Töten und Nicht-Töten: Unterschied zwischen den Versionen

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=Einleitung=
Töten heißt Leben beenden. Wer tötet, beendet die physische Existenz eines Lebewesens. Die soziale Realität des Tötens von Pflanzen, Tieren und - vor allem - von Menschen gilt es zu kartographieren und zu erklären. Zur sozialen Realität gehört auch die Gesamtheit der Bemühungen um eine normative Ordnung des Tötens und Nicht-Tötens. Weltanschauungen, Religionen, Philosophien und Staatslehren ziehen Grenzen zwischen erwünscht/unerwünscht, bzw. erlaubt und verboten und investieren erhebliche Energien, um diese Grenzen verhaltenswirksam werden zu lassen. Trotzdem kommt es zu Abweichungen von den normativen Vorgaben und zu Reaktionen darauf, die ihrerseits gelegentlich wieder auf das Töten rekurrieren (Hinrichtungen).   
Töten heißt Leben beenden. Wer tötet, beendet die physische Existenz eines Lebewesens. Die soziale Realität des Tötens von Pflanzen, Tieren und - vor allem - von Menschen gilt es zu kartographieren und zu erklären. Zur sozialen Realität gehört auch die Gesamtheit der Bemühungen um eine normative Ordnung des Tötens und Nicht-Tötens. Weltanschauungen, Religionen, Philosophien und Staatslehren ziehen Grenzen zwischen erwünscht/unerwünscht, bzw. erlaubt und verboten und investieren erhebliche Energien, um diese Grenzen verhaltenswirksam werden zu lassen. Trotzdem kommt es zu Abweichungen von den normativen Vorgaben und zu Reaktionen darauf, die ihrerseits gelegentlich wieder auf das Töten rekurrieren (Hinrichtungen).   


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*[https://www.hedweb.com/transhumanism/deutsch-humanityplus.html Transhumanism. Anleitung für eine Welt ohne Leiden. David Pearce im Gespräch]
*[https://www.hedweb.com/transhumanism/deutsch-humanityplus.html Transhumanism. Anleitung für eine Welt ohne Leiden. David Pearce im Gespräch]


=Der Mensch als tötendes Lebewesen=
'''Der Mensch als tötendes Lebewesen'''


::Der Mensch ist einerseits ein Mängelwesen, hat es aber andererseits geschafft, sich in kurzer Zeit an die Spitze der Nahrungskette vorzuarbeiten, wo er bislang auch noch unangefochten herrscht.
::Der Mensch ist einerseits ein Mängelwesen, hat es aber andererseits geschafft, sich in kurzer Zeit an die Spitze der Nahrungskette vorzuarbeiten, wo er bislang auch noch unangefochten herrscht.
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Ähnlich übrigens auch das eingeschränkte Tötungsverbot im Koran Sure 5 Vers 32: "Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält."
Ähnlich übrigens auch das eingeschränkte Tötungsverbot im Koran Sure 5 Vers 32: "Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält."


==Brahmanismus ==
'''Brahmanismus'''


Gewaltlosigkeit im Sinne von Ahimsa (Nicht-Verletzen) ist eines der wichtigsten Prinzipien im J., H. und B., das das Töten von Lebewesen untersagt bzw. auf ein unumgängliches Minimum beschränkt. Damit ist die Vorstellung verbunden, dass jede Gewaltausübung schlechtes Karma erzeugt und sich dadurch auf die Zukunft des Täters negativ auswirkt.
Gewaltlosigkeit im Sinne von Ahimsa (Nicht-Verletzen) ist eines der wichtigsten Prinzipien im J., H. und B., das das Töten von Lebewesen untersagt bzw. auf ein unumgängliches Minimum beschränkt. Damit ist die Vorstellung verbunden, dass jede Gewaltausübung schlechtes Karma erzeugt und sich dadurch auf die Zukunft des Täters negativ auswirkt.
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Obwohl im Jainismus theoretisch allen Lebensformen gleichermaßen voller Schutz vor jeder Art von Verletzung zusteht, geben Jains zu, dass es unmöglich ist, dieses Ideal im Alltag uneingeschränkt zu verwirklichen. Daher anerkennen sie das Bestehen einer Rangordnung der Lebewesen. Bewegliche Wesen genießen stärkeren Schutz als unbewegliche. Unter den beweglichen unterscheiden sie solche mit nur einem Sinn (dem Tastsinn) und solche mit zwei, drei, vier oder fünf Sinnen. Je mehr Sinne ein Wesen besitzt, desto besserer Schutz gebührt ihm. Unter den Wesen mit fünf Sinnen haben die mit Vernunft ausgestatteten, die Menschen, Vorrang.
Obwohl im Jainismus theoretisch allen Lebensformen gleichermaßen voller Schutz vor jeder Art von Verletzung zusteht, geben Jains zu, dass es unmöglich ist, dieses Ideal im Alltag uneingeschränkt zu verwirklichen. Daher anerkennen sie das Bestehen einer Rangordnung der Lebewesen. Bewegliche Wesen genießen stärkeren Schutz als unbewegliche. Unter den beweglichen unterscheiden sie solche mit nur einem Sinn (dem Tastsinn) und solche mit zwei, drei, vier oder fünf Sinnen. Je mehr Sinne ein Wesen besitzt, desto besserer Schutz gebührt ihm. Unter den Wesen mit fünf Sinnen haben die mit Vernunft ausgestatteten, die Menschen, Vorrang.


