Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL)

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Die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL) ist die zentrale Überwachungsstelle für die elektronischen Fußfesselträger in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist in der IT-Stelle der hessischen Justiz in Bad Vilbel eingerichtet und untersteht dem Hessischen Ministerium der Justiz (HMdJ).


Historie

Die GÜL wurde durch den Staatsvertrag zur Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder vom 19. Mai und 29. August 2011 zwischen dem Land Baden-Württemberg, dem Freistaat Bayern, dem Land Hessen und dem Land Nordrhein-Westfalen zum 01.01.2012 begründet (HMdJ 2011: 4).

Bis zum 29.11.2012 sind alle weiteren Bundesländer dem Staatsvertrag beigetreten (vgl. Beck Online 2011).

Der Hauptgrund für die Einrichtung einer zentralen Überwachungsstelle für die ganze Bundesrepublik, war die zu erwartende Kostenersparnis, als hätte jedes Land eine eigene Stelle einrichten müssen (HMdJ 2011: 2). Hessen übernahm dabei die Federführung, da es durch das Hessische Fußfesselmodellprojekt als einziges Bundesland über das entsprechende Know-How verfügte.

Zur Stichtagszählung vom 26.02.2014 überwachte die GÜL 68 GPS-Fußfesselträger bundesweit. Davon ist bei 53 Personen eine Sexualstraftat das Anlassdelikt und 15 Personen eine Gewaltstraftat (HMdJ 2014).


Rechtliche Grundlage

Die rechtliche Grundlage bildet der § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 12 StGB, welcher es ermöglicht, die elektronische Aufenthaltsüberwachung (kurz EAÜ) als Auflage im Rahmen der Führungsaufsicht anzuordnen (vgl. § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 12 StGB). Das entsprechende Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen ist seit dem 01.01.2011 in Kraft und steht u. a. im Zusammenhang mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Dezember 2009. Hierbei wurde die bis dahin durchgeführte deutsche Praxis zur Sicherungsverwahrung als Verstoß gegen die Menschenrechte gewertet. Dies galt besonders in Bezug auf das Abstandsgebot, wonach ein Täter nicht zweimal für die gleiche Straftat bestraft werden darf. Eines der Hauptargumente des EGMR war, dass sich die Sicherungsverwahrung nicht explizit in den Haftbedingungen von normaler Strafhaft unterschied. Die Reform war allerdings schon zuvor von der damaligen Bundesregierung angestrebt, da diese die gängige Praxis seit längerem als reformbedürftig ansah. Dies galt insbesondere nach den Verschärfungen seit 1998 (BMJV 2011).


Aufgaben

Die Aufgaben der GÜL sind primär die Entgegennahme und Bewertungen der Ereignismeldungen der elektronischen Fußfesseln, die auch als Überwachungsgeräte bezeichnet werden.

Die Bewertung findet hinsichtlich möglicher Weisungsverstöße nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB (Aufenthaltsgebot) (vgl. § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB) und § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB (Aufenthaltsverbot) (vgl. § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) statt. Im ersten Fall ist der Proband angewiesen einen bestimmen Ort nicht ohne Erlaubnis der zuständigen Führungsaufsichtsstelle zu verlassen. Das ist in der Regel der Wohnort, kann aber ein Bundesland oder das Staatsgebiet sein. Im zweiten Fall ist der Proband angewiesen bestimme Orte nicht ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle zu betreten oder sich zu nähern. Das können Wohnorte ehemaliger (gefährdeterer) Tatopfer, oder Orte welche zu möglicher neuer Tatbegehung verleiten, z. B. Kindergärten, Spielplätze, Rotlichtmilieu, etc. sein.

Weiter werden Verstöße nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 12 StGB (Beeinträchtigung des Überwachungsgeräts) bewertet. Dabei handelt es sich um Ereignisse wie etwa wenn der Akku der Fußfessel droht leerzulaufen oder am Überwachungsgerät manipuliert wird.

Bei all diesen Ereignissen nimmt die GÜL Kontakt zum Probanden zwecks Klärung des Sachverhalts auf. Die GÜL entscheidet nach der Bewertung über die zu treffenden Maßnahmen. Die Maßnahmen erstrecken sich über die reine Ansprache an den Probanden bis hin zum Einschalten der Polizei. Bei technischen Problemen mit dem Überwachungsgerät beauftragt die GÜL den technischen Vor-Ort-Service.

Ist in einer solchen Situation von einer akuten Gefährdung für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter (§ 463a Abs. 4 S. 2. Nr. 4 StPO) auszugehen, kann die GÜL sofort die Polizei informieren und die Positionsdaten des Probanden mitteilen.

Über alle Ereignisse erstattet die GÜL der zuständigen Führungsaufsichtsstelle und der zuständigen Bewährungshilfe einen Bericht in Textform.

Auf Antrag gibt die GÜL erhobene Aufenthaltsdaten (retrograd) an die Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung von Straftaten nach § 66 Abs. 1 S. 1 StGB weiter. Diese im Paragraphen genannten Straftaten sind die schweren Sexual- und Gewaltdelikte, Delikte gegen die persönliche Freiheit, sowie weitere schwere Straftaten gegen die demokratische Rechtsordnung (hier: Terrorismusdelikte). Hinzukommen noch folgend schwerer Raub- und Erpressung, Bandenkriminalität, Betäubungsmittelkriminalität und Straftaten gegen das Völkerstrafrecht. Alle diese Delikte müssen einen schweren bis sehr schweren Charakter aufweisen, also im Höchstmaß mit mindestens 10 Jahren Freiheitsstrafe bedroht sein.

