Urbanisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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Unter Urbanisierung [lat. urbanus: städtisch] versteht man das starke Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum in den Kernstädten von Verdichtungsräumen (städt. Agglomerationen) durch deren innerregionale Konzentration (vgl. Brockhaus Enzyklopädie).
Unter Urbanisierung [lat. urbanus: städtisch] versteht man das starke Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum in den Kernstädten von Verdichtungsräumen (städt. Agglomerationen) durch deren innerregionale Konzentration (vgl. Brockhaus Enzyklopädie).
Eine allgemein gültige Definition der Begriffe Urbanisierung, Urbanisation und Urbanität existiert durch die Komplexität des Stadtbegriffs bisher noch nicht.
Eine allgemein gültige Definition der Begriffe Urbanisierung, Urbanisation und Urbanität existiert durch die Komplexität des Stadtbegriffs bisher noch nicht.


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Die städtische Lebensform besteht aus soziologischer Sicht aus drei Ebenen - der Ebene der Gesellschaft, der [[Kultur]] und der Persönlichkeit. Davon ausgehend kann die städtische Umwelt als ein wichtiger Faktor der sozialen Nichtanpassung angesehen werden, deren Umfang durch den Begriff der [[Anomie]] gemessen werden kann. Je differenzierter also eine Gesellschaft und je heterogener eine [[Kultur]] ist, desto häufiger treten Spannungen und Konflikte auf und desto mehr sind soziale Beziehungen durch [[Anomie]] gekennzeichnet.  
Die städtische Lebensform besteht aus soziologischer Sicht aus drei Ebenen - der Ebene der Gesellschaft, der [[Kultur]] und der Persönlichkeit. Davon ausgehend kann die städtische Umwelt als ein wichtiger Faktor der sozialen Nichtanpassung angesehen werden, deren Umfang durch den Begriff der [[Anomie]] gemessen werden kann. Je differenzierter also eine Gesellschaft und je heterogener eine [[Kultur]] ist, desto häufiger treten Spannungen und Konflikte auf und desto mehr sind soziale Beziehungen durch [[Anomie]] gekennzeichnet.  
Urbanität spielt daher in verschiedenen [[Kriminalitätstheorien]] eine Rolle, z.B. in der [[Anomietheorie]] von [[Durkheim]], der Vereinigungstheorie von Liszt und bei dem Konzept der sozialen Desorganisation der [[Chicago School]].  
Urbanität spielt daher in verschiedenen [[Kriminalitätstheorien]] eine Rolle, z.B. in der [[Anomietheorie]] von [[Durkheim]], der Vereinigungstheorie von [[Franz von Liszt]] und bei dem Konzept der sozialen Desorganisation der [[Chicago School]].  
Wie beschrieben, verringerte sich der Gegensatz zwischen Stadt und Land im Laufe der Jahre im Bereich dieser drei Ebenen stetig. Dazu proportional war auch das Interesse der Wissenschaft am Thema „Urbanisierung“ - immerhin ein Hauptthema der amerikanischen [[Soziologie]] der 20er und 30er Jahren des 20. Jh., - bereits in den 60er Jahren rapide gesunken. Die problematische Parallele zwischen Verstädterung und sozialkulturellen Konflikten, die zu kriminellem Verhalten führen können, existiert jedoch aktuell noch in den Entwicklungsländern.
Wie beschrieben, verringerte sich der Gegensatz zwischen Stadt und Land im Laufe der Jahre im Bereich dieser drei Ebenen stetig. Dazu proportional war auch das Interesse der Wissenschaft am Thema „Urbanisierung“ - immerhin ein Hauptthema der amerikanischen [[Soziologie]] der 20er und 30er Jahren des 20. Jh., - bereits in den 60er Jahren rapide gesunken. Die problematische Parallele zwischen Verstädterung und sozialkulturellen Konflikten, die zu kriminellem Verhalten führen können, existiert jedoch aktuell noch in den Entwicklungsländern.


