Theorie: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine gute Theorie ist der erfolgreiche Versuch, das Explanandum so korrekt, präzise und simpel wie möglich zu erklären. Eine Theorie muss allerdings nicht gut sein, um nützlich sein zu können. Gerade falsche Erklärungsentwürfe können dadurch, dass sie Widerlegungsversuche herausfordern, indirekt zur Entwicklung guter Theorien beitragen.
Eine gute Theorie ist der erfolgreiche Versuch, das Explanandum so korrekt, präzise und simpel wie möglich zu erklären. Eine Theorie muss allerdings nicht gut sein, um nützlich sein zu können. Gerade falsche Erklärungsentwürfe können dadurch, dass sie Widerlegungsversuche herausfordern, indirekt zur Entwicklung guter Theorien beitragen.


Das als Theorie bezeichnete System von Annahmen sollte eine innere Struktur aufweisen, die in sich widerspruchsfrei ist - und es sollte insofern "informationsreich" sein, als es in der Lage sein sollte, bestimmte Phänomene auch auszuschließen. Von Vorteil ist es zudem, wenn eine Theorie sich offener und verdeckter Werturteile enthält, mit möglichst präzise definierten Begriffen arbeitet und schon möglichst viele Widerlegungsversuche überstanden hat. Je besser die Theorie, desto stärker wird sie sich von Weltanschauungen, Ideologien oder so genannten Alltagstheorien und deren "Behauptungswissen" unterscheiden (auch wenn sie grundsätzlich identische Zusammenhänge aufzeigen sollte).
Das als Theorie bezeichnete System von Annahmen sollte eine innere Struktur aufweisen, die in sich widerspruchsfrei ist - und es sollte insofern "informationsreich" sein, als es in der Lage sein sollte, bestimmte Phänomene auch auszuschließen. Von Vorteil ist es zudem, wenn eine Theorie sich offener und verdeckter Werturteile enthält, mit möglichst präzise definierten Begriffen arbeitet und schon möglichst viele Widerlegungsversuche überstanden hat. Je besser die Theorie, desto stärker wird sie sich von Weltanschauungen, Ideologien oder so genannten Alltagstheorien und deren "Behauptungswissen" unterscheiden (auch wenn sie, was durchaus vorkommen kann, ähnliche Zusammenhänge darstellt).
 


== Entstehung ==
Weiterhin lassen sich zwei Arten der wissenschaftlichen Theoriengenerierung herausstellen, wobei die Grenzen hierbei fließend sind. Zum einen sieht die induktive Verfahrensweise ihren Ausgangspunkt in Erfahrungssätzen. Diese Hypothesen werden empirisch geprüft und so in direktem Bezug auf die soziale Realität die Theorie entwickelt und gegebenenfalls modifiziert oder korrigiert. Zum anderen verwenden Vertreter des deduktiven Vorgehens historisch vorausgehendes, verifiziertes Wissen und entwickeln mittels logischen Schließens die Theorie.


== Geltung ==
== Geltung ==
Theorien gelten im Rahmen bestimmter Paradigmen und auch innerhalb dieser Paradigmen nur so lange, bis sie von (vorgeblich) korrekteren, präziseren und/oder zumindest einfacher formulierten Theorien abgelöst werden.  
Theorien gelten im Rahmen bestimmter Paradigmen und auch innerhalb dieser Paradigmen nur so lange, bis sie von (vorgeblich) korrekteren, präziseren und/oder zumindest einfacher formulierten Theorien abgelöst werden.  
== Genesis ==
Weiterhin lassen sich zwei Arten der wissenschaftlichen Theoriengenerierung herausstellen, wobei die Grenzen hierbei fließend sind. Zum einen sieht die induktive Verfahrensweise ihren Ausgangspunkt in Erfahrungssätzen. Diese Hypothesen werden empirisch geprüft und so in direktem Bezug auf die soziale Realität die Theorie entwickelt und gegebenenfalls modifiziert oder korrigiert. Zum anderen verwenden Vertreter des deduktiven Vorgehens historisch vorausgehendes, verifiziertes Wissen und entwickeln mittels logischen Schließens die Theorie.


== Erklärungsanspruch ==
== Erklärungsanspruch ==
Theorien können, entsprechend ihrem angegebenen Geltungsrahmen, verschieden große Bereiche der sozialen Realität umfassen. Zwischen den Theorien, die Aussagen über einzelne, raumzeitlich eng begrenzte empirische Regelmäßigkeiten treffen und umfassenden, komplexen Gesellschaftstheorien liegen die sogenannten "Theorien mittlerer Reichweite" (Robert K. Merton). Mit zunehmender Weite des Erklärungsanspruchs nehmen allerdings auch die Schwierigkeiten bei der empirischen Überprüfung zu. Wer die einfache empirische Überprüfbarkeit zum dominanten Maßstab für die Bewertung des "Nutzens" von Theorien macht, wird weder der Kritischen Theorie der Gesellschaft ("Frankfurter Schule") noch der Psychoanalyse noch solchen "Allgemeinen Kriminalitätstheorien", die sich die Erklärung des gesellschaftlichen Phänomens der Kriminalität als Gesamterscheinung zur Aufgabe machen, viel abgewinnen können.
Theorien können, entsprechend ihrem angegebenen Geltungsrahmen, verschieden große Bereiche der sozialen Realität umfassen. Zwischen den Theorien, die Aussagen über einzelne, raumzeitlich eng begrenzte empirische Regelmäßigkeiten treffen und umfassenden, komplexen Gesellschaftstheorien liegen die sogenannten "Theorien mittlerer Reichweite" (Robert K. Merton). Mit zunehmender Weite des Erklärungsanspruchs nehmen allerdings auch die Schwierigkeiten bei der empirischen Überprüfung zu. Wer die einfache empirische Überprüfbarkeit zum dominanten Maßstab für die Bewertung des "Nutzens" von Theorien macht, wird weder der Kritischen Theorie der Gesellschaft ("Frankfurter Schule") noch der Psychoanalyse noch solchen "Allgemeinen Kriminalitätstheorien", die sich die Erklärung des gesellschaftlichen Phänomens der Kriminalität als Gesamterscheinung zur Aufgabe machen, viel abgewinnen können.


== Funktionen ==
== Funktionen ==
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*Popper, K. R.: Logik der Forschung. 2. durchges. Aufl. Berlin. 2004 (1935)
*Popper, K. R.: Logik der Forschung. 2. durchges. Aufl. Berlin. 2004 (1935)


*[http://www.ssc.wisc.edu/~jpiliavi/357/theory.white.pdf Theory (ssc.wisc.edu)]


Weitere Informationen zum Stichwort Kriminalitätstheorien finden Sie im Kriminologie-Lexikon ONLINE unter [http://www.krimlex.de/artikel.php?BUCHSTABE=K&KL_ID=108 Kriminalitätstheorien].
Weitere Informationen zum Stichwort Kriminalitätstheorien finden Sie im Kriminologie-Lexikon ONLINE unter [http://www.krimlex.de/artikel.php?BUCHSTABE=K&KL_ID=108 Kriminalitätstheorien].


[[Kategorie:Grundbegriffe der Kriminologie]]
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