Ist eine Welt ohne Gefängnisse möglich? Wäre sie zu wünschen oder eher zu fürchten?

Pro und Contra: Zur (Un-) Möglichkeit einer Gesellschaft ohne Gefängnisse

Eine Gesellschaft ohne Gefängnisse? Viele halten das nicht einmal für wünschenswert. Sie sind überzeugt, dass die Freiheitsstrafe notwendig ist - vielleicht ein notwendiges Übel - dass aber im Hinblick auf die wirklich gefährlichen Kriminellen jede Alternative entweder schlechter für die Gesellschaft ("frei herumlaufende Schwerverbrecher") oder aber für die Kriminellen selbst ("Todesstrafe") wäre.

Andere sagen: das ist vielleicht eine schöne Utopie, aber leider ist sie nicht zu verwirklichen. Gegen die Möglichkeit der Realisierung sprechen nach dieser Ansicht sowohl die historische Erfahrung als auch die gegenwärtige Erfolgsgeschichte der Institution.

(1) Die historische Erfahrung

Die Gefängnisstrafe erscheint den meisten Menschen eine Art historischer Konstante zu sein. Sie übergehen dabei die Tatsache, dass die Menschen während der bei weitem überwiegenden Zeit ihrer Existenz in nicht-staatlichen Verbänden organisiert lebten und keinerlei Gefängnisse oder gefängnisartige Institutionen kannten. Selbst mit dem Beginn der Sesshaftigkeit waren Abweichungen und Sanktionen ganz und gar anders organisiert und die Freiheitsstrafe, wie wir sie heute kennen, war noch jenseits aller Vorstellungskraft. Während Gotthold Bohne die Entstehung der Freiheitsstrafe in den norditalienischen Städten des ausgehenden Mittelalters sah, verortete Michel Foucault die "Geburt des Gefängnisses" erst in der Epoche der Französischen Revolution, als die Freiheit des Individuums zu einem allgemeinen Wert (und einem allgemein verbreiteten Gut) wurde, das für einegenerelle Sanktion in Frage kam. Foucault datiert damit den Beginn der "Welt mit Gefängnissen" erst auf die Zeit zwischen 1760 und 1840. Mit anderen Worten: was vorher war, war eine "Welt ohne Gefängnisse".

Während der langen Zeit "ohne Gefängnisse" herrschten keineswegse brutalere Körperstrafen vor. Die Zeit der besonders brutalen Strafen war begrenzt auf das Hochmittelalter und die frühe Neuzeit. Davor gab es über Jahrhunderte nach heutigen Vorstellungen unglaublich "milde" Sanktionen - etwa das Bußensystem des fränkischen Rechts, nach dem selbst Tötungsdelikte nur Kompensationszahlungen nach sich zogen. Mit anderen Worten: das Gefängnis ist eine historisch entstandene Institution, die es nicht schon immer gab - und die es folglich auch nicht immer geben wird. Die Frage ist nur, ob wir heute (schon) in einer Gesellschaftsform leben, die es ermöglichen würde, ohne Gefängnisse auszukommen.


(2) Aktuelle Erfolgsgeschichte

In gewisser Weise ist das Gefängnis eine Erfolg. Es werden immer mehr Gefängnisse gebaut, immer mehr Menschen werden in Gefängnisse eingewiesen, die Gefangenenraten gehen in die Höhe. Nach einer Krise in den 1970er Jahren geht es seit den 1980er Jahren vor allem in den USA, aber auch anderswo (nicht nur) in der westlichen Welt wieder aufwärts mit den Gefangenenzahlen und -raten. Das Gefängnis hindert immer mehr Straftäter daran, zumindest während ihrer Strafzeit weitere Straftaten zu begehen. Es sichert die Gesellschaft und es wird von der Bevölkerung wie von den politischen Parteien unterstützt - von den Interessen der Privatwirtschaft an einer florierenden Gefängnisindustrie ganz zu schweigen.

Der Anschein einer Erfolgsgeschichte kann jedoch trügen. So ist es nicht ungewöhnlich, dass bestimmte Institituonen ihre größte Blütezeit unmittelbar vor ihrer Abschaffung oder Überwindung erleben. Ein solcher Fall war z.B. die Sklaverei. Die Zahl der über den Atlantik transportierten Sklaven als Afrika erreichte ihren Höhepunkt ausgerechnet in den Jahrzehnten, die der Abschaffung der Sklaverei unmittelbar vorausgingen.

Insofern kann auch der Höchststand der Gefangenenzahlen (und die höchste Rate von Gefängnisinsassen in der Geschichte der Weltmacht USA) nicht unbedingt ein Indiz für die Zukunftsfähigkeit der Institution sein. Man könnte auch die These untersuchen, dass es sich bei dieser Zunahme von Inhaftierungen um eine Divergenz von Faktizität und Legitimation handelt, ähnlich wie im Falle des transatlantischen Sklavenhandels. Dazu wäre mehr herauszufinden über die Stärke oder Schwäche der Legitimation des Gefängnisstrafe vor allem in den westlichen Gesellschaften.







(2) Die aktuelle Erfolgsgeschichte des Gefängnisses

Literatur

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