Viktimologie: Unterschied zwischen den Versionen

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===Erläuterung===
==Erläuterung==
In wissenschaftlichen Diskussionen bleibt es weiterhin ungeklärt, ob die Viktimologie eine eigenständige Wissenschaft ist oder eine Teildisziplin der Kriminologie. Allerdings geht man davon aus, dass es sich um ein wichtiges Teilgebiet der Kriminologie mit der Verknüpfung bzw. Interaktion zwischen den Variablen Täter, Opfer und Tatsituation unter Berücksichtigung der Entstehungs- und Kontrollprozesse im Zusammenhang mit Straftaten handelt.  
In wissenschaftlichen Diskussionen bleibt es weiterhin ungeklärt, ob die Viktimologie eine eigenständige Wissenschaft ist oder eine Teildisziplin der Kriminologie. Allerdings geht man davon aus, dass es sich um ein wichtiges Teilgebiet der Kriminologie mit der Verknüpfung bzw. Interaktion zwischen den Variablen Täter, Opfer und Tatsituation unter Berücksichtigung der Entstehungs- und Kontrollprozesse im Zusammenhang mit Straftaten handelt.  
In den 60er Jahren hatte sich vor allen Dingen in den USA die [[Opferbefragung]] zu einem regelmäßig und vielerorts eingesetzten Erhebungsinstrument entwickelt (vgl. Fattah/Sacco 1989, Gottfredson 1984, Hough 1985 unter anderem). Dieser Boom von Opferbefragungen führte zu einer Verlagerung des Forschungsinteresses vom Täter auf das Opfer. Durch Befunde der Opferbefragungen stimuliert, hat sich heute die Viktimologie zu einer eigentständigen kriminologischen Disziplin entwickelt.
In den 60er Jahren hatte sich vor allen Dingen in den USA die [[Opferbefragung]] zu einem regelmäßig und vielerorts eingesetzten Erhebungsinstrument entwickelt (vgl. Fattah/Sacco 1989, Gottfredson 1984, Hough 1985 unter anderem). Dieser Boom von Opferbefragungen führte zu einer Verlagerung des Forschungsinteresses vom Täter auf das Opfer. Durch Befunde der Opferbefragungen stimuliert, hat sich heute die Viktimologie zu einer eigentständigen kriminologischen Disziplin entwickelt.
Aufgabe und Ziel der Viktimologie ist es, alle individuellen, sozialen und gesellschaftsstrukturellen Prozesse aus der Perspektive des Opfers zu ermitteln und aus diesen Erkenntnissen vorbeugende Strategien zu erstellen.
Aufgabe und Ziel der Viktimologie ist es, alle individuellen, sozialen und gesellschaftsstrukturellen Prozesse aus der Perspektive des Opfers zu ermitteln und aus diesen Erkenntnissen vorbeugende Strategien zu erstellen.


===Allgemeines===
==Allgemeines==
Viktimisierung ist ein Fachbegriff, der in den Disziplinen Kriminologie, Psychologie und den Sozialwissenschaften gebraucht wird.  
Viktimisierung ist ein Fachbegriff, der in den Disziplinen Kriminologie, Psychologie und den Sozialwissenschaften gebraucht wird.  
Seine Verwendung in den Sozialwissenschaften ist nicht ausführlich definiert. Zumeist steht das Wort in Verbindung mit struktureller Benachteiligung, d.h. es beschreibt den Vorgang der Zuschreibung einer Opferrolle an einzelne Mitglieder oder Gruppen der Gesellschaft zumeist durch Mitglieder dominanter gesellschaftlicher Gruppen, Institutionen oder Ideologien. Menschen können durch Gewalterfahrungen wie Diskriminierung, Missbrauch, Rassismus oder Krieg zum Opfer werden. Hierbei ist das Konzept der erlernten Hilflosigkeit von erheblicher Bedeutung. Durch das Labelling kann eine Opferrolle, Opferstatus oder ein Opfermythos entstehen (Lebe, 2003).
Seine Verwendung in den Sozialwissenschaften ist nicht ausführlich definiert. Zumeist steht das Wort in Verbindung mit struktureller Benachteiligung, d.h. es beschreibt den Vorgang der Zuschreibung einer Opferrolle an einzelne Mitglieder oder Gruppen der Gesellschaft zumeist durch Mitglieder dominanter gesellschaftlicher Gruppen, Institutionen oder Ideologien. Menschen können durch Gewalterfahrungen wie Diskriminierung, Missbrauch, Rassismus oder Krieg zum Opfer werden. Hierbei ist das Konzept der erlernten Hilflosigkeit von erheblicher Bedeutung. Durch das Labelling kann eine Opferrolle, Opferstatus oder ein Opfermythos entstehen (Lebe, 2003).
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Auch die wiederholte Begegnung mit dem Täter kann zur sekundären Viktimisierung führen, dies wird jedoch vom Opferhilfsgesetz geregelt (Lebe, 2003).
Auch die wiederholte Begegnung mit dem Täter kann zur sekundären Viktimisierung führen, dies wird jedoch vom Opferhilfsgesetz geregelt (Lebe, 2003).


