Viktimologie: Unterschied zwischen den Versionen

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Wie bereits in der Definition erwähnt, ist die Viktimologie eine Teildisziplin der Kriminologie und beschäftigt sich sowohl mit der Opferwerdung und den daraus resultierenden Reaktionen, sowie mit deren prozesshaften Voraussetzungen.  
Wie bereits in der Definition erwähnt, ist die Viktimologie eine Teildisziplin der Kriminologie und beschäftigt sich sowohl mit der Opferwerdung und den daraus resultierenden Reaktionen, sowie mit deren prozesshaften Voraussetzungen.  
Die Interaktion zwischen Opfer und Täter, sowie zwischen Opfer und sozialen Kontrollinstitutionen (Justiz), sozialer Umwelt und Einrichtungen sind Fokus der Viktimisierung. In der Psychologie wird der Terminus sekundäre Viktimisierung verwendet und bezieht sich auf die Reaktionen (Teilnahmslosigkeit, ablehnende Äußerungen, moralische Vorwürfe usw.) der sozialen Umgebung des Opfers.
Die Interaktion zwischen Opfer und Täter, sowie zwischen Opfer und sozialen Kontrollinstitutionen (Justiz), sozialer Umwelt und Einrichtungen stehen im Fokus der Viktimisierung. In der Psychologie wird der Terminus sekundäre Viktimisierung verwendet und bezieht sich auf die Reaktionen (Teilnahmslosigkeit, ablehnende Äußerungen, moralische Vorwürfe usw.) der sozialen Umgebung des Opfers. Auch die wiederholte Begegnung mit dem Täter kann zur sekundären Viktimisierung führen, dies wird jedoch vom Opferhilfsgesetz geregelt(Lebe, 2003).
Auch die wiederholte Begegnung mit dem Täter kann zur sekundären Viktimisierung führen, dies wird jedoch vom Opferhilfsgesetz geregelt(Lebe, 2003).


==Geschichte der Viktimologie==
==Geschichte der Viktimologie==
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==Traditionelle Viktimisierungstheorien==
==Traditionelle Viktimisierungstheorien==
Fokus aller Opfertypologien ist die Frage nach der Ursache der Opferwerdung. Der Grundgedanke hierfür ist die Tatsache der Disposition, mit andern Worten, es ist anzunehmen, dass manche Menschen eher Opfer von Straftaten werden als andere. Opfertypologien sollen nicht etikettieren und noch weniger stigmatisieren, sondern vielmehr die möglichen Opfer auf ihre Disposition hinweisen um somit präventiv handeln zu können. Es geht darum, Wege der Gefahrenvermeidung aufzuzeigen.
Fokus aller Opfertypologien ist die Frage nach der Ursache der Opferwerdung. Der Grundgedanke hierfür ist die Tatsache der Disposition, mit andern Worten, es ist anzunehmen, dass manche Menschen eher Opfer von Straftaten werden als andere. Opfertypologien sollen nicht etikettieren und noch weniger stigmatisieren, sondern vielmehr die möglichen Opfer auf ihre Disposition hinweisen, um somit präventiv handeln zu können. Es geht darum, Wege der Gefahrenvermeidung aufzuzeigen.


====Opfertypologien====
====Opfertypologien====
Hentig versuchte die Opferneigungen zu erfassen, indem er zwischen "familiäre" (Kindesmisshandlung, Elternmord), "räumliche-zeitliche" (Wochenenden sind opferträchtiger als Wochentage) und "Altersgesichtspunkten" unterschied. Unter anderem erkannte Hentig, dass die "berufliche Stellung" für die Typologie von Wichtigkeit ist, so sind z.B. Taxifahrer und Prostituierte eher disponiert. Des weiteren postuliert Hentig eine Opferwerdung aufgrund von "Gewinn-Lebensgier", "eigenen aggressiven Verhaltens", "rassischer, völkischer oder religiöser Minderheitensituation", "reduziertem Widerstandes" und "biologischer Konstitutionen".  
Hentig versuchte die Opferneigungen zu erfassen, indem er zwischen "familiäre" (Kindesmisshandlung, Elternmord), "räumliche-zeitliche" (Wochenenden sind opferträchtiger als Wochentage) und "Altersgesichtspunkten" unterschied. Unter anderem erkannte Hentig, dass die "berufliche Stellung" für die Typologie von Wichtigkeit ist, so sind z.B. Taxifahrer und Prostituierte eher disponiert. Des weiteren postuliert Hentig eine Opferwerdung aufgrund von "Gewinn-Lebensgier", "eigenen aggressiven Verhaltens", "rassischer, völkischer oder religiöser Minderheitensituation", "reduziertem Widerstandes" und "biologischer Konstitutionen".  


