HEADS in Bayern

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Was ist HEADS?

HEADS steht für Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter und bezeichnet nicht nur die Datei zur Erfassung der Straftäter, sondern auch die gesamte Konzeption zur Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter in Bayern. Als Ziele werden angegeben:

  • die Reduzierung des Risikos der Begehung einer neuen Straftat bei besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern und
  • der Schutz der Bevölkerung durch "•Erkennen und dauerhafte Lokalisierung dieses Personenkreises •Optimierung des Informationsflusses zwischen Justiz, Justiz- bzw. Maßregelvollzug und Polizei in Bezug auf die Täter •Erfassung der relevanten Täterinformationen in einer eigenen EDV-Anwendung (HEADS) •Informationsbewertung durch besonders geschulte Beamte •Entwicklung von eigenen Interventionsstrategien und Beratung der Basisdienststellen bei deren Umsetzung der Maßnahmen •Koordination und Dokumentation der getroffenen Maßnahmen •Verbesserung der Ermittlungsunterstützung in herausragenden Fällen schwerer Sexualdelinquenz durch gemeinsamen Einsatz von ViCLAS und HEADS (Modus-Täter-Überprüfung)“ (aus: HEADS-Konzeption vom 27.03.2009, S. 3f.).

Zielgruppe von HEADS sind Sexualstraftäter, die gem. § 181b StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder wegen Tötungsdelikten mit sexueller Komponente oder unklarer Motivlage zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurden und bei denen auf Grund der Vollverbüßung Führungsaufsicht eintritt (§ 68f. Abs. 1 Satz 1 StGB) oder die aus dem Vollzug einer stationären Maßnahme der Besserung und Sicherung (§§ 63, 64 StGB) entlassen werden müssen (§ 67d Abs. 4,5,6 StGB), bzw. bei denen es sich um Bewährungsfälle handelt, die zunächst sozialprognostisch positiv bewertet wurden, im Verlauf der Bewährung jedoch ein erhöhtes Risiko entwickelten (vgl. HEADS-Konzeption vom 27.03.2009, S.4)

Die Eingruppierung von Straftätern in den von HEADS überwachten Personenkreis nehmen die zuständigen Stellen der Justiz (Führungsaufsichtsstellen) durch die Einschätzung als Risikoproband vor. Eine weitere interne Kategorisierung findet durch die polizeiliche Zentralstelle statt und widmet sich der Frage, wie intensiv eine Begleitung/Überwachung stattfinden soll. Hierbei werden die HEADS-Probanden auf Grund ihrer Täterpersönlichkeit, des Verhaltens im Straf- oder Maßregelvollzug und der Bewertung der Anlasstat(en) in vier Kategorien unterteilt (vgl. HEADS-Konzeption vom 27.03.2009, S.5f.)

Grundzüge des Vorgehens

Bereits vor der Entlassung eines möglichen Risikoprobanden aus dem Strafvollzug oder Maßregelvollzug informiert die jeweilige Vollstreckungsbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft. Diese prüft, ob eine tatsächliche Einstufung als Risikoproband möglich ist und gibt ihre Informationen an die Führungsaufsichtsstelle, sowie bei Vollverbüßern aus dem Strafvollzug und Entlassenen aus einer Entziehungsanstalt an die HEADS-Zentralstelle weiter (Bewährungsfälle und Entlassene aus der Maßregel sind keine Risikoprobanden und werden (zunächst) nicht in HEADS aufgenommen). Die Führungsaufsichtsstelle prüft die Eingruppierung als Risikoproband (bei Ablehnung Information der Zentralstelle und keine Aufnahme in HEADS) und leitet ihre Ergebnisse an die HEADS-Zentralstelle weiter. Bei zunächst positiv bewerteten Bewährungsfällen, die während der Bewährung ein erhöhtes Risiko entwickeln, informiert die zuständige Bewährungshilfestelle die Staatsanwaltschaft und diese die Zentralstelle.