*[https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ahimsa&printable=yes Ahimsa, in: de.wikipedia.org]
*[https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ahimsa&printable=yes Ahimsa, in: de.wikipedia.org]
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*[http://www.zeit.de/2012/15/P-Muslime/komplettansicht Muslime, in: Die Zeit (2012)]
*[http://www.zeit.de/2012/15/P-Muslime/komplettansicht Muslime, in: Die Zeit (2012)]


==Deontische vs. utilitaristische Ethik==
'''Deontische vs. utilitaristische Ethik'''


Deontologie: Die stärkste Form deontologischer Theorien führt zu einem moralischen Absolutismus, der keine Fälle zulässt, in denen eine intrinsisch schlechte Handlung durch die Umstände der Situation dennoch die moralisch richtige Handlung sein kann. Deontologische Verbote gelten absolut und ohne Berücksichtigung der Umstände. Im Beispiel Folter dürfte ein moralischer Absolutist die Person B nicht foltern, auch wenn dadurch eine Million unschuldiger Menschen gerettet werden könnten. Ein Problem für moderate DeontologInnen: "Es ist völlig unklar, wie der Grenzwert für eine bestimmte Handlungsbeurteilung festgelegt wird. Angenommen, der Grenzwert, um das Töten einer Person rechtfertigen zu können, liegt bei der Rettung von 100 Personen. Warum kann es nicht 50 oder 150 sein?"
Deontologie: Die stärkste Form deontologischer Theorien führt zu einem moralischen Absolutismus, der keine Fälle zulässt, in denen eine intrinsisch schlechte Handlung durch die Umstände der Situation dennoch die moralisch richtige Handlung sein kann. Deontologische Verbote gelten absolut und ohne Berücksichtigung der Umstände. Im Beispiel Folter dürfte ein moralischer Absolutist die Person B nicht foltern, auch wenn dadurch eine Million unschuldiger Menschen gerettet werden könnten. Ein Problem für moderate DeontologInnen: "Es ist völlig unklar, wie der Grenzwert für eine bestimmte Handlungsbeurteilung festgelegt wird. Angenommen, der Grenzwert, um das Töten einer Person rechtfertigen zu können, liegt bei der Rettung von 100 Personen. Warum kann es nicht 50 oder 150 sein?"


== Ehrfurcht vor dem Leben ==
'''Ehrfurcht vor dem Leben
 
'''
Das Studium von Ahimsa prägte auch Albert Schweitzers Lehre von der "Ehrfurcht vor dem Leben":"the commandment not to kill and not to damage is one of the greatest events in the spiritual history of mankind". Allerdings ergänzt diese Lehre das Verbot des Schädigens um das positive Gebot der Solidarität.
Das Studium von Ahimsa prägte auch Albert Schweitzers Lehre von der "Ehrfurcht vor dem Leben":"the commandment not to kill and not to damage is one of the greatest events in the spiritual history of mankind". Allerdings ergänzt diese Lehre das Verbot des Schädigens um das positive Gebot der Solidarität.


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#„Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben begreift also alles in sich, was als Liebe, Hingabe, Mitleiden, Mitfreude und Mitstreben, bezeichnet werden kann.“
#„Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben begreift also alles in sich, was als Liebe, Hingabe, Mitleiden, Mitfreude und Mitstreben, bezeichnet werden kann.“


==Der Weichensteller-Fall (Fat Man Problem)==
'''Der Weichensteller-Fall (Fat Man Problem)
 
'''
= [https://de.wikipedia.org/wiki/Trolley-Problem Weichenstellerfall; Trolley Problem; Fat Man Problem]:
= [https://de.wikipedia.org/wiki/Trolley-Problem Weichenstellerfall; Trolley Problem; Fat Man Problem]:


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*[https://www.youtube.com/watch?v=1uVMJeW78BM "Sympathy". Song von Rare Bird auf You Tube ("Sympathy is what we need, my friend ...)]
*[https://www.youtube.com/watch?v=1uVMJeW78BM "Sympathy". Song von Rare Bird auf You Tube ("Sympathy is what we need, my friend ...)]


