Terrorismus und Widerstand: Erklärungen, Scheinerklärungen und praktische Probleme 23.6.12: Unterschied zwischen den Versionen

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Die  berühmte Frage von Howard S. Becker "Whose Side Are We On?" - auf der Seite der Abweichler oder der staatlichen Institutionen - scheint sich nicht zu stellen. Es gibt doch eigentlich nur die Parteinahme für die konkreten Opfer und für die Angehörigen und für die Opfer im weiteren Sinne: den westlichen Lebensstil, die Meinungsfreiheit, die Menschenwürde, die Gleichstellung der Geschlechter. In gewissem Sinne verhilft uns der Terrorismus sogar dazu, die oftmals als selbstverständlich vorausgesetzten Freiheiten wieder zu empfinden und würdigen zu können. Fast nebenbei fällt dabei auf: sogar der alte Streit zwischen kritischer und traditioneller Kriminologie hat heutzutage seine Brisanz verloren.
Die  berühmte Frage von Howard S. Becker "Whose Side Are We On?" - auf der Seite der Abweichler oder der staatlichen Institutionen - scheint sich nicht zu stellen. Es gibt doch eigentlich nur die Parteinahme für die konkreten Opfer und für die Angehörigen und für die Opfer im weiteren Sinne: den westlichen Lebensstil, die Meinungsfreiheit, die Menschenwürde, die Gleichstellung der Geschlechter. In gewissem Sinne verhilft uns der Terrorismus sogar dazu, die oftmals als selbstverständlich vorausgesetzten Freiheiten wieder zu empfinden und würdigen zu können. Fast nebenbei fällt dabei auf: sogar der alte Streit zwischen kritischer und traditioneller Kriminologie hat heutzutage seine Brisanz verloren.


== Die Herausforderung für die Kriminologie ==
Es steht allerdings bei genauerem Hinsehen zu vermuten: Die Friedlichkeit des Verhältnisses zwischen kritischer und traditioneller Kriminologie ist nur der schöne Schein. In Wirklichkeit haben sich die beiden nicht vertragen, sondern die eine ist mausetot. Der Anti-Terrorismus-Konsens war der letzte Nagel zu ihrem Sarg. Die Ruhe zwischen den Lagern ist eine Friedhofsruhe. Ines de Castro (Dom Pedro.)
Bevor ich meine Hypothese vorstelle, erkläre ich vorsichtshalber, dass es sich erstens nur um eine Vermutung handelt, die ich heute noch gar nicht belegen kann, dass ich zweitens vielleicht nicht mehr auf der Höhe der Zeit bin - ich publiziere zum Themengebiet seit 1980 und bin dem alten Terrorismus mehr verbunden als dem neuen. 
 
1. Meine Vermutung lautet: Die Friedlichkeit des Verhältnisses zwischen kritischer und traditioneller Kriminologie ist nur der schöne Schein. In Wirklichkeit haben sich die beiden nicht vertragen, sondern die eine ist mausetot. Der Anti-Terrorismus-Konsens war der letzte Nagel zu ihrem Sarg. Die Ruhe zwischen den Lagern ist eine Friedhofsruhe. Ines de Castro (Dom Pedro.)


2. Denn kritische Kriminologie heißt in erster Linie: aktive Kriminologie. Aktiv in dem Sinne einer aktiven Funktion der Wissenschaft. Die traditionelle Kriminologie erfüllt im Wesentlichen passive Funktionen. Sie schafft keine Erkenntnis, sondern sie legitimiert Entscheidungen und verschleiert Machtinteressen, indem sie sie als wissenschaftlich geprüfte Sachzwänge oder objektive Sachverhalte darstellt. Aktive Wissenschaft ist unbequeme Wissenschaft, die zu unbequemen Ergebnissen kommt - unbequem für die Gesellschaft, für die Mächtigen und für die Wissenschaftler selbst - die aber neue Zusammenhänge entdeckt und damit neue Denk-Räume und letztlich Handlungsräume eröffnet. Eine solche aktive Wissenschaft gibt es im Bereich der Kriminologie des Terrorismus nicht.  
2. Denn kritische Kriminologie heißt in erster Linie: aktive Kriminologie. Aktiv in dem Sinne einer aktiven Funktion der Wissenschaft. Die traditionelle Kriminologie erfüllt im Wesentlichen passive Funktionen. Sie schafft keine Erkenntnis, sondern sie legitimiert Entscheidungen und verschleiert Machtinteressen, indem sie sie als wissenschaftlich geprüfte Sachzwänge oder objektive Sachverhalte darstellt. Aktive Wissenschaft ist unbequeme Wissenschaft, die zu unbequemen Ergebnissen kommt - unbequem für die Gesellschaft, für die Mächtigen und für die Wissenschaftler selbst - die aber neue Zusammenhänge entdeckt und damit neue Denk-Räume und letztlich Handlungsräume eröffnet. Eine solche aktive Wissenschaft gibt es im Bereich der Kriminologie des Terrorismus nicht.  
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