Die HEADS- Zentralstelle nimmt nun die Kategorisierung der Risikoprobanden vor und übermittelt ihre Informationen an die zuständigen Polizeidienststellen. Darüber hinaus steht sie den Polizeipräsidien und den Kriminalpolizeidienststellen beratend zur Seite. Die konkrete Umsetzung der geplanten Maßnahmen findet durch gesondert geschulte HEADS-Beamte in den lokalen Kriminaldienststellen statt und wird zentral bei HEADS dokumentiert. Konkrete Maßnahmen können vor allem die Durchführung von Gefährderansprachen, eine Vervollständigung der ED- und DNA-Unterlagen, die Überprüfung der tatsächlichen Wohnsitznahme, die Einhaltung von Auflagen und Weisungen und die enge Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer sein. (vgl. HEADS-Konzeption vom 27.03.2009, S.10).

Die Speicherung der Daten findet in der HEADS-Datenbank statt, die mit der „rsCASE“-Software der Firma Rola security solutions Oberhausen arbeitet, die auch in anderen Bundesländern unter verschiedenen Namen Anwendung findet. Abfrageberechtigt sind nur die Mitarbeiter der Zentralstelle, sowie die regionalen HEADS-Ansprechpartner vor Ort. Die Speicherdauer ist abhängig von der Dauer der Führungsaufsicht und der Aufrechterhaltung der Rückfallgefahr; sie darf im Höchstfall 10 Jahre andauern. Nur bei unbefristeter Führungsaufsicht ist eine Datenspeicherung über 10 Jahre möglich.

Teil der Konzeption ist auch die Durchführung sog. „Runder Tische“ bei Sexualstraftätern, bei deren Entlassung oder während der Bewährungszeit eine abstrakte oder konkrete Gefährdung von anderen Personen zu befürchten ist. Hierbei sollen Vertreter von Justizvollzug, Führungsaufsichtsstelle, Strafvollstreckungskammer, Staatsanwaltschaft, Polizei, Bewährungshilfe und Sozial- und Kreisverwaltungsreferat gemeinsam eine koordinierte Vorgehensweise im Umgang mit dem Risikoprobanden entwickeln um so einen bestmöglichen Schutz potentieller Opfer zu erreichen. Diese „Runden Tische“ haben Modellcharakter im Raum München und sollen bei Bedarf auch in anderen Regionen eingesetzt werden.

Wie entstand HEADS?

Am 01.10.2006 führte der Freistaat Bayern als erstes Bundesland eine Konzeption zur Überwachung von rückfallgefährdeten Sexualstraftätern ein. Die Konzeption entstand in Zusammenarbeit der Staatsministerien der Justiz und des Verbraucherschutzes, des Inneren und des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Diese Arbeitsgruppe bildete sich auf Grund des aufsehenerregenden Rückfalls des Straftäters Martin P., der nicht mal ein Jahr nach der Entlassung aus 9jähriger Haft erneut einen sexuell motivierten Mord an einem Jungen beging. Bei der Nachbereitung dieses Falles durch eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern der Justiz, der Bewährungshilfe, der Jugendhilfe und der Polizei, fiel der Bedarf einer besseren Zusammenarbeit der einzelnen Stellen auf und führte letztlich zur Entwicklung von HEADS.

Die HEADS-Zentralstelle befindet sich in München und ist dem Kommissariat 16 des Polizeipräsidiums München angegliedert (nicht wie in anderen Bundesländern dem LKA). Inzwischen sind fünf Beamte bei der Zentralstelle (und eine Angestellte mit ca. 50% der Arbeitszeit), zehn HEADS-Sachbearbeiter auf Präsidialebene (und jeweils ein Vertreter) und über 70 HEADS-Ansprechpartner auf Inspektionsebene tätig, wobei alle außer den Mitarbeitern der Zentralstelle auch andere polizeiliche Aufgaben erfüllen.