=Gesetzliche Restriktionen =
'''Gesetzliche Restriktionen'''


*Tatbestände
*Tatbestände
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*Arbeitsblatt Felix Herzog: "Mörder verdienen die härteste Strafe". Grade des Unrechts von Tötungen und deren Bestrafung aus juristischer Sicht.
*Arbeitsblatt Felix Herzog: "Mörder verdienen die härteste Strafe". Grade des Unrechts von Tötungen und deren Bestrafung aus juristischer Sicht.


== Streitfall Sterbehilfe ==
'''Streitfall Sterbehilfe'''


"§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung.
"§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung.
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*[http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/belgien-erstmals-sterbehilfe-fuer-minderjaehrige-geleistet-a-1112751.html SPIEGEL (2016) Belgien]
*[http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/belgien-erstmals-sterbehilfe-fuer-minderjaehrige-geleistet-a-1112751.html SPIEGEL (2016) Belgien]


==Grade von  Schuld und Strafe==
'''Grade von  Schuld und Strafe'''
#Tötung rechtmäßig und ohne Schuld: Tötung nach Polizei- und Soldatengesetzen, im Rahmen der Justiz (Henker) oder bei ordnungsgemäßer Schlachtung etc.  
#Tötung rechtmäßig und ohne Schuld: Tötung nach Polizei- und Soldatengesetzen, im Rahmen der Justiz (Henker) oder bei ordnungsgemäßer Schlachtung etc.  
#Tötung erfüllt Straftatbestand, ist aber rechtmäßig und daher weder schuldhaft noch strafbar (Notwehr)
#Tötung erfüllt Straftatbestand, ist aber rechtmäßig und daher weder schuldhaft noch strafbar (Notwehr)
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#Tötung erfüllt Straftatbestand, ist rechtswidrig und außerordentlich schuldhaft, in erhöhtem Maße strafbar und begründet wegen besonderer Gefährlichkeit auch über das Strafende hinaus ein weiteres Andauern des Freiheitsentzugs.
#Tötung erfüllt Straftatbestand, ist rechtswidrig und außerordentlich schuldhaft, in erhöhtem Maße strafbar und begründet wegen besonderer Gefährlichkeit auch über das Strafende hinaus ein weiteres Andauern des Freiheitsentzugs.


== Nichtanzeige geplanter Straftaten und Beichtgeheimnis ==
'''Nichtanzeige geplanter Straftaten und Beichtgeheimnis
 
'''
In Deutschland besteht für Geistliche gem. § 139 Abs. 2 StGB keine Anzeigepflicht - und zwar selbst wenn sie in ihrer Eigenschaft als Seelsorger von dem Vorhaben eines Hochverrats, Landesverrats, Münzverbrechens, Mordes, Totschlages, Raubes, Menschenraubes oder eines gemeingefährlichen Verbrechens glaubhaft Kenntnis erhalten. Damit nimmt das staatliche Recht auf den Gewissenskonflikt des Geistlichen und die Glaubwürdigkeit der betroffenen Religionsgemeinschaft Rücksicht.
In Deutschland besteht für Geistliche gem. § 139 Abs. 2 StGB keine Anzeigepflicht - und zwar selbst wenn sie in ihrer Eigenschaft als Seelsorger von dem Vorhaben eines Hochverrats, Landesverrats, Münzverbrechens, Mordes, Totschlages, Raubes, Menschenraubes oder eines gemeingefährlichen Verbrechens glaubhaft Kenntnis erhalten. Damit nimmt das staatliche Recht auf den Gewissenskonflikt des Geistlichen und die Glaubwürdigkeit der betroffenen Religionsgemeinschaft Rücksicht.


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Themen: Homizide und ihre Zusammenhänge mit (1) Drogenrouten, (2) Staatszerfall und (3) alternativen Gewaltordnungen.
Themen: Homizide und ihre Zusammenhänge mit (1) Drogenrouten, (2) Staatszerfall und (3) alternativen Gewaltordnungen.


