Erklärung des Heiligen Krieges gegen die USA (Al-Qaida)

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Hinsichtlich der Anfangsjahre und der öffentichen Artikulation anti-westlicher Zielsetzungen von Al-Qaida werden zwei Kriegserklärungen unterschieden.

Die erste Kriegserklärung wurde 1996 in mehreren arabischen Zeitungen veröffentlicht und stellt eine Reaktion auf die Stationierung US-amerikanischer Truppen in Saudi-Arabien dar. Sie gilt als die erste publikumswirksame Artikulation von anti-westlichen Zielsetzungen, dessen strategisch-systematische Umsetzung später unter dem Stichwort "Heiliger Krieg" (Dschihad) bekannt werden sollte und organisatorisch bei Al-Qaida gebündelt wurde.[1]

Die zweite Kriegserklärung, die 1998 veröffentlicht wurde, wurde nicht nur von Al-Qaida, sondern von mehreren Organisationen gemeinsam unterschrieben und hatte sich das Ziel gesetzt, eine "internationale islamische Front" zu erklären. Im Gegensatz zu der 1996 veröffentlichten Erklärung hat diese Al-Qaida und Osama bin Laden weltweit bekannt gemacht.

In der wissenschaftlichen Rezeption der Kriegerklärungen wird die zentrale Rolle bin Ladens in diesem Kontext hervorgehoben. Er würde das Anliegen von Al-Qaida besonders medienwirksam vertreten und könne als dessen Sprachrohr gelten. Saghi beispielsweise konstatiert in diesem Zusammenhang, dass Bin Laden weniger Ideologe, denn "Volkstribun im Medienzeitalter" war (2006: 41).

Erste Kriegserklärung (1996)

Am 23. August 1996 wurde eine Schrift veröffentlicht, die als "Erklärung des heiligen Krieges gegen die Amerikaner, die das Land der beiden heiligen Stätten besetzen" [2] bekannt wurde und den Titel trug: "Vertreibt die Juden und die Christen von der Arabischen Halbinsel" bzw. "Vertreibt die Heiden von der arabischen Halbisel"(Kepel/Milelli 2006: 67). Laut Unterschrift stammte sie von Osama bin Laden und ist als "Botschaft an seine muslimischen Brüder in aller Welt" zu vestehen (Kepel/Milelli 2006: 67). Das Schriftstück wurde mehreren arabischen Zeitungen per Fax zugesendet und stammt laut Unterschrift "(a)us den Bergen des Hindukusch, Khorasan, Afghanistan" (Kepel/Milelli 2006: 67).

Zeitlicher Kontext

Bin Laden war bis zu diesem Zeitpunkt - zumindest in den USA und Westeuropa - ziemlich unbekannt und blieb dis auch zunächst nach der Veröffentlichung der Kriegserklärung. Zu jener Zeit lag gegen ihn lediglich ein Haftbefehl seines Heimatlandes Saudi-Arabien vor (vgl. Wikipedia). Internatoinal nahm man ihn erst nach der zweiten Kriegserklärung wahr (s.u.).

Bin Laden reagiert in der Schrift auf die Stationierung US-amerikanischer Truppen in Saudi-Arabien, deren Anwesenheit eine Reaktion auf den Einmarsch Saddam Husseins in Kuwait war. Bin Laden selbst hatte dem saudi-arabischen König angeboten, mit seinen eigenen Truppen gegen Hussein vorzugehen. Da Saudi-Arabien, durch seine historische Rolle einerseits als Geburtsland Mohammeds (Mekka), andererseits als dessen Grabstätte (Medina), als 'Land der beiden Heiligtümer' [3] gilt und somit religiöse Bedeutung für Bin Laden und seine Anhänger besitzt, wurde die Entscheidung des saudi-arabischen Königs, US-amerikanische Truppen ins Land zu lassen, als Affront angesehen.

Inhalt

Bin Laden macht in dem Schriftstück ein "(Bündnis) aus Juden und Kreuzfahrern" für Aggressionen gegenüber Muslimen bzw. dem Islam im Allgemeinen verantwortlich und betont diesbezüglich die Rolle der USA und "dessen Alliierten". Muslime seien Ungerechtigkeit und Unterdrückung seitens der westlichen Welt ausgesetzt, was z.B. in der Besetzung Saudi-Arabiens ("des Landes der beiden Heiligtümer, des Hauses des Islam und der Wiege der Prophezeiung seit dem Tod des Propheten und der Quelle der göttlichen Botschaft" (Kepel/Minelli 2006: 68) durch nichtmuslimische Besatzer (US-amerikanische Truppen) zum Ausduck komme. Er bezieht sich in seiner Darstellung auch auf mehrere Massaker, die rund um den Globus u.a. muslimischen Menschen das Leben gekostet haben (Tadschikistan, Birma, Kaschmir, Assam, Phillipinen, Pattani, Ogaden, Somalia, Eritrea, Tschetschenien, Bosnien-Herzegowina). Zudem nimmt er Bezug auf die damaligen Konflikte in Palästina, im Irak und im Libanon. Alle diese Vorkommnisse würden darauf hindeuten, dass das muslimische Volk die "Hauptzielscheibe der Koalition der Juden und Kreuzfahrer" (ebd.: 68) ist. Es wird weiterhin angemerkt, dass das Vorgehen gegen Gläubige des Islam von den "Vereinten Ungerechten Nationen" gedeckt und "wegen des Komplotts der Amerikaner und ihrer Allierten" (ebd.) vor den Augen er ganzen Welt passieren könne, ohne das den Muslimen einer zu Hilfe käme.