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===Kritische Betrachtungen===
===Kritische Betrachtungen===
Der Annahme des Kriminalitätsanstiegs infolge der Urbanisierung steht entgegen, dass die Verbrechensrate in Europa in den vergangenen zwei Jahrhunderten relativ stabil geblieben ist. In einigen Zeiten des raschen ökonomischen Wachstums, insbesondere zwischen 1850 und 1930 -d.h. einschließlich der eigentlichen Urbanisierungsphase- hätte sich die Kriminalitätsrate sogar verringert.
Der Annahme des Kriminalitätsanstiegs infolge der Urbanisierung steht entgegen, dass die Verbrechensrate in Europa in den vergangenen zwei Jahrhunderten relativ stabil geblieben ist. In einigen Zeiten des raschen ökonomischen Wachstums, insbesondere zwischen 1850 und 1930 - d.h. einschließlich der eigentlichen Urbanisierungsphase - hätte sich die Kriminalitätsrate sogar verringert.


Auch der Kausalzusammenhang zwischen Urbanisierung und [[Kriminalität]] wird von einigen Wissenschaftlern als widerlegt angesehen. Die Annahme, dass mit der Stadtgröße das Ausmaß von [[Anomie]], sozialer Desorganisation, Anonymität und Vereinsamung zunehme und dadurch die Bedingungen für steigende [[Kriminalität]] gegeben seien, würde nicht der Realität entsprechen. Diese Betrachtung müsse immer im Rahmen einer dynamischen Perspektive des sozialen Wandels erfolgen.
Auch der Kausalzusammenhang zwischen Urbanisierung und [[Gewalt]] oder [[Kriminalität]] wird von einigen Wissenschaftlern als widerlegt angesehen. Die Annahme, dass mit der Stadtgröße das Ausmaß von [[Anomie]], sozialer Desorganisation, Anonymität und Vereinsamung zunehme und dadurch die Bedingungen für steigende [[Kriminalität]] gegeben seien, würde nicht der Realität entsprechen. Diese Betrachtung müsse immer im Rahmen einer dynamischen Perspektive des sozialen Wandels erfolgen.


Ferner wird das Zusammenspiel von Großstadt und [[Kriminalität]] kritisch hinterfragt - das Ausmaß der Wirkungen sei nicht geklärt, ebenso wie die Frage, ob die Stadt Kriminelle anzieht oder erzeugt.
Ferner wird das Zusammenspiel von Großstadt und [[Kriminalität]] kritisch hinterfragt - das Ausmaß der Wirkungen sei nicht geklärt, ebenso wie die Frage, ob die Stadt Kriminelle anzieht oder erzeugt.
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==Urbanisierungsarten==
==Urbanisierungsarten==
* Suburbanisierung beschreibt den Prozess der Expansion von Städten in das ländliche Umland.
* ''Suburbanisierung'' beschreibt den Prozess der Expansion von Städten in das ländliche Umland.
* Exurbanisierung charakterisiert die Verlagerung des Bevölkerungs- und somit des Siedlungswachstums der städtischen in benachbarte, noch überwiegend ländlich strukturierte Regionen. Beide werden weiterhin durch den Berufspendlerverkehr verbunden.
* ''Exurbanisierung'' charakterisiert die Verlagerung des Bevölkerungs- und somit des Siedlungswachstums der städtischen in benachbarte, noch überwiegend ländlich strukturierte Regionen. Beide werden weiterhin durch den Berufspendlerverkehr verbunden.
* Desurbanisierung oder Entstädterung bezeichnet die absolute Bevölkerungs- und Beschäftigungsabnahme im gesamten Agglomerationsraum.
* ''Desurbanisierung'' oder Entstädterung bezeichnet die absolute Bevölkerungs- und Beschäftigungsabnahme im gesamten Agglomerationsraum.
* Reurbaisierung kennzeichnet die erneute, relative Bevölkerungs- und Beschäftigungszunahme in der Kernstadt.
* ''Reurbaisierung'' kennzeichnet die erneute, relative Bevölkerungs- und Beschäftigungszunahme in der Kernstadt.




==Weiterführende Themen==
==Weiterführende Themen==
* Großstadtdelinquenz
* Großstadtdelinquenz
* Kriminal- / Kriminalitätsgeographie
* Kriminalitäts- / [[Kriminalgeographie]]
* Kriminalökologie
* Kriminalökologie
* [[Kriminalprävention]] im Städtebau
* [[Kriminalprävention]] im Städtebau
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