*Tötungsrisiko von Alten und Kranken
*Tötungsrisiko von Alten und Kranken
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*[http://www.nytimes.com/2010/03/26/world/americas/26blake.html V. Blake, founder of Jamaican drug gang, dies, 2010]
*[http://www.nytimes.com/2010/03/26/world/americas/26blake.html V. Blake, founder of Jamaican drug gang, dies, 2010]
*[https://www.uibk.ac.at/peacestudies/downloads/peacelibrary/gewaltkultur.pdf Waldmann, Peter: Gibt es in Kolumbien eine Gewaltkultur?]
*[https://www.uibk.ac.at/peacestudies/downloads/peacelibrary/gewaltkultur.pdf Waldmann, Peter: Gibt es in Kolumbien eine Gewaltkultur?]


*Suizid:
*Suizid:
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*[http://healthland.time.com/2011/04/25/why-the-happiest-states-have-the-highest-suicide-rates/ Why the happiest states have the highest suicide rates (2011)]
*[http://healthland.time.com/2011/04/25/why-the-happiest-states-have-the-highest-suicide-rates/ Why the happiest states have the highest suicide rates (2011)]


= Animalizid =
'''Animalizid'''


[https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2017/sep/20/lab-grown-meat-fish-feed-the-world-frankenmeat-startups? Could lab-grown fish and meat feed the world – without killing a single animal? (2017)]
[https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2017/sep/20/lab-grown-meat-fish-feed-the-world-frankenmeat-startups? Could lab-grown fish and meat feed the world – without killing a single animal? (2017)]


CMP=Share_iOSApp_Other
CMP=Share_iOSApp_Other


::[http://lamerpao.blogspot.de/2014/01/animalicide.htmlIl se peut que dans une ou deux générations, les humains n’élèvent plus bovins, ovins, caprins ou gallinacées dans le but de les consommer. Le respect de la vie sous toutes ses formes sera peut-être devenu la règle et l’opinion aura donné raison à madame Bardot. On continuera quand même à écraser les moustiques et éliminer les pucerons].
::[http://lamerpao.blogspot.de/2014/01/animalicide.htmlIl se peut que dans une ou deux générations, les humains n’élèvent plus bovins, ovins, caprins ou gallinacées dans le but de les consommer. Le respect de la vie sous toutes ses formes sera peut-être devenu la règle et l’opinion aura donné raison à madame Bardot. On continuera quand même à écraser les moustiques et éliminer les pucerons].
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*[http://www.v-d-f.de/zahlen_daten_fleischwirtschaft/welt/ Verband der Fleischwirtschaft e.V. Zahlen Daten Fleischwirtschaft WELT 2017]
*[http://www.v-d-f.de/zahlen_daten_fleischwirtschaft/welt/ Verband der Fleischwirtschaft e.V. Zahlen Daten Fleischwirtschaft WELT 2017]


=Heiße und kalte Tötungen=
'''Heiße und kalte Tötungen
'''
Wie Alexander Mitscherlich (in: Zwei Arten der Grausamkeit) zwischen heißer und kalter Grausamkeit und Jan Philipp Reemtsma zwischen heißer und kalter Gewalt (in: Die Wiederkehr der Hobbeschen Frage) unterschied - derjenigen der Losgelassenen, der Plünderer und Vergewaltiger auf der einen und derjenigen der diszipliniert sich an Aufträge und Pflichten haltenden andererseits - so lassen sich auch heiße und kalte Tötungen unterscheiden (gedacht als Polarität, aber auch als Kontinuum).  
Wie Alexander Mitscherlich (in: Zwei Arten der Grausamkeit) zwischen heißer und kalter Grausamkeit und Jan Philipp Reemtsma zwischen heißer und kalter Gewalt (in: Die Wiederkehr der Hobbeschen Frage) unterschied - derjenigen der Losgelassenen, der Plünderer und Vergewaltiger auf der einen und derjenigen der diszipliniert sich an Aufträge und Pflichten haltenden andererseits - so lassen sich auch heiße und kalte Tötungen unterscheiden (gedacht als Polarität, aber auch als Kontinuum).  


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Kalt heißt: arbeitsteilig und berufs- oder pflichtmäßig, vielleicht mit einer gewissen Befriedigung, weil man es kann und es aushält. Aber eher doch ohne erhöhten Puls und ohne erhöhte Körpertemperatur. Kalt ist vorhersehbar, geplant, begründet, cool in seiner Geschäftsmäßigkeit. Kalt ist eine ruhige, diszipliniert tätige Tötung ohne besondere innere Aufregung. (Die '''Tötungsarbeit''' im Vernichtungslager, evtl. aber auch manche kaltblütigen privaten Morde, vgl. Truman Capote, Kaltblütig).
Kalt heißt: arbeitsteilig und berufs- oder pflichtmäßig, vielleicht mit einer gewissen Befriedigung, weil man es kann und es aushält. Aber eher doch ohne erhöhten Puls und ohne erhöhte Körpertemperatur. Kalt ist vorhersehbar, geplant, begründet, cool in seiner Geschäftsmäßigkeit. Kalt ist eine ruhige, diszipliniert tätige Tötung ohne besondere innere Aufregung. (Die '''Tötungsarbeit''' im Vernichtungslager, evtl. aber auch manche kaltblütigen privaten Morde, vgl. Truman Capote, Kaltblütig).