Mendelsohn hingegen stellt das Verhalten des Opfers in den Vordergrund, die Opfergruppierung erfolgt unter schuldorientierten und rechtlichen Ansätzen. Er differenziert zwischen drei Opfergruppen: "Unschuldige oder idealen Opfern", "zum Delikt beitragende Opfer" hierbei unterscheidet er zwischen provozierendes, williges oder unvorsichtiges, aber auch Opfer aus Unwissenheit. Unter die dritte Gruppe ("Opfer das selbst ein Delikt verübt")lassen sich jene Opfer subsumieren, welche das Delikt selbst begehen, zum Beispiel vorgetäuschte Notwehr.  
Mendelsohn hingegen stellt das Verhalten des Opfers in den Vordergrund, die Opfergruppierung erfolgt unter schuldorientierten und rechtlichen Ansätzen. Er differenziert zwischen drei Opfergruppen: "Unschuldige oder idealen Opfern", "zum Delikt beitragende Opfer" hierbei unterscheidet er zwischen provozierendes, williges oder unvorsichtiges, aber auch Opfer aus Unwissenheit. Unter die dritte Gruppe ("Opfer das selbst ein Delikt verübt")lassen sich jene Opfer subsumieren, welche das Delikt selbst begehen, als Beispiel ist dabei die vorgetäuschte Notwehr zu nennen.  


Ezzat Abdel Fattah bezieht sich in seiner Opfertypologie auf die Interaktion zwischen Opfer und Täter und teilt die Opfer nach ihren jeweiligen Beteiligungssituationen ein. Demnach unterscheidet er zwischen "Teilnehmendes Opfer" (wirkt bei der Tat selber mit, z.B. der betrogene Betrüger), "Nichtteilnehmendes Opfer" (unschuldiges Opfer), "Latentes oder prädisponiertes Opfer" (z.B. durch Leichtgläubigkeit, Naivität, Aberglauben, Isolation, Schwäche), "Provozierendes Opfer", wobei er hier zwischen "aktiv provozierend" (z.B. Tötung auf Verlangen) und "passiv provozierend" (durch Sorglosigkeit oder Aggressivität) unterscheidet und "Falsches Opfer" (durch eigenes Verhalten: z.B. Selbsttötung, selbstverschuldeter Unfall).
Ezzat Abdel Fattah bezieht sich in seiner Opfertypologie auf die Interaktion zwischen Opfer und Täter und teilt die Opfer nach ihren jeweiligen Beteiligungssituationen ein. Demnach unterscheidet er zwischen "Teilnehmendes Opfer" (wirkt bei der Tat selber mit, z.B. der betrogene Betrüger), "Nichtteilnehmendes Opfer" (unschuldiges Opfer), "Latentes oder prädisponiertes Opfer" (z.B. durch Leichtgläubigkeit, Naivität, Aberglauben, Isolation, Schwäche), "Provozierendes Opfer", wobei er hier zwischen "aktiv provozierend" (z.B. Tötung auf Verlangen) und "passiv provozierend" (durch Sorglosigkeit oder Aggressivität) unterscheidet und "Falsches Opfer" (durch eigenes Verhalten: z.B. Selbsttötung, selbstverschuldeter Unfall).


Die Amerikaner Thorsten Sellin und Marvine E. Wolfgang brachten zum Ausdruck, dass nicht nur natürliche Personen (primäre Opfer) sondern auch juristische Personen (sekundäre Opfer) und der Staat, sowie die Regierung und die Gesellschaft (tertiäre Opfer) Ziele von Straftaten werden können.
Die Amerikaner Thorsten Sellin und Marvine E. Wolfgang brachten zum Ausdruck, dass nicht nur natürliche Personen (primäre Opfer), sondern auch juristische Personen (sekundäre Opfer) und der Staat, sowie die Regierung und die Gesellschaft (tertiäre Opfer) Ziele von Straftaten werden können.