Des Weiteren ist die GÜL Ansprechpartner für den Probanden bei allen Fragen die seine Überwachung betreffen.

Die GÜL nimmt auch Überwachungstätigkeiten in Form einer telefonischen Rufbereitschaft für das hessische Fußfesselmodellprojekt wahr.

Alle Aufgaben der Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder ergeben sich aus dem vorgenannten Staatsvertrag (HMdJ 2011: 2).


Datenschutz

Alle von der GÜL erhoben Aufenthaltsdaten müssen nach 2 Monaten gelöscht werden (§ 463 a Abs. 4 StPO), sofern nicht eine Aussetzung der Löschroutine auf Antrag bei der Führungsaufsichtsstelle durch Strafverfolgungsbehörden oder durch die Aufsichtsstelle selbst eingeht. Das kann aufgrund des Verdachts einer Straftat nach § 66 Abs. 1 S. 1 StGB oder zur Verfolgung eines Weisungsverstoßes nach § 145 a StGB.

Die GÜL schützt alle erhobenen Daten gegen unbefugten Zugriff Dritter(§ 463 a Abs. 4 StPO).


Technik

Die GÜL setzt in Zusammenarbeit mit der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) (HMdJ 2011: 5-6) eine Überwachungssoftware der israelischen Sicherheitsfirma ElmoTech ein. Diese gehört zum amerikanischen Multitechnologiekonzern 3 M. Die HZD stellt die benötigen technischen Voraussetzung zur Umsetzung der Überwachung zur Verfügung und ist der technische Dienstleister für die Länder. Die Überwachungsgeräte werden im Auftrag der Länder bei 3 M geleast.


Organisation und Ausstattung

Besetzt ist die GÜL jeweils mit einem Sozialarbeiter/Sozialpädagogen und einem Beamten des mittleren Verwaltungsdienstes. Der Betrieb ist 24/7 an 365 Tagen im Jahr gewährleistet und wird jeweils in 12 Stundenschichten durchgeführt. Insgesamt arbeiten derzeit 15 Bedienstete bei der GÜL, wovon eine Sozialarbeiterstelle gesondert auf die Abteilungsleitung entfällt. Die stellvertretende Abteilungsleitung wird ebenfalls durch einen Sozialarbeiter/Sozialpädagogen gestellt. Die technische Ausstattung in der GÜL stellt das Land Hessen zur Verfügung.


Kosten

Sämtliche entstehende Kosten zur Einrichtung und zum Betrieb der GÜL werden nach dem Königssteiner Schlüssel von den Ländern getragen. Nach Angaben im Gesetzentwurf der hessischen Landesregierung war das für Haushaltsjahr 2012 ein Gesamtbetrag vom 2.156.200 € (HMdJ 2011: 3).


Evaluation

Ab Oktober 2013 findet eine Evaluation der elektronischen Aufenthaltsüberwachung durch das Kriminologische Institut der Universität Tübingen statt. Dabei wird auch die GÜL Gegenstand der Forschung sein.


Siehe auch

Überwachung

Elektronische Fußfessel

Staatsvertrag

Hessisches Fußfesselmodellprojekt

Strafgesetzbuch §68 b

Führungsaufsicht

Sicherungsverwahrung

Polizei

Strafprozessordnung § 463 a

Strafgesetzbuch § 66

Strafgesetzbuch § 145 a

Königssteiner Schlüssel


Quellen

Hessisches Ministerium der Justiz (2011): „Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“. URL: https://hmdj.hessen.de/sites/default/files/media/hmdjie/staatsvertrag_ueber_die_einrichtung_einer_gemeinsamen_elektronischen_ueberwachungsstelle_der_laender.pdf [05.03.2014]

Beck Online (2011): „Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“. URL: http://beck-online.beck.de/default.aspx?vpath=bibdata%2Fges%2FStVGUeLStV%2Fcont%2FStVGUeLStV%2Ehtm [05.03.2014] i. V. m. URL: http://beck-online.beck.de/?VPATH=bibdata/ges/NdsGUeLStVG/cont/NdsGUeLStVG.htm&SHOWCOPYDIALOG=true [05.03.2014] für Niedersachsen

Hessisches Ministerium der Justiz (2014): „Überwachung mittels GPS - Justizministerin Eva Kühne Hörmann zieht Bilanz: 68 Straftäter an der Elektronischen Fußfessel“ Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 26.02.2014. URL: https://hmdj.hessen.de/presse/pressemitteilung/justizministerin-eva-kuehne-hoermann-zieht-bilanz-68-straftaeter-der [05.03.2014]

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2011): „Fragen und Antworten zur Sicherungsverwahrung“. URL: http://www.bmj.de/SharedDocs/Archiv/DE/Kurzmeldungen/2011/20110103_Fragen_und_Antworten_zur_Sicherungsverwahrung.html [05.03.2014]


Weblinks

Informationen zur GÜL bei der IT-Stelle der Hessischen Justiz. [1] [05.03.2014]

Information zum Verfahren bei der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD). [2] [05.03.2014]

3 M Deutschland. [3] [05.03.2014]

Evaluation der elektronischen Aufenthaltsüberwachung des kriminologischen Instituts der Universität Tübingen. [4] [05.03.2014]

Pressemitteilung zur Evaluation der Universität Tübingen. [5] [05.03.2014]