== Ein kurzer Film über das Töten ==
'''Ein kurzer Film über das Töten
'''
Die Dramatik des Films '''[https://www.youtube.com/watch?v=ImdQsFKu4Gk&t=83s A short film about killing]''' stammt  aus dem Gegensatz zwischen dem Verbrechen eines jungen Mannes (heiße Tötung) und der kalten Grausamkeit seiner Hinrichtung. Im Film von K. Kieslowski werden zwei schreckliche Tötungen gezeigt. Die eine ist unmotiviert und unentschuldbar, die zweite kalt, präzise und irgendwie als Vergeltung oder Abschreckung legitimiert. Der erste Mord ist "far more gruesome", aber der zweite "easily more horrifying because of our complicity in it. We see all the preparations being made"; [https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_kurzer_Film_über_das_Töten Ein kurzer Film über das Töten (1989) in: de.wikipedia]. [https://www.youtube.com/watch?v=oP76NZ9ZE00 Ausschnitt auf YouTube]
Die Dramatik des Films '''[https://www.youtube.com/watch?v=ImdQsFKu4Gk&t=83s A short film about killing]''' stammt  aus dem Gegensatz zwischen dem Verbrechen eines jungen Mannes (heiße Tötung) und der kalten Grausamkeit seiner Hinrichtung. Im Film von K. Kieslowski werden zwei schreckliche Tötungen gezeigt. Die eine ist unmotiviert und unentschuldbar, die zweite kalt, präzise und irgendwie als Vergeltung oder Abschreckung legitimiert. Der erste Mord ist "far more gruesome", aber der zweite "easily more horrifying because of our complicity in it. We see all the preparations being made"; [https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_kurzer_Film_über_das_Töten Ein kurzer Film über das Töten (1989) in: de.wikipedia]. [https://www.youtube.com/watch?v=oP76NZ9ZE00 Ausschnitt auf YouTube]


Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Kälte/Hitze und der Machtrelation zwischen Täter und Opfer? Tötet es sich von oben nach unten leichter und kälter (und von unten nach oben schwerer und heißer)?
Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Kälte/Hitze und der Machtrelation zwischen Täter und Opfer? Tötet es sich von oben nach unten leichter und kälter (und von unten nach oben schwerer und heißer)?


== Auschwitz ==
'''Auschwitz'''
Der Prozess der Zivilisation (Norbert Elias) hat einerseits die heiße Gewalt zurückgedrängt (Affektkontrolle). Er hat aber keine wirksamen Schranken gegen die kalte Gewalt der Tötungsarbeit errichtet: siehe Auschwitz.
Der Prozess der Zivilisation (Norbert Elias) hat einerseits die heiße Gewalt zurückgedrängt (Affektkontrolle). Er hat aber keine wirksamen Schranken gegen die kalte Gewalt der Tötungsarbeit errichtet: siehe Auschwitz.


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*[https://de.wikipedia.org/wiki/The_Killing_Fields_–_Schreiendes_Land The Killing Fields - Schreiendes Land. Spielfilm über den Genozid in Kambodscha von Roland Joffé (1984)]
*[https://de.wikipedia.org/wiki/The_Killing_Fields_–_Schreiendes_Land The Killing Fields - Schreiendes Land. Spielfilm über den Genozid in Kambodscha von Roland Joffé (1984)]


== The Act of Killing: Massaker in Indonesien 1965 ==
'''The Act of Killing: Massaker in Indonesien 1965
 
