ViCLAS

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Definition

ViCLAS ist die Abkürzung für "Violent Crime Linkage Analysis System".

Erläuterung

Die ViCLAS-Datenbank ist ein Analysesystem zum Erkennen von Tatzusammenhängen sowie Serienstraftaten insbesondere im Bereich der sexuellen Gewaltdelikte.

Die in Kanada (Royal Canadian Mounted Police) entwickelte Datenbank findet in einem Großteil der europäischen Staaten Anwendung und die gespeicherten und voll recherchierfähigen Informationen, die wissenschaftlich auswertbar sind, können auf nationaler und internationaler Ebene ausgewertet werden.

Ein umfassender Fragenkataloges ermöglicht, alle relevanten Informationen zu Täter, Opfer und Tatumstände zu erfassen und zu analysieren. Durch diese standardisierte Fallbeschreibung werden die festgestellten Verhaltensmuster der bekannten oder unbekannten Straftäter bei Ihrer Tatausübung im Wesentlichen abgebildet. Darauf aufbauend können geschulte Polizeiliche Fallanalytiker mit gezielten Recherchen Gemeinsamkeiten und Serienzusammenhänge verifizieren und somit zur Aufklärung noch unbekannter Delikte beitragen.

Nachfolgende Daten werden in ViCLAS erfasst:

- Informationen über den Täter

- Angaben über Täter-Opfer-Beziehung

- Informationen über die Tatörtlichkeiten

- Angaben zu Verletzungen und Todesursache

- Angaben zur Vorgehensweise des Täters bei der Tatbegehung, hier insbesondere sein verbales, physisches und sexuelles Verhalten

- Art der verwendeten Waffen und Gegenstände

- Angaben zu benutzten Fahrzeugen.

In Deutschland gibt es ViCLAS-Zentralstellen, in denen das BKA die Schulung der Mitarbeiter vornimmt.

Manchmal wird im Zusammenhang mit ViCLAS behauptet, dass es Aufgabe dieser Datenbank sei, einen "Verhaltensfingerabdruck" des Täters zu finden (Foto: Logo Kriminalistik). Kriminalistik Logo.jpg

Ähnliche Datenbanken

ViCLAS wird manchmal mit dem TECS-Informationssystem verwechselt. Das TECS-Informationssystem ist ein Personaldatensystem, mit dem bezogen auf eine konkrete namentliche Person sämtliche Informationen abgerufen werden können. Das ViCLAS-Datenbanksystem aber zielt auf Verhaltensmerkmale von unbekannten Personen ab, die diese im Rahmen der eigentlichen Durchführung des Verbrechens gezeigt haben.

VICAP (Violent Criminal Apprehension Program) nennt sich die zu ViCLAS analoge Datenbank des FBI. Des Weiteren nutzt die CIA eine ähnliche Datenbank, die noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung stellt.

Die Ermittlungsarbeit mit ViCLAS

Programmoberfläche der ViCLAS Software

ViCLAs ist eine Datenbank. Die Ermittlungsarbeit findet aber nach wie vor mit "Manpower" statt, denn ViCLAS speist die Kriminalfahnder an der Front mit "Ermittlungsansätzen" auf der Basis von Vergleichsanalysen, aber der Computer selber löst die Fälle nicht. "ViCLAs ist kein Wundermittel, jedoch eine wichtige Ergänzung" so Zentralstellenleiter Galli Wert, Kanton Bern (in: Der Bund, Mittwoch, 16.8.2006).

Mit ViCLAS den ungelösten Fällen auf der Spur

ViCLAS wird, zumindest im Kanton Bern, nicht nur mit aktuellen Fällen angereichert, sondern auch mit Daten aus den sogenannten "kalten Fällen" (lange zurückliegende, bisher ungeklärte Fälle). Durch die Einführung von ViCLAS werden nun auch die alten Fälle neu unter die Lupe genommen. Man hofft, dass sich rückwirkend neue Ansätze herauskristallisieren und Täter dieser weit zurückliegenden Straftaten doch noch zu überführen.