===Geschichte der Viktimologie===
==Geschichte der Viktimologie==
Erste Ansätze einer systematischen Betrachtung des Opfers kamen von dem deutschen Kriminologen Hans von Hentig (1887-1974). Hentig stellte die jeweiligen Opfergruppen in den Vordergrund. Auch Benjamin Mendelsohn legte 1947 den Fokus auf die Opferwissenschaft, er berücksichtigt dabei die rechtlichen Gesichtspunkte. Henri Ellenberg machte auf die soziale Isolation aufmerksam, die als Risikofaktor für die Opferwerdung anzusehen ist. 1963 wurde in Neuseeland das erste Gesetz zur Opferentschädigung erlassen, erst 13 Jahre später wurde dieses Gesetz in Deutschland implementiert. Im selben Jahr 1976 wurde der Verein "Der Weisse Ring" gegründet.
Erste Ansätze einer systematischen Betrachtung des Opfers kamen von dem deutschen Kriminologen Hans von Hentig (1887-1974). Hentig stellte die jeweiligen Opfergruppen in den Vordergrund. Auch Benjamin Mendelsohn legte 1947 den Fokus auf die Opferwissenschaft, er berücksichtigt dabei die rechtlichen Gesichtspunkte. Henri Ellenberg machte auf die soziale Isolation aufmerksam, die als Risikofaktor für die Opferwerdung anzusehen ist. 1963 wurde in Neuseeland das erste Gesetz zur Opferentschädigung erlassen, erst 13 Jahre später wurde dieses Gesetz in Deutschland implementiert. Im selben Jahr 1976 wurde der Verein "Der Weisse Ring" gegründet.
1979 wurde in Münster die World Society of Victimology ins Leben gerufen und 1983 wurde die Europäische Konvention über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten durch den Ministerrat des Europarates in Straßburg anerkannt (Heller, 2007).
1979 wurde in Münster die World Society of Victimology ins Leben gerufen und 1983 wurde die Europäische Konvention über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten durch den Ministerrat des Europarates in Straßburg anerkannt (Heller, 2007).


===Traditionelle Viktimisierungstheorien===
==Traditionelle Viktimisierungstheorien==
Fokus aller Opfertypologien ist die Frage nach der Ursache der Opferwerdung. Der Grundgedanke hierfür ist die Tatsache der Disposition, mit andern Worten, es ist anzunehmen, dass manche Menschen eher Opfer von Straftaten werden als andere. Opfertypologien sollen nicht etikettieren und noch weniger stigmatisieren, sondern vielmehr die möglichen Opfer auf ihre Disposition hinweisen und somit präventiv handeln zu können. Es geht darum Wege der gefahrenvermeidung aufzuzeigen.
Fokus aller Opfertypologien ist die Frage nach der Ursache der Opferwerdung. Der Grundgedanke hierfür ist die Tatsache der Disposition, mit andern Worten, es ist anzunehmen, dass manche Menschen eher Opfer von Straftaten werden als andere. Opfertypologien sollen nicht etikettieren und noch weniger stigmatisieren, sondern vielmehr die möglichen Opfer auf ihre Disposition hinweisen und somit präventiv handeln zu können. Es geht darum Wege der gefahrenvermeidung aufzuzeigen.
====Opfertypologien====
====Opfertypologien====
Hentig versuchte die Opferneigungen zu erfassen, indem er zwischen familiäre (Kindesmißhandlung, Elternmord), räumliche-zeitliche (Wochenenden sind opferträchtiger als Wochentage) und Altersgesichtspunkten unterschied. Weiterhin erkannte Hentig, dass die berufliche Stellung für die Typologie von Wichtigkeit ist, so sind z.B. Taxifahrer und Prostituierte seines erachtens eher disponiert. Des weiteren postuliert Hentig eine Opferwerdung aufgrund von Gewinn-Lebensgier, eigenen aggressiven Verhaltens, rassischer, völkischer oder religiöser Minderheitensituation, reduziertem Widerstandes und biologischer Konstitutionen. Mendelsohn hingegen stellt das Verhalten des Opfers in den Vordergrund, die Opfergruppierung erfolgt unter schuldorientierten und rechtlichen Ansätzen. Er differenziert zwischen drei Opfergruppen: "Unschuldige oder idealen Opfern", "zum Delikt beitragende Opfer" hierbei unterscheidet er zwischen provozierendes, williges oder unvorsichtiges aber auch Opfer aus Unwissenheit unter die dritte Gruppe ("Opfer das selbst ein Delikt verübt")lassen sich jene Opfer subsumieren, welche das Delikt selbst begehen, zum Beispiel vorgetäuschte Notwehr.
Hentig versuchte die Opferneigungen zu erfassen, indem er zwischen familiäre (Kindesmißhandlung, Elternmord), räumliche-zeitliche (Wochenenden sind opferträchtiger als Wochentage) und Altersgesichtspunkten unterschied. Weiterhin erkannte Hentig, dass die berufliche Stellung für die Typologie von Wichtigkeit ist, so sind z.B. Taxifahrer und Prostituierte seines erachtens eher disponiert. Des weiteren postuliert Hentig eine Opferwerdung aufgrund von Gewinn-Lebensgier, eigenen aggressiven Verhaltens, rassischer, völkischer oder religiöser Minderheitensituation, reduziertem Widerstandes und biologischer Konstitutionen. Mendelsohn hingegen stellt das Verhalten des Opfers in den Vordergrund, die Opfergruppierung erfolgt unter schuldorientierten und rechtlichen Ansätzen. Er differenziert zwischen drei Opfergruppen: "Unschuldige oder idealen Opfern", "zum Delikt beitragende Opfer" hierbei unterscheidet er zwischen provozierendes, williges oder unvorsichtiges aber auch Opfer aus Unwissenheit unter die dritte Gruppe ("Opfer das selbst ein Delikt verübt")lassen sich jene Opfer subsumieren, welche das Delikt selbst begehen, zum Beispiel vorgetäuschte Notwehr.


===Literatur===
==Literatur==


Fattah Ezzat / Sacco Vincent (1989): Crime and victimization of the elderly. New York.
Fattah Ezzat / Sacco Vincent (1989): Crime and victimization of the elderly. New York.
Anonymer Benutzer