'''
*[https://www.youtube.com/watch?v=Do1_68LrpbU The Act of Killing (full movie on YouTube)]
*[https://www.youtube.com/watch?v=Do1_68LrpbU The Act of Killing (full movie on YouTube)]
*[https://www.youtube.com/watch?v=0Kii5OL4p-0&t=7s The Act of Killing, scene: "Anwar on Roof" (YouTube)]
*[https://www.youtube.com/watch?v=0Kii5OL4p-0&t=7s The Act of Killing, scene: "Anwar on Roof" (YouTube)]
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:The Pancasila Youth (Indonesian: Pemuda Pancasila, PP) is an Indonesian paramilitary organization established by General Abdul Haris Nasution on 28 October 1959 as the youth wing of the League of Supporters of Indonesian Independence. It has been headed since 1981 by Yapto Soerjosoemarno and was one of the semi-official political gangster (preman) groups that supported the New Order military dictatorship of Suharto. The name refers to Pancasila, the official "five principles" of the Indonesian state. Pancasila Youth played an important role in supporting Suharto's military coup in 1965: they ran death squads for the Indonesian army, killing a million or more alleged communists and Chinese Indonesians across the province of North Sumatra, as described in the 2012 documentary The Act of Killing.
:The Pancasila Youth (Indonesian: Pemuda Pancasila, PP) is an Indonesian paramilitary organization established by General Abdul Haris Nasution on 28 October 1959 as the youth wing of the League of Supporters of Indonesian Independence. It has been headed since 1981 by Yapto Soerjosoemarno and was one of the semi-official political gangster (preman) groups that supported the New Order military dictatorship of Suharto. The name refers to Pancasila, the official "five principles" of the Indonesian state. Pancasila Youth played an important role in supporting Suharto's military coup in 1965: they ran death squads for the Indonesian army, killing a million or more alleged communists and Chinese Indonesians across the province of North Sumatra, as described in the 2012 documentary The Act of Killing.


== Weitere kalte Tötungen ==
'''Weitere kalte Tötungen
'''
*Auftragsmord [https://en.wikipedia.org/wiki/Bugsy_Siegel Beispiel Benjamin "Bugsy" Siegel]; [https://www.youtube.com/watch?v=o6JOGrXhPLQ Leon der Profi (Spielfilm, 1994) YouTube]
*Auftragsmord [https://en.wikipedia.org/wiki/Bugsy_Siegel Beispiel Benjamin "Bugsy" Siegel]; [https://www.youtube.com/watch?v=o6JOGrXhPLQ Leon der Profi (Spielfilm, 1994) YouTube]


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*[http://heinrich.rewi.hu-berlin.de/doc/abs_bt_2012/06-fahrlaessigetoetung.pdf Fahrlässige Tötung (Prof. Heinrich, HUB)]; [https://www.ra-klose.com/html/fahrlassige-totung.html 4000 Verurteilungen nach § 222 StGB; bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe]
*[http://heinrich.rewi.hu-berlin.de/doc/abs_bt_2012/06-fahrlaessigetoetung.pdf Fahrlässige Tötung (Prof. Heinrich, HUB)]; [https://www.ra-klose.com/html/fahrlassige-totung.html 4000 Verurteilungen nach § 222 StGB; bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe]


= Männer, Frauen, Familie=
'''Männer, Frauen, Familie
'''
Heiß ist es innerhalb der Familie. Sie ist der gefährlichste soziale Nahraum. Frauen und Mädchen sind besonders gefährdet. Bei 46% der weiblichen gegenüber 19% der männlichen Opfer kommen TäterInnen aus der Verwandtschaft. (Erhitzung des kleinfamiliären Binnenklimas.) Das höchste Risiko droht bis zu 10 Jahren von den Eltern, bis 30 Jahre von Bekannten, bis 50 Jahre vom Ehepartner, bis 60 Jahre von den eigenen Kindern, und danach wieder von Bekannten. Entsprechend ist der wesentlich Tatort die Wohnung, nicht die Straße. Tötungskriminalität ist „ganz überwiegend Männerkriminalität“ – der Anteil der Frauen beträgt 12-15% (bei über 50% Anteil an der Wohnbevölkerung). Frauen töten selten und dann hauptsächlich Familienangehörige, während Männer häufiger auch gegenüber Bekannten und Fremden zu Tätern werden. Täter und Opfer gehören überwiegend dem gleichen sozialen Nahraum an; die Tötung ist das vielleicht persönlichste Verbrechen überhaupt. Nur in 12-20% der vollendeten Tötungen gab es keinerlei Vorbeziehungen zwischen Täter und Opfer – nur in 11% der Fälle weiblicher Täter.
Heiß ist es innerhalb der Familie. Sie ist der gefährlichste soziale Nahraum. Frauen und Mädchen sind besonders gefährdet. Bei 46% der weiblichen gegenüber 19% der männlichen Opfer kommen TäterInnen aus der Verwandtschaft. (Erhitzung des kleinfamiliären Binnenklimas.) Das höchste Risiko droht bis zu 10 Jahren von den Eltern, bis 30 Jahre von Bekannten, bis 50 Jahre vom Ehepartner, bis 60 Jahre von den eigenen Kindern, und danach wieder von Bekannten. Entsprechend ist der wesentlich Tatort die Wohnung, nicht die Straße. Tötungskriminalität ist „ganz überwiegend Männerkriminalität“ – der Anteil der Frauen beträgt 12-15% (bei über 50% Anteil an der Wohnbevölkerung). Frauen töten selten und dann hauptsächlich Familienangehörige, während Männer häufiger auch gegenüber Bekannten und Fremden zu Tätern werden. Täter und Opfer gehören überwiegend dem gleichen sozialen Nahraum an; die Tötung ist das vielleicht persönlichste Verbrechen überhaupt. Nur in 12-20% der vollendeten Tötungen gab es keinerlei Vorbeziehungen zwischen Täter und Opfer – nur in 11% der Fälle weiblicher Täter.


