Welt ohne Gefängnisse: Unterschied zwischen den Versionen

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Trotz der Tatsache, dass es sich um eine vergleichsweise junge Institution handelt, ist die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Gefängnisse den meisten Menschen suspekt. Was, so denken sie, soll man denn sonst machen? Umbringen will und kann man die Verbrecher ja nicht - aber andererseits kann man es sich auch nicht leisten, sie einfach so herumlaufen zu lassen. Deswegen gilt das Gefängnis als notwendiges Übel. Der Glaube an die Notwendigkeit des Gefängnisses ist heute weiter verbreitet als der Glaube an Gott.
Trotz der Tatsache, dass es sich um eine vergleichsweise junge Institution handelt, ist die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Gefängnisse den meisten Menschen suspekt. Was, so denken sie, soll man denn sonst machen? Umbringen will und kann man die Verbrecher ja nicht - aber andererseits kann man es sich auch nicht leisten, sie einfach so herumlaufen zu lassen. Deswegen gilt das Gefängnis als notwendiges Übel. Der Glaube an die Notwendigkeit des Gefängnisses ist heute weiter verbreitet als der Glaube an Gott.


== Die aktuelle Situation des Gefängnisses ==
== Die aktuelle Situation ==
Aktuell scheint es für die Institution gut zu laufen: die Zahl der Gefängnisse und der Gefangenen weltweit nimmt kräftig zu und es ist kein Ende in Sicht. Insbesondere in den USA ist der Boom der Gefängnisse ungebrochen. In keinem Land der Erde wächst das System der Gefängnisse so schnell und so grenzenlos wie in den USA. Nirgendwo sonst sitzt von jeweils 100 Bürgern einer hinter schwedischen Gardinen. Aber in den USA mit ihren (mehr als) 200 Millionen Einwohnern gibt es (mehr als) 2 Millionen Gefangene: "One in 100" (Pew 2008). Angesichts dieser exorbitanten Zahlen liegt der Vergleich der USA mit dem einstigen sowjetischen Lagersystem nahe, das wie ein dichtes Netz das ganze Territorium der Sowjetunion überzog (Christie 2000).  
Aktuell scheint es für die Institution gut zu laufen: die Zahl der Gefängnisse und der Gefangenen weltweit nimmt kräftig zu und es ist kein Ende in Sicht. Insbesondere in den USA ist der Boom der Gefängnisse ungebrochen. In keinem Land der Erde wächst das System der Gefängnisse so schnell und so grenzenlos wie in den USA. Nirgendwo sonst sitzt von jeweils 100 Bürgern einer hinter schwedischen Gardinen. Aber in den USA mit ihren (mehr als) 200 Millionen Einwohnern gibt es (mehr als) 2 Millionen Gefangene: "One in 100" (Pew 2008). Angesichts dieser exorbitanten Zahlen liegt der Vergleich der USA mit dem einstigen sowjetischen Lagersystem nahe, das wie ein dichtes Netz das ganze Territorium der Sowjetunion überzog (Christie 2000).  


== Überwachung statt Einschließung? ==
== Was kommt nach dem Gefängnis? ==
Nach Gilles Deleuze kommt nach dem Gefängnis ein System der ambulanten elektronischen Überwachung. Jedenfalls sah er in seinem kurzen Aufsatz über "Das elektronische Halsband" die von Foucault beschriebene Disziplinargesellschaft und die für sie typischen Einschließungsmilieus (Hospitäler, Fabriken, Kasernen, psychiatrische Anstalten - vor allem aber Gefängnisse) am Ende ihrer historischen Epoche angekommen. Schon heute befinde man sich im Übergang von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft, und letztere beruhe auf ganz anderen Arten der sozialen Kontrolle als der Einschließung in festen Räumen.
 
Andere sehen eher die Wiederkehr des totalitären Maßnahmenstaates, der sich wenig um Strafe und Resozialisierung kümmert und dafür mehr um die Bekämpfung von Feinden mit kriegs- und polizeirechtlichen Mitteln. Dafür sind aber Gefängnisse als Institutionen der Justiz weniger geeignet als andere Aufbewahrungsorte und andere Mittel der Unschädlichmachung. So zum Beispiel "Lager" (Agamben) oder gezielte Tötungen.




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== Literatur ==
== Literatur ==
*Agamben, Giorgio
*Bernhard, Sigrid et al. (1990) Arnoldshainer Thesen zur Abschaffung der Freiheitsstrafe. Zeitschrift für Evangelische Ethik 34: 218-294.
*Bernhard, Sigrid et al. (1990) Arnoldshainer Thesen zur Abschaffung der Freiheitsstrafe. Zeitschrift für Evangelische Ethik 34: 218-294.


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