Nach einem Jahr im Betrieb wurde das HEADS-Konzept Anfang 2008 evaluiert und anschließend überarbeitet. Ziel der Evaluation war die Feststellung der Effizienz und der Akzeptanz des Verfahrens bei den Beteiligten. Änderungen/Präzisierungen fanden vor allem bei der Beschreibung der Zielgruppe und der Kategorisierung (Einführung einer vierten Kategorie für Sexualstraftäter bei denen die Führungsaufsicht abgelaufen ist, die sich bereits mehrere Jahre in der Datenbank von HEADS befinden und die weiterhin als rückfallgefährdet eingeschätzt werden) statt, sowie bei der Beschreibung der „Maßnahmen der regionalen Dienststellen und der Dokumentation in HEADS“. Darüber hinaus gab es eine Änderung bei der Berücksichtigung des Jugendrichters im Verfahren und der Dienststellenbezeichnung der Zentralstelle HEADS. Mit Stand 27.03.2009 wurde die überarbeitete Fassung des HEADS-Konzepts herausgegeben.

Welche rechtlichen Grundlagen gibt es für HEADS?

Durch die Arbeit mit HEADS nehmen die Beamten Aufgaben gem. Art. 2 Abs. 1, 3 und 4 PAG wahr. Die allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus

• dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 4 PAG)

• dem Ermessen im Einzelfall und der Wahl der entsprechenden Mittel (Art. 5 PAG)

• und den allgemeinen Regelungen zur Datenübertragung (z.B. gem. Art. 39 PAG) Darüber hinaus werden für die einzelnen Tätigkeitsbereiche verschiedene rechtliche Grundlagen herangezogen.

Zur Datenerhebung ist vor allem Art. 42 Abs. 2 PAG, aber auch Art. 31 Abs.1 Nr. 1, 3 und 4 PAG (unter Berücksichtigung von Art. 30 PAG) zur Erhebung von Daten bei anderen Stellen und Auskunftspersonen maßgeblich.

Zur Datenspeicherung und –nutzung werden Art. 38 PAG und § 11 BKAG herangezogen, sowie die jeweiligen Vorschriften zur Datenspeicherung der einzelnen Dateien (z.B. IGVP, INPOL, ViCLAS). Der Datenabgleich mit anderen Systemen findet auf der Grundlage des Art. 43 PAG statt, sowie der jeweiligen Vorschriften der anderen Systeme.

Die Datenübermittlung durch HEADS findet an die

- Polizeidienststellen gem. Art. 38 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 PAG und Art. 40 Abs. 1 und 5 PAG,

- Bewährungshilfestellen gem. Art. 40 Abs. 2 und 3 PAG, bzw. auf Ersuchen nach Art. 40 Abs. 4 Nrn. 1bis 3 PAG.

- Führungsaufsichtsstellen gem. Art. 40 Abs. 2 und 3 PAG und

- Strafvollstreckungsbehörden im Rahmen von § 457 Abs. 1 i.V.m. § 161 StPO statt. (vgl. HEADS-Konzeption vom 27.03.2009, Anlage 4)

In der Zusammenarbeit mit diesen Stellen erhalten die HEADS-Beamten auch Informationen, die sich an den jeweiligen gesetzlichen Grundlagen dieser Stellen richten.

Anfang des Jahres 2008 fand eine Prüfung durch den Datenschutzbeauftragten des Freistaats Bayern statt. Es mussten daraufhin keine wesentlichen Änderungen der Konzeption durchgeführt werden.

Die oben genannten gesetzlichen Grundlagen stellen lediglich die wichtigsten Vorschriften im Umgang mit HEADS dar, müssen jedoch im Einzelfall überprüft und bei Bedarf durch weitere gesetzliche Vorschriften ergänzt werden.

Quellen

Konzeption "HEADS" vom 27.03.2009 (2. Auflage) mit Anlagen (unveröffentlicht)

Weblinks

zu StGB: [1]

zu StPO: [2]

zu PAG: [3]

zu rsCASE: [4]