Zeile 541: Zeile 538:
*Ehre: [https://www.kuwi.europa-uni.de/de/lehrstuhl/vs/anthro/inhaber/publikationen/publikonline/gewaltehre.pdf Schiffauer, Werner (1983) Die Gewalt der Ehre. Erklärungen zu einem deutsch-türkischen Sexualkonflikt. Frankfurt a.M.: Suhrkamp (pdf)]
*Ehre: [https://www.kuwi.europa-uni.de/de/lehrstuhl/vs/anthro/inhaber/publikationen/publikonline/gewaltehre.pdf Schiffauer, Werner (1983) Die Gewalt der Ehre. Erklärungen zu einem deutsch-türkischen Sexualkonflikt. Frankfurt a.M.: Suhrkamp (pdf)]


=Krieg=
'''Krieg'''
#Waffen: atomare, biologische, chemische, herkömmliche
#Waffen: atomare, biologische, chemische, herkömmliche
#Akteure: Scharfschützen, Drohnenpiloten, ...
#Akteure: Scharfschützen, Drohnenpiloten, ...
Zeile 610: Zeile 607:
#[https://faszinationmensch.com/2012/05/27/daruber-wie-wir-unsere-menschlichen-totungsmaschinen-zuchten/ Collateral Murder - oder: Darüber, wie wir unsere menschlichen Tötungsmaschinen züchten..- Spiegel TV]
#[https://faszinationmensch.com/2012/05/27/daruber-wie-wir-unsere-menschlichen-totungsmaschinen-zuchten/ Collateral Murder - oder: Darüber, wie wir unsere menschlichen Tötungsmaschinen züchten..- Spiegel TV]


=Terrorismen=
'''Terrorismen'''
 
*Definition
*Definition
*Tötung von Terroristen
*Tötung von Terroristen
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Wenn man subnationalen Terrorismus wirklich bekämpfen will, gibt es dazu für die starken Staaten nur drei legitime und zudem gebotene Mittel: Aufgabe der Doppelmoal und Bekämpfung des Staatsterrorismus, von wem auch immer er ausgeht; gezielte Strafverfolgung ... und das endliche Einbeziehen der Ausgeschlossenen.
Wenn man subnationalen Terrorismus wirklich bekämpfen will, gibt es dazu für die starken Staaten nur drei legitime und zudem gebotene Mittel: Aufgabe der Doppelmoal und Bekämpfung des Staatsterrorismus, von wem auch immer er ausgeht; gezielte Strafverfolgung ... und das endliche Einbeziehen der Ausgeschlossenen.


*[http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gastbeitrag-auch-terroristen-haben-rechte-1635583.html, Ambos, Kai (FAZ 4.5.2011) Auch Terroristen haben Rechte]
*[http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gastbeitrag-auch-terroristen-haben-rechte-1635583.html, Ambos, Kai (FAZ 4.5.2011) Auch Terroristen haben Rechte]
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*[https://www.youtube.com/watch?v=HEbtxp9SsVs Tötung durch Terroristen: IS tötet Geiseln, YouTube]
*[https://www.youtube.com/watch?v=HEbtxp9SsVs Tötung durch Terroristen: IS tötet Geiseln, YouTube]


=Drohnen und Killer-Robots=
'''Drohnen und Killer-Robots
'''
Mit Drohnen wird im Krieg und in der präventiven und repressiven, bzw. punitiven Terrorismusbekämpfung getötet. Die Besonderheiten und der jüngste Bedeutungszuwachs der Drohnen lassen es sinnvoll erscheinen, dieser Art der Tötung einen eigenen Abschnitt zu widmen.  
Mit Drohnen wird im Krieg und in der präventiven und repressiven, bzw. punitiven Terrorismusbekämpfung getötet. Die Besonderheiten und der jüngste Bedeutungszuwachs der Drohnen lassen es sinnvoll erscheinen, dieser Art der Tötung einen eigenen Abschnitt zu widmen.  


