Holocaust-Leugnung

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Als Holocaust-Leugnung wird im Sprachgebrauch das Bestreiten oder Verharmlosen der planmäßigen Vernichtung der europäischen Juden im nationalsozialistischen Deutschland und in den im Zweiten Weltkrieg von Deutschland besetzten Gebieten bezeichnet, also etwa die Behauptung, es seien keine Juden vergast worden, es seien nicht rund sechs, sondern weniger als eine Million Juden getötet worden. Als Holocaust-Leugnung gilt deshalb auch die Interview-Äußerung des Bischofs Richard Williamson, "dass 200 000 bis 300 000 Juden in Nazi-Konzentrationslagern starben, aber keiner von ihnen in Gaskammern" (Müller 2009).

In den USA, Großbritannien und vielen weiteren Staaten ist die Holocaust-Leugnung von der Meinungsfreiheit geschützt, in anderen hingegen nicht. In Spanien ist das Bestreiten des Holocaust von der Meinungsfreiheit geschützt, nicht aber dessen Rechtfertigung.

Strafbarkeit in Einzelstaaten

  • In Belgien, Liechtenstein, Luxemburg und Rumänien ist die Holocaust-Leugnung strafbar.
  • In Deutschland ist die Holocaust-Leugnung als "Volksverhetzung" strafbar. Darunter fällt auch die quantitative Abweichung von den allgemein für richtig gehaltenen Opferzahlen (ca. 6 Millionen), soweit sie diese Zahl nicht unerheblich unterschreitet (= quantitative Bagatellisierung).
  • In Frankreich wird die Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit (in der Definition der Nürnberger Prozesse) bestraft. Strafbedroht ist die Leugnung des Genozids an den Armeniern (1915) und die Leugnung der "positiven Rolle" Frankreichs bei der Kolonialisierung Algeriens. 2008 wurden zwei weitere Anträge parlamentarisch beraten: die Kriminalisierung des Bestreitens des stalinistischen Genozids in der Ukraine im Jahre 1932 und das Bestreiten des Genozids in der Vendée während der Französischen Revolution. Diese Initiativen werden auch auf europäischer Ebene beraten, um die Gesetzgebung in den Mitgliedsstaaten der EU zu vereinheitlichen.
  • In Israel wird das Bestreiten des Holocaust auch dann bestraft, wenn die Meinungsäußerung nicht in Israel stattfand. Israel behauptet das Recht, die Auslieferung ausländischer Holocaust-Leugner, die ihre Äußerungen im Ausland tätigten, verlangen zu können.
  • In Österreich wird bestraft, wer den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost, gutheißt oder zu rechtfertigen sucht.
  • In Polen und in der Tschechischen Republik ist zudem auch das Bestreiten kommunistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafbar.
  • In Spanien ist (nach einer Verfassungsgerichts-Entscheidung von 2007) zwar die Rechtfertigung des Holocaust strafbar, aber nicht (mehr) das Bestreiten des Holocaust als historischer Tatsache (das nunmehr wieder von der Meinungs- und der Wissenschaftsfreiheit geschützt wird).

Strafbarkeit in der EU

Der EU-Rahmenbeschluss von 2008 zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten ihre Gesetzgebung bis 2010 den Mindeststandards anpassen. Da Deutschland bereits bestraft, wer den Holocaust in einer Weise, "die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost", ist der Mindeststandard in diesem Land schon erfüllt.

Kritik

Mit dem "Aufruf von Blois" (Appel de Blois) hat der frühere französische Kultur- und Unterrichtsminister Jack Lang - zugleich Bürgermeister des Städtchens Blois - zusammen mit dem Historiker Pierre Nora und der Schriftstellerin Francoise Chancdernagor eine Initiative für die "Freiheit der Historie" ins Leben gerufen, die sich im Namen der Wissenschafts- und der Meinungsfreiheit für die Freiheit der Dissidenten in diesen Fragen einsetzt. Der Aufruf fordert die HistorikerInnen aller Länder zum Widerstand gegen die "retrospektive Moralisierung" (Pierre Nora) und gegen die "Kriminalisierung der Forschung" unter dem Druck der Aktualität auf. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehören Eric Hobsbawm, Timothy Garton Ash, Carlo Ginzburg, Jan Assmann, Heinrich August Winkler und andere. Sogar Gaby Cohn-Bendit, Bruder des Politikers, froderte die "totale Meinungsfreiheit" für Historiker und Verrückte: "Man kann nur as widerlegen und bekämpfen, was sich frei artikulieren darf" (Altwegg 2008).

Quellen

  • Altwegg, Jürg (2008) Retro-Moral. Historiker kämpfen für die Freiheit der Geschichte. FAZ 16.10.08: 33.
  • Appel de Blois (2008) aufg. am 18.10.08 unter: http://www.lemonde.fr/opinions/article/2008/10/10/appel-de-blois_1105436_3232.html
  • Müller, Reinhard (2009) Wo das Leugnen beginnt. Schon das 'quantitative Bagatellisieren' des Holocausts steht unter Strafe in Deutschland. Mit dem EU-Haftbefehl könnte der Arm des deutschen Gesetzes bis nach Großbritannien reichen. FAZ 28.02.09: 4.


Siehe auch

Genozid-Leugnung