Einzelhaft

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Die Einzelhaft bezeichnet die Trennung eines Gefangenen von anderen Gefangenen im Strafvollzug. Es gibt den Arrest [1] als eine Form von Disziplinarmaßnahmen (im Strafvollzug), der stets als Einzelhaft vollzogen wird und die Einzelhaft als besondere Sicherungsmaßnahme [2]. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer Anordnung einer strengen Einzelhaft im Rahmen der Untersuchungshaft [3]. Die Einzelhaft gibt es sowohl im Erwachsenenstrafvollzug als auch im Jugendstrafvollzug [4] und wird insbesondere vor dem Hintergrund der schädlichen Auswirkungen von Isolationshaft [5] auf den Menschen kontrovers diskutiert.

Gesetzliche Grundlage

Die Einzelhaft ist gesetzlich in § 89 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) [6] des Bundes bzw. in den Strafvollzugsgesetzen der Länder geregelt. Durch die Förderalismusreform [7] im Jahr 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz für den Justizvollzug den Bundesländern eingeräumt, so dass der Justizvollzug nicht mehr einheitlich geregelt ist. In zwölf Bundesländern gilt allerdings weiterhin das aus dem Jahr 1976 existierende Strafvollzugsgesetz. Bislang sind lediglich in Bayern [8], Hamburg [9], Niedersachsen [10] und Baden-Würtemberg [11] Landesgesetze zum Strafvollzug erlassen worden, die in ihrem Geltungsbereich dem ansonsten weitergeltenden Bundesrecht vorgehen. Für den Erwachsenenvollzug gilt in den übrigen Bundesländern weiterhin das (Bundes-) Strafvollzugsgesetz. Für den Vollzug der Jugendstrafe gelten hingegen sechzehn Jugendstrafvollzugsgesetze [12], die aber zum Teil angeglichen wurden. Insbesondere die Neuner-Gruppe, eine aus 9 Bundesländern bestehende Gruppe, hat einen gemeinsamen Modellentwurf erstellt, auf dessen Grundlage (mit geringen Abweichungen) Landesgesetze in Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen verabschiedet wurden, die alle am 1. Januar 2008 in Kraft getreten sind.

Einzelhaft im Erwachsenenstrafvollzug

Im Erwachsenstrafvollzug wird die Einzelhaft sowohl als Disziplinarmaßnahme in Form eines Arrestes angeordnet oder als besondere Sicherungsmaßnahme. Im Untersuchungshaftrecht kann auch eine strenge Einzelhaft angeordnet werden.

Einzelhaft als Disziplinarmaßnahme (Arrest)

Verstößt ein Gefangener schuldhaft gegen Pflichten, die ihm durch das Strafvollzugsgesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt worden sind, kann der Anstaltsleiter gem. § 102 StVollzG (Bund) [13] bzw. nach den Regelungen in den Ländergesetzen gegen ihn Disziplinarmaßnahmen anordnen. Inhaltlich unterscheiden sich die diesbezüglichen Landesgesetze nicht von dem Bundesgesetz. So beinhalten auch die Landesgesetze die Möglichkeit des Arrestes zum Zwecke der Disziplinierung. Schuldhafte Pflichtverletzungen werden hierbei definiert als vorsätzliche oder fahrlässige Verfehlungen. Der Arrest [14] als eine solche Disziplinarmaßnahme ist im Strafvollzugsgesetz des Bundes in § 103 Absatz Nr. 9 bzw. in den verschiedenen Landesgesetzen geregelt. Danach darf er nur bis zu 4 Wochen und nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden. Als schwere Verfehlungen wurden z.B. anerkannt: wiederholte Flucht, Einschmuggeln von Psychopharmaka bei der Rückkehr vom Urlaub, die Rückkehr vom Urlaub in angetrunkenem Zustand entgegen einer entsprechenden Weisung und Beleidigung von Vollzugsbediensteten. Der Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Die Gefangenen müssen in einem besonderen Arrestraum [15] untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Vor seinem Vollzug ist ein Arzt zu hören. Von dem Arrest als schärfste Disziplinarmaßnahme wird in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich Gebrauch gemacht. Auf 100 Gefangene kamen 1995 in Hamburg 23,2 Arrestanten, in Bremen 0 und in Berlin 3,6. Der Bundesdurchschnitt lag bei 8,9 Arrestanten.