Neuere viktimologische Konzepte bauen auf die traditionellen Theorien auf und ergänzen diese. Die Tat und der Täter werden als Bestandteil einer Handlung gesehen und aus Sicht des Opfers untersucht, des weiteren wird die Beziehung zwischen Täter und Opfer analysiert und der Opferbeitrag der Tat erarbeitet.  
Neuere viktimologische Konzepte bauen auf die traditionellen Theorien auf und ergänzen diese. Die Tat und der Täter werden als Bestandteil einer Handlung gesehen und aus Sicht des Opfers untersucht, des weiteren wird die Beziehung zwischen Täter und Opfer analysiert und der Opferbeitrag der Tat erarbeitet.  


Zu den besonders disponierten Opfergruppen gehören: alte Menschen, wegen ihres psychischen und physischen Zustandes sind sie oftmals nicht in der Lage, sich zur Wehr zu setzen, des weiteren leben diese Menschen häufig in einer isolierten Umgebung. Minderjährige werden aufgrund ihrer Naivität und Hilflosigkeit häufig zur Zielgruppe von Tätern. Durch ihre körperliche Unterlegenheit zählen auch Frauen zu den potenziellen Opfern. Wegen unzureichender Sprachkenntnisse und Unerfahrenheit mit den Lebensumständen, gehören auch Ausländer und Minderheiten zu den disponierten Opfergruppen( Heller, 2007; Lebe, 2003).
Zu den besonders disponierten Opfergruppen gehören: alte Menschen, wegen ihres psychischen und physischen Zustandes sind sie oftmals nicht in der Lage, sich zur Wehr zu setzen, auch leben diese Menschen häufig in einer isolierten Umgebung. Minderjährige werden aufgrund ihrer Naivität und Hilflosigkeit häufig zur Zielgruppe von Tätern. Durch ihre körperliche Unterlegenheit zählen auch Frauen zu den potenziellen Opfern. Wegen unzureichender Sprachkenntnisse und Unerfahrenheit mit den hiesigen Lebensumständen gehören auch Ausländer und Minderheiten zu den disponierten Opfergruppen (Heller, 2007; Lebe, 2003).


====Das Karriere Modell====
====Das Karriere Modell====
Die Reaktion auf die Opferwerdung löst eine Reihe von weiteren Viktimisierungen aus. Dies kann durch die Berichterstattung, formelle Reaktionen, oder durch das Verfahren selbst, informelle Reaktionen, stattfinden. Es unterscheiden sich primäre, sekundäre und tertiäre Viktimisierung.
Die Reaktion auf die Opferwerdung löst eine Reihe von weiteren Viktimisierungen aus. Dies kann durch die Berichterstattung, formelle Reaktionen, oder durch das Verfahren selbst, informelle Reaktionen, stattfinden. Es lassen sich primäre, sekundäre und tertiäre Viktimisierung unterscheiden.


=====Primäre Viktimisierung=====
=====Primäre Viktimisierung=====
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=====Tertiäre Viktimisierung=====
=====Tertiäre Viktimisierung=====
Die Selbstdefinition als Opfer wird zum Bestandteil der Persönlichkeit. Die tertiäre Viktimisierung ist das Produkt der ersten beiden Viktimisierungsprozesse. Dies führt nicht selten zum Konzept der "Erlernten Hilflosigkeit". Allerdings kann die tertiäre Viktimisierung auch positive Auswirkungen haben: Sekundärer Krankheitsgewinn (Mitleid als Gewinn).
Die Selbstdefinition als Opfer wird zum Bestandteil der Persönlichkeit. Die tertiäre Viktimisierung ist das Produkt der ersten beiden Viktimisierungsprozesse. Dies führt nicht selten zum Konzept der "Erlernten Hilflosigkeit". Allerdings kann die tertiäre Viktimisierung auch positive Auswirkungen haben: Sekundärer Krankheitsgewinn (Mitleid als Gewinn).
Die Viktimisierung kann dazu führen, dass beim Opfer die Überzeugung entsteht, dass trotz gezieltem und überlegten Handeln die Opfersituation nicht verhindern werden kann, bei drohender Gefahr reagieren diese Menschen eher passiv.
Die Viktimisierung kann dazu führen, dass beim Opfern die Überzeugung entsteht, dass trotz gezieltem und überlegten Handelns die Opfersituation nicht verhindern werden kann, bei drohender Gefahr reagieren diese Menschen eher passiv.




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