur koexisiert, bilden Justiz und Polizei die systemische Schnittstelle. Deren "Dysfunktionalität" im Sinne rechtsstaatlichen Handelns und juridischer Aufarbeitung staatlicher sowie nicht-staatlicher Morde sorgt dafür, dass Menschenrechtsverletzungen und andere Verbrechen keine spürbaren Folgen für die Täter haben. Die Straflosigkeit garantiert dann der Gewalt über Jahrzehnte hinweg ihre Rolle als effektivstes Konfliktlösungsinstrument und als bevorzugtes Mittel zur Durchsetzung von Partikularinteressen auf allen Ebenen, zumal die Abwesenheit staatlichen Schutzes vor Gewalt die Bevölkerung zur gewaltförmigen Selbstorganisation geradezu nötigt. Wo solche Strukturen die Bildung kleiner und großer Gewaltgruppen erleichtern und wirksame Eindämmungsmöglichkeiten fehlen, sind - wie gegenwärtig in Mittelamerika - die weltweit höchsten Homizidraten zu verzeichnen.
  • Gewaltsysteme. Wo der Staat das Gewaltmonopol nicht rechtsstaatlich kanalisiert, sondern seine eigenen Institutionen nach Gutdünken gewaltförmige Maßnahmen aller Art gegen Feinde, Verdächtige und andere Unerwünschte treffen lässt, kann er aufgrund seiner enormen Übermacht über alle sonstigen Akteure und seiner ideologischen Einflussmöglichkeiten in besonders hohem Ausmaß und mit größter Leichtigkeit unzählige Menschen zu Mördern machen und Massenmorde bis hin zum Völkermord organisieren.

Literatur

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Weblinks

Statistiken

Anderes

Stoffsammlung

Dokumentarfilme

  • Aileen: Life and Death of a Serial Killer. Regie: Nick Broomfield, 2003, von Amnesty International ausgezeichneter Dokumentarfilm.
  • Blind Spot: Murder by Women. Ein Film von Irving Saraf, Allie Light and Julia Hilder, 2000.
  • Urteil: Mord. 15.03.2010 (Gruppenmord in Lüchow, Niedersachsen).

Spielfilme

Frau ohne Gewissen


Zitate

  • »Das ›metaphysische‹, absolutistische Verhältnis zu Werten birgt logischerweise das Risiko einer Rechtfertigung des Mordes in sich« (Vattimo: Jenseits vom Subjekt, S. 25).
  • Schon die „einfachste Überlegung zeigt, daß der private Mord in geschichtlichen Zeiten nie mit dem öffentlichen sich hat messen können." (Enzensberger 1964: 17).
  • „Damit die Mörder verschwinden, muß sich die Scheu vor vergossenem Blut in den sozialen Schichten, aus denen sich die Mörder rekrutieren, vergrößern.“ (Durkheim 1968: 5).

Sonstiges

Bedingungen: wo entstehen Bedürfnisse nach (mörderischer) Tötungsgewalt als Mittel zur (affektiven/instrumentellen) Zielerreichung? Dort, wo

  • sie einen relativen Vorteil gegenüber anderen Mitteln besitzt: das Opfer kann sich nicht beschweren, nicht rächen. Da, wo die Verwandten kommen können, ist die Tötung nicht so attraktiv. (Mittelalter! wikipedia)
  • man als Täter nicht nur den positiven Erfolg der Tötung hat, sondern auch noch zusätzliche Belohnung erwarten kann (kleinräumige Gruppenunterstützung, Statusgewinn, aber auch Großgruppenunterstützung: Orden, Beförderungen ...)
  • also relativ dauerhafte Legitimationen - bis zum Ende des Regimes - dafür sorgen, dass die negative Stigmatisierung "Schurke"/"Mörder" nicht greift und stattdessen die Tötung unter positiv konnotierte Tötungshandlungen subsumiert wird ("Held", "Retter", "Dienst an der Gemeinschaft", "Elitesoldat", "Bewährung in Sondereinheit der Polizei" ....)
  • starke und weitgehend "geltende" Legitimationsdiskurse vorhanden sind: im Volk (Populismus) und/oder seitens der Exekutive oder der Medien - bei Indifferenz der Justiz (= Einstellung des Drohnenverfahrens); Analogien zum Staat, Strafe, Todesstrafe. Caldeiras.
  • durch die mehrfach determinierte Ungleichheit Interessenkonflikte entlang klarer Fronten latent vorhanden sind und durch symbolhafte Auslöser und Beschleunigungsfaktoren zum Tragen kommen (vorgezeichnet sind durch stark segmenthafte Merkmale (Hautfarbe, Ethnie, Ruanda, Liberia)
  • eine Handlung umetikettiert wird und damit die soziale Präventivfunktion der Stigmatisierung einer bestimmten Handlungskategorie unterlaufen wird / Labeling, Makro = Typisierung zwecks sozialer Kontrolle. Fällt weg, wenn umetikettiert wird (He/Sch)
  • Neutralisationstechniken wirken (im höheren Auftrag, für das Volk, das eine schwere Vergangenheit hat und eine Erniedrigung kompensieren möchte)
  • Rechtsauffassung zur Umetikettierung führt (gegenüber Rechtslage, die Mord sagen würde)

Durkheim (1973: 421 f.) zeigte, dass der Mord nicht etwa "eine einzige und unteilbare kriminologische Einheit darstellt, sondern Mehrzahl von Typen umfassen muß, die sehr weit voneinander verschieden sind."

Komposita: Völkermord, Selbst-Mord, Eifersuchtsmord, Ehrenmord, Mafia-Mord, Döner-Mord, Massenmord, Serienmord, Lustmord, Kindsmord, Tyrannenmord.

Politischer Mord: altruistischer Mord?

Völkermord als: einzigartiges Verbrechen, als Verbrechen der ... (engl. crime of crimes) oder als das schlimmste Verbrechen im Völkerstrafrecht bezeichnet. .

An einem „ganz normalen Wochentag“, dem 2. April 1992 – es war ein Donnerstag – analysierten Wissenschaftler in Washington (USA) die Blutrünstigkeit des Fernsehens: In den zehn Hauptkanälen der Stadt wurden zwischen sechs Uhr Früh und Mitternacht 1.846 Gewaltakte gezeigt, davon 175 mit tödlichem Ausgang und 751 waren lebensgefährlich für die Beteiligten. Das bedeutete pro Stunde einen Mord und zehn Gewalttaten. [1].


Siehe auch: Handbook2