Einzelhaft als besondere Sicherungsmaßnahme

Gegen den Gefangenen können nach § 88 StVollzG (Bund) [16] bzw. der einschlägigen Landesgesetze besondere Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Die Absonderung von anderen Gefangenen (Einzelhaft) stellt eine solche Maßnahme dar. Sie ist in § 89 Absatz 1 StVollzG [17] des Bundes bzw. in den jeweiligen Landesgesetzen normiert. Danach ist die unausgesetzte Absonderung eines Gefangenen nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person des Gefangenen liegen, unerlässlich ist. Das ist dann der Fall, wenn nach seinem Verhalten oder aufgrund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht. Die Einzelhaft darf nur als ultima ratio angeordnet werden. Vor ihrer Anordnung sind alle sonstigen Mittel der Behandlung und der Sicherheit und Ordnung einzusetzen. Die räumliche Trennung von Mitgefangenen umfasst die Bereiche Ruhezeit, Arbeit und Freizeit. Die Teilnahme am Gottesdienst sowie an der täglichen Freistunde bleibt hiervon unberührt. Ebenso dürfen Kontakte zum Vollzugspersonal und zur Außenwelt (Briefe, Besuche) nicht unterbunden werden. Die Einzelhaft ist zeitlich nicht begrenzt. Allerdings bedarf sie bei mehr als drei Monaten Gesamtdauer in einem Jahr der Zustimmung der Aufsichtsbehörde [18].

Strenge Einzelhaft im Untersuchungshaftrecht

Gem. Nr. 60 der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) [19][20] kann bei erheblicher Verdunkelungsgefahr [21] eine strenge Einzelhaft im Rahmen der Untersuchungshaft angeordnet werden, während welcher der Gefangene von anderen Gefangenen dauernd getrennt gehalten und streng bewacht wird. Auch kann für eine gewisse Zeit die völlige Abschließung von der Außenwelt angeordnet werden. Die Untersuchungshaftvollzugsordnung, eine blosse Verwaltungsvorschrift, ist allerdings in den meisten Bundesländern durch Landesgesetze zum Untersuchungshaftvollzug abgelöst worden (vgl. die Zusammenstellung auf der Webpage des Strafvollzugsarchivs), die eine strenge Einzelhaft nicht mehr kennen.

Einzelhaft im Jugendstrafvollzug

Ebenso gibt es im Jugendstrafvollzug die Einzelhaft als Disziplinarmaßnahme und als Sicherungsmaßnahme. Darüber hinaus kann auch der Jugendarrest zum Teil in Einzelhaft erfolgen.

Einzelhaft als Disziplinarmaßnahme (Arrest)

Die Einzelhaft in Form einer Disziplinarmaßnahme ist in den einzelnen Jugendstrafvollzugsgesetzen geregelt. Auch hier darf sie nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden, allerdings mit dem Unterschied zum Erwachsenenstrafvollzug, dass sie nicht länger als 2 Wochen betragen darf. vgl. z.B.[22].

Einzelhaft als Sicherungsmaßnahme

Auch alle Gesetze zum Jugendstrafvollzug enthalten die Institution der Einzelhaft, sogar ohne jegliche zeitliche Beschränkung. Lediglich in Hessen [23] ist eine solche Beschränkung vorgesehen. Dort darf die Einzelhaft ununterbrochen nicht mehr als eine Woche andauern.

Ebenfalls hier ist die unausgesetzte Absonderung junger Gefangener nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person der oder des jungen Gefangenen liegen, unerlässlich ist.

Im Unterschied zum Erwachsenstrafvollzugsrecht bedarf die Einzelhaft im Jugendstrafvollzug bereits bei kürzerer Dauer (in Hessen z.B. bei einer Einzelhaft von mehr als 4 Wochen im Jahr [24]) der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

Jugendarrest

Von dem Arrest als Disziplinierungsmaßnahme zu unterscheiden ist der Jugendarrest [25], der als Zuchtmittel gem. § 13 JGG eine kurzzeitige Freiheitsstrafe vorsieht und nicht in Einzelhaft vollstreckt werden muss. Bei Dauer- und Kurzarrest von mehr als zwei Tagen werden die Jugendlichen und Heranwachsenden zunächt in Einzelhaft genommen. Nach einigen Tagen verrichten sie einfache Arbeiten und können an bestimmten Angeboten teilnehmen. Nachts ist der Arrestant jedoch alleine untergebracht (§ 6 JA VollzO [26]). Im Freizeit - und Kurzarrest bis zu zwei Tagen kann der Jugendliche bei Tag und Nacht alleine untergebracht werden. Dadurch soll die Besinnungswirkung des Zuchtmittels erhalten bleiben.