Kritisches zu ViCLAS

Zu bedenken ist, dass empirische Täterprofile nur auf einen bestimmten Kulturkreis begrenzt anwendbar sind und zum Beispiel hinsichtlich der "Mobilität der Täter oder deren alkohohl- und drogenspezifischen Konsumgewohnheiten" gravierende Unterschiede bestehen können (so Harbort 1997, 569).

Auch kann ViCLAs nur dann funktionieren, wenn "alle deutschen Länderpolizeien ihre jeweiligen Gewaltstraftaten auf hohem Qualitätsniveau zuverlässig eingeben und wenn sie untereinander effektiv zusammenarbeiten“ (Baurmann 1999, 826).

In der Praxis bedeutet das Füttern der ViCLAS-Datenbank einen Zeitaufwand, der zu Lasten anderer Ermittlungsarbeiten geht. (vgl. http://www.rcmp-grc.gc.ca/viclas/viclas_e.htm). So werden zum Beispiel in Österreich, in dem jährlich mehr als 2000 Sexualdelikte und rund 150 Morde aufgenommen werden, nicht alle Fälle in ViCLAS eingegeben, denn "Vorrang haben Fälle, wo Opfer und Täter sich nicht gekannt haben oder wo besonders brutal vorgegangen wurde" (Wolfgang Schneider, Polizist, Rossau, Österreich in: diepresse.com vom 24.4.2007)

ViCLAS und die Problematik des Datenschutzes

In der Datenbank ViCLAS werden in Deutschland (BKA) personenbezogene Opferdaten auf Grundlage von Einwilligungen mit einer Prüffrist von jeweils fünf Jahren gespeichert und das unabhängig davon, ob der Fall des konkreten Opfers bereits geklärt wurde. Von Datenschützern wird eingewendet, dass der Zweck dieser Datenbank auch mit detaillierten Angaben über Opferpersönlichkeit und Tatgeschehen mit anonymisierten Opferdaten hergestellt werden könnte. Gegener dieser Ansicht verweisen auf einen Fall, in dem gerade der Nachnahme des Opfers die Taten zu einer Serie zusammenfügte. Ob Opferdaten aus aufgeklärten Fällen auch weiterhin in ViCLAS ist ebenfalls umstritten. (vgl. http://www.datenschutzzentrum.de, Tätigkeitsbericht 2001).

Folgende Forderungen werden aus datenschutzrechtlicher Sicht gestellt:

1) Grundsätzlich muß eine Speicherung ohne die Personalien der Opfer erfolgen. Denn es werden über Opfer sehr weitgehende und auch intime Informationen eingestellt, damit sind Rückschlüsse auf ihre persönlichen Verhaltens- und Lebensgewohnheiten möglich

2) Es dürfen nur Straftaten von erheblicher und überregionaler Bedeutung erfasst werden

3) Der Umfang der einzustellenden Daten muß sich nach der Erforderlichkeit im Einzelfall richten

4) Der Zugriff auf diese sensiblen Informationen muß auf wenige, speziell geschulte Mitarbeiter beschränkt werden

5) Eine Vollprotokollierung der Zugriffe ist notwendig.

Die Berner Polizei will das Erinnerungsvermögen von Viclas zur Zeit per Gesetz verlängern. Dort ging durch die Schweizer Presse, dass ein Chloroform-Unhold nur deswegen wieder zuschlagen konnte, weil seine Daten in ViCLAs aus Datenschutzgründen gelöscht werden mussten. Inzwischen ist ein neuer Gesetzesentwurf ausgearbeitet und muss nun durch die kantonalen Gesetzesmühlen. Im neuen Gesetz ist für Viclas eine generelle Verjährungsfrist von 40 Jahren enthalten. (Stand: 12.10.2007, blick.ch)

Verbreitung von ViCLAS

Die Pionierrolle bei der Einführung von ViCLAS übernahm Österreich. Dort wurde die ViCLAS-Software 1995 in Betrieb genommen. Ende 1999 führte die deutsche Polizei ViCLAS ein. Die ViCLAS-Software ist in Kanada, Australien, Neuseeland (relativ flächendeckend), USA, England, Belgien, Niederlande, Österreich, Schweden und seit dem 01.10.2001 auch in Tschechien in Betrieb.

