Terrorismus und Widerstand: Erklärungen, Scheinerklärungen und praktische Probleme 23.6.12: Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 11: Zeile 11:
Ich möchte das in Thesenform begründen, und zwar folgendermaßen:  
Ich möchte das in Thesenform begründen, und zwar folgendermaßen:  


*Wissenschaft macht für die Mächtigen vielleicht auch dann Sinn, wenn sie nur als Deckmantel für den Diskurs und die Dispositive der Macht fungiert. Man hat eine Entscheidung getorffen und will sie durchsetzen. Das geht am besten, wenn man sie mit "wissenschaftlichen Erkenntnissen" begründet und damit unangreifbar macht. Das ist die passive Funktion von Wissenschaft. Die eigentliche und aktive Funktion der Wissenschaft besteht jedoch darin, richtige Erkenntnis zu produzieren, also Phänomene korrekt zu beschreiben und bislang noch nicht bekannte Zusammenhänge aufzudecken - und zwar auch dann, wenn es sich um unbequeme Dinge handelt. Unbequem für die Geldgeber, unbequem für die Gesellschaft, unbequem für die Wissenschaftler selbst. Voraussetzung dafür ist die Freiheit der Wissenschaft: die Freiheit der Sammlung von Informationen, der Verarbeitung und der Veröffentlichung von Informationen. Diese Freiheit gibt es - in reinster Form - nirgendwo auf der Welt. Sie ist durch Verfassungsartikel, durch einfache Gesetze, durch die Verweigerung von Aufmerksamkeit und Forschungsförderung, durch Angst vor informellen Sanktionen, Exklusionen und Stigmatisierungen, durch verinnerlichte Ideologeme und Haltungen eingeschränkt. Manches davon lässt sich umgehen, manches abgewöhnen, aber so wie es in jeder Religion nur wenige Heilige gibt, so gibt es auch in der Wissenschaft nur wenige, deren Haltung sie als Vorbild für alle empfehlen könnte. Der langen Rede kurzer Sinn: um eine aktive Funktion erfüllen zu können, müssten Kriminologinnen fragen und Antworten erhalten oder arbeiten können. Es sind aber nicht alle Fragen, die sich aufdrängen, auch möglich.  
*''Aktive Kriminologie.'' Wissenschaft macht für die Mächtigen vielleicht auch dann Sinn, wenn sie nur als Deckmantel für den Diskurs und die Dispositive der Macht fungiert. Man hat eine Entscheidung getorffen und will sie durchsetzen. Das geht am besten, wenn man sie mit "wissenschaftlichen Erkenntnissen" begründet und damit unangreifbar macht. Das ist die passive Funktion von Wissenschaft. Die eigentliche und aktive Funktion der Wissenschaft besteht jedoch darin, richtige Erkenntnis zu produzieren, also Phänomene korrekt zu beschreiben und bislang noch nicht bekannte Zusammenhänge aufzudecken - und zwar auch dann, wenn es sich um unbequeme Dinge handelt. Unbequem für die Geldgeber, unbequem für die Gesellschaft, unbequem für die Wissenschaftler selbst. Voraussetzung dafür ist die Freiheit der Wissenschaft: die Freiheit der Sammlung von Informationen, der Verarbeitung und der Veröffentlichung von Informationen. Diese Freiheit gibt es - in reinster Form - nirgendwo auf der Welt. Sie ist durch Verfassungsartikel, durch einfache Gesetze, durch die Verweigerung von Aufmerksamkeit und Forschungsförderung, durch Angst vor informellen Sanktionen, Exklusionen und Stigmatisierungen, durch verinnerlichte Ideologeme und Haltungen eingeschränkt. Manches davon lässt sich umgehen, manches abgewöhnen, aber so wie es in jeder Religion nur wenige Heilige gibt, so gibt es auch in der Wissenschaft nur wenige, deren Haltung sie als Vorbild für alle empfehlen könnte. Der langen Rede kurzer Sinn: um eine aktive Funktion erfüllen zu können, müssten Kriminologinnen zunächst einmal alle möglichen Fragen stellen können, natürlich auch ungewöhnliche, ohne die sich ja nie etwas Neues erkennen ließe. Das erscheint trivial, ist es aber nicht. Denn zum Fragen gehören Begriffe, die Fragen erlauben, und die nicht Fragen verbieten.
 