Mindeststandards für den Jugendstrafvollzug

Fachverbände fordern, dass ein auf Förderung und Erziehung ausgerichteter Jugendstrafvollzug primär auf Konfliktregelung anstelle von Disziplinierung setzen muss. Sie haben daher Mindeststandards entwickelt, die dieser Förderung und Erziehung gerecht werden soll. Danach haben die Jugendstrafvollzugsgesetze Instrumente der Konfliktregelung bereit zu stellen und mit Vorrang gegenüber Disziplinarmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Konflikte sollen in pädagogischen Gesprächen aufgearbeitet werden und Disziplinarmaßnahmen erst verhängt werden, wenn eine Konfliktregelung mit den Beteiligten gescheitert oder diese oder ein Erziehungsgespräch unangemessen wären – was jedoch zu begründen ist. Eine isolierte Unterbringung (Arrest) darf nur als ultima ratio erfolgen [27].

Kritik

Die Einzelhaft bei Jugendlichen ist nicht vereinbar mit völkerrechtlichen Bestimmungen. Doch auch die Einzelhaft bei Erwachsenen ist insbesondere im Hinblick auf die gesundheitlichen Auswirkungen nicht unumstritten.

Unvereinbarkeit mit völkerrechtlichen Bestimmungen

Die Mindeststandards der Regeln der Vereinten Nationen [28]zum Schutz von Jugendlichen unter Freiheitsentzug [29] sind nach Vorgabe des Bundesverfassungsgericht auch bei der nationalen Gesetzgebung für den Strafvollzug zu beachten. Nr. 67 der VN-Regeln zum Schutze von Jugendlichen unter Freiheitsentzug verbietet die isolierende Einzelhaft als unmenschliche und entwürdigende Behandlung. Allerdings sind diese, von der VN-Generalversammlung beschlossenen, Regeln juristisch bloße Empfehlungen an die Regierungen und kein bindendes Völkerrecht.

Auswirkungen von Einzelhaft

Die Einzelhaft kann, insbesondere, wenn sie von gewisser Dauer ist bzw. weitere Maßnahmen angeordnet werden, wie z.B. eine Kontaktsperre [30] [31] die Wirkungen einer Isolationshaft entfalten. Der Begriff der Isolationshaft wurde unter anderem im Zusammenhang mit den Haftbedingungen von den Mitgliedern der Rote Armee Fraktion [32] in den 1970er Jahren verwendet. Die Folgen einer isolierten Haft sind nicht zu unterschätzen. Es droht neben einer sozialen Isolation [33] auch eine sensorische Deprivation [34]. Die langanhaltende und vollständige Ausschaltung aller Sinneseindrücke kann zu Störungen des Denkablaufs, Konzentrationsschwäche, depressiven Verstimmungen und zu Halluzinationen führen. Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) [35] verbietet in Art. 3 [36] die Folter und die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung als Strafe. Nach der Kommission liegt keine zulässige Einzelhaft mehr vor, sondern Isolationsfolter, wenn sich der Einzelhaftvollzug auf die Zerstörung der Persönlichkeit richtet. Dies setzt jedoch eine völlige Sinnesisolation und völlige soziale Isolation voraus. Sobald der Gefangene jedoch z.B. ein Fenster, Bücher oder Radio zu Verfügung hat, liegt eine solche Sinnesisolierung nicht mehr vor. Auch die Tatsache, dass die Gefangenen Besuch von Anwälten und Familienangehörigen erhalten können, begründet nur eine „relative soziale Isolierung“ nicht jedoch eine tatsächliche Zellenisolierung. Aus diesem Grund ist bislang noch kein Fall von Einzelhaft als Folter bzw. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung angesehen worden.

Literatur

  • Calliess, R.-P./Müller-Dietz, H.: Strafvollzugsgesetz, 11. Aufl., München 2008.
  • Feest, Johannes (Hrsg.): Kommentar zum Strafvollzugsgesetz (AK-StVollzG), 5. Aufl., Luchterhand, Neuwied 2006
  • Gross, Jan, Svab, L.: Soziale Isolation und Sensorische Deprivation und ihre gerichts-psychologischen Aspekte, Prag, 1967.
  • Hoffmann, Holger: Isolation im Normalvollzug. Normative Entwicklung und Rechtswirklichkeit besonders angeordneter Einzelunterbringung im Strafvollzug, Pfaffenweiler 1990
  • Höflich, Peter / Schriever, Wolfgang: Grundriss Vollzugsrecht, 3. Aufl., Heidelberg, 2003.
  • Kaiser, Günther / Schöch, Heinz: Strafvollzug, Heidelberg, 2002.
  • Schaffstein, Friedrich / Beulke, Werner: Jugendstrafrecht, 14. Aufl., Stuttgart, 2002.
  • Strafvollzugsgesetze, Bund, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, 19. Aufl., Beck, München, 2008.

Weblinks