Man werde sich, so Bin Laden weiter, nun aber der von den Amerikanern angeführen Koalition entgegenstellen. Eine sichere Basis in den Bergen des Hindukusch habe man schon bezogen und bereits begonnen, die christlich-jüdische Koalition zu bekämpfen. Ziel sei es, "(d)en amerikanischen Feind zu vertreiben, der unser Land besetzt hält" (ebd.: 69). Dies sei, "neben dem Glauben, die erste Pflicht, nichts ist wichtiger" (ebd.). Er fährt fort: "Denn nichts neben dem Glauben ist dringender, als den angreifenden Feind, der die Religion verdirbt und das Leben, zurückzuschlagen, ohne Bedingung, mit allen Mitteln" (ebd.). Es drohe, so die Aussicht, "die große Gottlosigkeit" (ebd.: 70).

Auffälligkeiten

Indem Bin Laden seinen Text mit Gebeten und religösen Aussprüchen (z.B. "Es gibt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott") durchsetzt, formuliert er die Schrift in Form einer Fatwa, einem islamischen Rechtsgutachten. Auffällig ist, dass Bin Laden - da er keine formale religiöse Ausbildung besitzt - nach islamischen Recht zu der Abfassung einer Fatwa nicht befugt ist. In diesem Kontext ist als weiteres Charakteristikum vorzuheben, dass auch direkt Zitate des Propheten Mohammed benutzt werden. Letzteres deutet darauf hin, dass Bin Laden der islamisch-sunnitischen Glaubensrichtung angehört, die - im Gegensatz zu den Schiiten - Anhänger der vier islamischen Rechtschulen sind, denen zugeschrieben wird, die rechtsmäßigen Repräsentanten der prophetischen Sunna zu sein, in den Worten des Propheten und der darauf aufbauenden Glaubens- und Pfichtenlehre die zweite Quelle religöser Normen nach dem Koran zu sehen (vgl. Reichmuth 2002a, 2002b). Erkennbar wird an dieser Stelle auch die salafistische Behauptung, ausgesprochen eng nach dem Wortlaut des Propehten zu leben und dessen Verlautbarungen besonders gut zu kennen (vgl. BpB).

Im Vergleich zur Kriegerklärung von 1998 (s.u.), wendet sich Bin Laden an dieser Stelle mehr gegen die heimische politische Elite und an seine eigenen Anhänger. Die Erklärung scheint somit eher einem Anruf an die eigenen Anhänger, denn einer Kriegserklärung an den Gegner zu gleichen.

Zweite Kriegserklärung (1998)

Am 23. Februar 1998 wird ein Schriftstück veröffentlicht, dass unter dem Namen "Erklärung der internationalen islamischen Front für den Heiligen Krieg gegen die Juden und Kreuzfahrer"[4] eine gemeinsame Position diverser islamistischer Gruppen (Al-Qaida, Al-Dschihad, Organisaion der Ulema, Harakat al-Ansar, Harakat al-Dschihad, Rat der Gama'a Islamiyya) markieren soll. Das Papier wird zwar von den entsprechden Führern der Bewegungen unterzeichnet, wird aber Bin Landen als Autor zugeschrieben.

Zeitlicher Kontext

Der bezogen auf die Arabische Halbinsel als öffentliche Person zu bezeichnende Bin Laden, wurde international erst dann ein Begriff, als in seinem bzw. Al-Qaidas Namen am 07. August 1998 zeitgleich die amerikanischen Botschaften in Daressalam und Narirobi angegriffen wurden, in deren Rahmen 257 Menschen ums Leben kamen und 5000 verletzt wurden (vgl. englische Wikipedia; sueddeutsche.de; focus.de).[5]

Inhalt

Einer anfänglichen, gebetsartigen Textstelle folgend, wird darauf verwiesen, dass die Stationierung US-amerikanischer Truppen in Saudi-Arabien als großes Unglück anzusehen ist und "die Nationen" übereingekommen seien "die Muslime als Blutsauger anzugreifen" (Kepel/Milelli 2006: 85f). Es würden sich drei Wahrheiten zeigen:

  • Die Stationierung US-amerikanischer Truppen hat für Saudi-Arabien erhebiche negativer Konsequenzen, da die Amerikaner das Land ausplündern und seine Bewohner demütigen würde (vgl. ebd.).
  • Die Ammerikaner würden das Ziel verfolgen, das irakische Volk auszulöschen und seine muslimischen Nachbarn zu demütigen.
  • Die Kriegsziele der USA seien religiös und wirtschaftlich motiviert und nützen nicht nur dem Staate Israels, sondern besonders auch der Besetzung Jerusalems.