Die ViCLAS verwendenden Staaten haben sich in der europäischen ViCLAS User Group organisiert. Kann innerhalb dieser Arbeitsgruppe im Rahmen der jährlich stattfindenden Sitzung ein Problem nicht gelöst werden, werden die kanadischen Behörden kontaktiert.

ViCLAS in der Schweiz

Die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) hat im Jahr 2001 der nationalen Einführung von ViCLAS zugestimmt. Die Kantonspolizei Bern führt die nationale ViCLAS-Zentralstelle - ViCLAS Centre CH. Verschiedene Aussenstellen sind beauftragt, relevante Fälle für die Datenbank zu erfassen. Die Kantonspolizei Luzern ist Aussenstelle für die Zentralschweiz. ViCLAS soll die polizeiliche Ermittlungsarbeit unterstützen. Die Untersuchungen des Datenschutzbeauftragten haben zum Ergebnis geführt, dass für die Bekanntgabe von Personendaten durch die Kantonspolizei an den Betreiber von ViCLAS eine genügende Rechtsgrundlage besteht.

Zwei beispielhafte Erfolge durch ViCLAS:

- Kanton Bern, Anfang 2006 Ergreifung eines Exhibitionisten in Zürich, der sich dort entblösste. ViCLAS liess eine mögliche Übereinstimmung mit einem Berner Fall von 2004 erkennen, als in einem Zug zwischen Spiez und Interlaken eine Frau sittlich belästigt worden war. Diese erkannte darauf auf den ihr von der Polizei vorgelegten Fotos den Täter (Täter von Spiez).

- Kanton Bern, August 2006 Ergreifung eines 28-jährigen Sexualstraftäters, der in Aufzügen junge Mädchen belästigte.

Literatur

Baurmann, M. (1999): ViCLAS. Ein neues kriminalpolizeiliches Recherchewerkzeug. In: Kriminalistil 1999, 824ff.

Douglas, John / Burgess, Ann / Burgess, Allen / Ressler, Robert (2006): Crime Classification Manual. A Standard System for Investigating ans Classifying Violent Crimes. Wiley, New York.

Harbort,S. (1997): Empirische Täterprofile. Ein Raster für die Ermittlung sexuell motivierter Mehrfach- und Serienmörder. In: Kriminalistik 1997, 569ff.

http://www.blick.ch/news/schweiz/taeterprofile-neu-40-jahre-speichern-32271 (Zeitungsartikel, Täterprofile jetzt 40 Jahre speichern)

http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/viclasinter.html (ViCLAS in Deutschland)

http://www.criminalprofiling.ch/viclas.html (ViCLAS in der Schweiz)

http://www.diepresse.com/home/kultur/medien/tvkritik/300791/index.do?direct=300854&_vl_backlink=/home/kultur/medien/tvkritik/index.do&selChannel=

http://www.rcmp-grc.gc.ca/viclas/viclas_e.htm

http://194.209.226.170/pdfarchiv/bund/2006/08/16/18921Stadt20060816_1.pdf (Zeitungsartikel 2006, über Erfolge von ViCLAS in Bern, Schweiz)

Meyer, Caroline (2002): Das Täterprofil aus interdisziplinärer Sicht, unter besonderer Berücksichtigun des Strafprozessrechts. In: M. Cottier / D. Rüetschi / K. Sahlfeld (Hg.): Information und Recht. Basel.