* ''Definitional stop.'' Die Kriminologie ist, gemessen an dem Niveau, das sie bräuchte, um eine aktive Rolle zu spielen, schon so tief in den Sumpf des politisch motivierten Legitimationsdiskurses gesunken, dass ihr nicht einmal kluge Fragen mehr möglich sind. Ich möchte das am Beispiel potentieller Fragen und der Schwierigkeiten darstellen, mit denen die Möglichkeit, diese Fragen überhaupt zu stellen, zu kämpfen haben. Eine potentielle Frage betrifft ein Gedankenexperiment. Was wäre eigentlich mit einem Forschungsprojekt, das der Frage nachginge, inwiefern eine Steigerung der Effizienz der Terrorismus-Bekämpfung durch den Einsatz staatlicher Terroristen-Gruppen erzielt werden könnte? Wäre es nützlich, würde es in the long run sogar viele Menschenleben retten können, wenn man dazu überginge, den Gegner sozusagen mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen?
 
 


    
    


die wahren Zusammenhänge könnte jedoch auch einen aktive politisch-ideologische MachtNatürlich sind wir auf der Seite des Rechts, der unschuldigen Opfer und der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft mit all ihren Vorzügen. Diese Vorzüge des Pluralismus, der Gleichberechtigung, der persönlichen Entfaltungs- und Meinungsfreiheit, des säkularen Staates und , die gerade wegen des Terrorismus Vor allem funktioniert sie nicht nach moralischen Gesetzen, sondern teilweise aleatorisch und teilweise auf himmelschreiende Art ungerecht. Daher ja die religiöse Fiktion eines Himmels, in dem alles gerade gerückt wird und in dem Letzten die Ersten sein werden. Wäre schon hienieden alles gerecht, dann spräche nichts gegen eine unveränderte Aufstellung im Himmel wie auf Erden.
Diese Vorzüge des Pluralismus, der Gleichberechtigung, der persönlichen Entfaltungs- und Meinungsfreiheit, des säkularen Staates und , die gerade wegen des Terrorismus Vor allem funktioniert sie nicht nach moralischen Gesetzen, sondern teilweise aleatorisch und teilweise auf himmelschreiende Art ungerecht. Daher ja die religiöse Fiktion eines Himmels, in dem alles gerade gerückt wird und in dem Letzten die Ersten sein werden. Wäre schon hienieden alles gerecht, dann spräche nichts gegen eine unveränderte Aufstellung im Himmel wie auf Erden.


Neben der Religion gibt es die schönen Künste. Auch dort dominiert das Verlangen nach erfolgreicher Flucht aus dem Jammertal der realen Verhältnisse. Je größer das Elend, je größer die Ungerechtigkeit, desto bedingungsloser die Sehnsucht nach und der Glaube an das Happy End. Auf dieses Bedürfnis antwortet die Kulturindustrie von Holly- bis Bollywood, nicht ausgenommen die Fernsehkrimis mit ihren sympathischen Kommissarinnen und Kommissaren und der Auflösung auch noch der dunkelsten Fälle. Immerhin: das Böse ist erkannt und verhaftet. (Die Problemfilme und Tragödien haben eine andere Funktion. Sie sind gerade wegen ihrer Nichterfüllung elementarer Errettungsbedürfnisse vor allem als Status-Konsumgüter zwecks Distinktionsgewinn gegenüber konkurrierenden Elitenanwärtern zu nutzen.)
Neben der Religion gibt es die schönen Künste. Auch dort dominiert das Verlangen nach erfolgreicher Flucht aus dem Jammertal der realen Verhältnisse. Je größer das Elend, je größer die Ungerechtigkeit, desto bedingungsloser die Sehnsucht nach und der Glaube an das Happy End. Auf dieses Bedürfnis antwortet die Kulturindustrie von Holly- bis Bollywood, nicht ausgenommen die Fernsehkrimis mit ihren sympathischen Kommissarinnen und Kommissaren und der Auflösung auch noch der dunkelsten Fälle. Immerhin: das Böse ist erkannt und verhaftet. (Die Problemfilme und Tragödien haben eine andere Funktion. Sie sind gerade wegen ihrer Nichterfüllung elementarer Errettungsbedürfnisse vor allem als Status-Konsumgüter zwecks Distinktionsgewinn gegenüber konkurrierenden Elitenanwärtern zu nutzen.)
31.738

Bearbeitungen