All diese Ereignisse seien, so die Erklärung weiter, "Teil einer Kriegserklärung der Amerikaner an Gott und Seinen Propheten" (ebd.: 87). Da der "Heilige Krieg eine individuelle Pflicht" sei, muss sich der Muslim in einem "Verteidigunskampf" beweisen (ebd.). Was letzteren anbetrifft, "so ist er am nötigsten von allen, und den zurückzuschlagen, der die Ehre und die Religion angreift, ist nach einhelliger Meinung eine Pflicht, schlagt darum den Angreifer zurück, der die Religion und das Leben verdirbt" ebd.). Daraus folge der "Befehl Gottes": "Die Amerikaner und ihre Verbündeten zu töten, ob Zvilisten oder Soldaten" (ebd.). Ziel sei es, die amerikanischen Truppen aus dem muslimischen Gebiet zu vertreiben. Es folgt ein weiterer Aufruf: Jeder Muslim solle "dem Befehl Gottes Folge (...) leisten und die Amerikaner (...) töten und ihre Habe (...) plündern an jedem Ort, wo er sie findet, und zu jeder Zeit, wenn er es kann" (ebd.).

Auffälligkeiten

Charkateristisch ist, das auch diese Erklärung als Fawa verfasst worden ist und somit ebenfalls eine rhetorisch-religiöse Rahmung erfährt. Es fällt auf, dass sich die Erklärung von 1998 nun einerseits weniger gegen die arabische politische Elite, denn gegen die westliche Welt, insbesondere gegen die USA und Israel richtet, und - andererseits - mehr den Charakter einer genuinen Kriegerklärung hat. Es muss betont werden, dass in dieser Erklärung explizit das Töten von Zvilisten in den Aufruf eingeschlossen wird. Dies führte innerhalb der islamischen Glaubensgemeinschaft zu Kontroversen (vgl. n-tv.de).

Anmerkungen

  1. Siehe dazu: http://www.faz.net/aktuell/politik/al-qaida-mehr-als-zwanzig-jahre-terror-1638035.html
  2. Der Text liegt auszugsweise in der Al-Qaida-Textsammlung von Kepel/Milelli (2006) auf den Seiten 67-79 vor. In vollständiger englischsprachiger Form liegt die Erklärung u.a. bei Wikibooks vor
  3. Zur besonderen Rolle Saudi-Arabiens als "Land der beiden Heiligtümer", siehe auch Heidenreich (2010: 132ff).
  4. Der Text liegt in der Al-Qaida-Textsammlung von Kepel/Milelli (2006) auf den Seiten 85-89 vor. Für eine englische Version, siehe PBS.
  5. Für weitere Einzelheiten zu den Botschafts-Anschlägen, siehe PBS

Literatur

  • Bin Laden, Osama (2006) [1996]: Auszüge aus „Erklärung des Heiligen Krieges gegen die Amerikaner, die das Land der beiden Heiligen Stätten besetzen“. In: Kepel/Milelli (Hsrg.) (2006): a.a.O., S. 67-71.
  • Bin Laden, Osama u.a. (2006) [1998]: „Erklärung der Internationalen Front für den Heiligen Krieg gegen die Juden und Kreuzfahrer“. In: Kepel/Milelli (Hsrg.) (2006): a.a.O., S. 85-89.
  • Kepel, Gilles (2006): Der Kern von Al-Qaida. In: Kepel/Milelli (Hsrg.) (2006): a.a.O., S. 13-21.
  • Saghi, Omar (2006): Osama Bin Laden, Volkstribun im Medienzeitalter. In: Kepel/Milelli (Hsrg.) (2006): a.a.O., S. 25-54.
  • Kepel, Gilles; Milelli, Jean-Pierre (Hrsg.) (2006): Al-Qaida : Texte des Terrors. München/Zürich: Piper.
  • Heidenreich, Elisabeth (2010): Sakrale Geographie : Essay über den modernen Dschihad und seine Räume. trancript: Bielefeld.
  • Juergensmeyer, Mark (2009): Die Globalisierung religiöser Gewalt. Hamburg: Hamburger Edition.
  • Schröm, Oliver (2003): Al Qaida. Berlin: Ch. Links.

Weblinks