Zeile 648: Zeile 644:
*Schirach, Ferdinand von (2015) Terror. Ein Theaterstück und eine Rede. München: Piper.
*Schirach, Ferdinand von (2015) Terror. Ein Theaterstück und eine Rede. München: Piper.


= Reaktionen auf Töten und Nicht-Töten =
'''Reaktionen auf Töten und Nicht-Töten
 
'''
Die Reaktionen auf Töten und Nicht-Töten sind meist gar nicht messbar. Das gilt für die Reaktionen von Menschen auf die Tötung von Pflanzen und Tieren, aber auch auf die Tötung von Menschen, soweit sie uns nur als kleine Nachrichten aus aller Welt erreichen. J.W. v. Goethe: "Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen/Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,/Wenn hinten, weit, in der Türkei,/Die Völker aufeinander schlagen./Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus/Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;/Dann kehrt man abends froh nach Haus,/Und segnet Fried und Friedenszeiten."
Die Reaktionen auf Töten und Nicht-Töten sind meist gar nicht messbar. Das gilt für die Reaktionen von Menschen auf die Tötung von Pflanzen und Tieren, aber auch auf die Tötung von Menschen, soweit sie uns nur als kleine Nachrichten aus aller Welt erreichen. J.W. v. Goethe: "Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen/Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,/Wenn hinten, weit, in der Türkei,/Die Völker aufeinander schlagen./Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus/Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;/Dann kehrt man abends froh nach Haus,/Und segnet Fried und Friedenszeiten."


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Die Königin Marie Antoinette wurde von seinem Sohn Henri enthauptet, der seinen Vater de facto seit 1793 vertrat, er selbst wohnte der Hinrichtung nur bei. Später folgten auf der Guillotine eine Reihe prominenter Revolutionäre wie Georges Danton, Camille Desmoulins, Maximilien de Robespierre oder Antoine de Saint-Just, deren Verurteilung Charles-Henri Sanson mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. -  
Die Königin Marie Antoinette wurde von seinem Sohn Henri enthauptet, der seinen Vater de facto seit 1793 vertrat, er selbst wohnte der Hinrichtung nur bei. Später folgten auf der Guillotine eine Reihe prominenter Revolutionäre wie Georges Danton, Camille Desmoulins, Maximilien de Robespierre oder Antoine de Saint-Just, deren Verurteilung Charles-Henri Sanson mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. -  
Charles-Henri Sanson war ein eifriger Befürworter des Vorschlags des Arztes Joseph-Ignace Guillotin, der einen simplen Mechanismus zum Köpfen für eine humanere Art der Hinrichtung hielt. Er argumentierte damit, dass der Henker nach mehreren abgeschlagenen Köpfen rasch ermüde, das Richtschwert sich abnütze und Anschaffungs- und Erhaltungskosten enorm seien. - Im April 1793 übergab er sein Amt de facto an seinen Sohn Henri Sanson (1767–1840), der es bis zu seinem Tode 1840 insgesamt 47 Jahre innehatte. Er war Revolutionssoldat (Sergent, dann Kapitän der Nationalgarde von Paris, später der Artillerie und Polizei der Tribunale) und Henker, guillotinierte u. a. Marie Antoinette und den Chefankläger Antoine Quentin Fouquier-Tinville (1795). Sein jüngerer Bruder Gabriel (1769–1792), seit 1790 Assistent seines Vaters Charles-Henri und Bruders Henri, war beim Zeigen eines abgeschlagenen Hauptes durch Sturz vom Gerüst zu Tode gekommen. Charles-Henri Sanson selbst starb am 4. Juli 1806 und liegt auf dem Friedhof im Stadtteil Montmartre begraben. Im Familiengrab liegen auch sein Sohn Henri Sanson, dessen Frau Marie-Louise Damidot, der Enkel Henri-Clément Sanson und dessen Frau Virginie-Emilie Lefébure. - Henri-Clément (Henry-Clément) war der sechste und letzte Henker in der Familie. Er übte das Amt seit 1830 als Assistent und offiziell von 1840 bis 1847 aus. Er vollzog 18 Hinrichtungen (darunter die von Pierre-François Lacenaire und Victor Avril 1836) und musste 1847 wegen seiner krankhaften Spielsucht seine Guillotine verpfänden. Als das bekannt wurde, kam er in Haft und musste den Behörden alles darlegen. Der französische Justizminister sah sich gezwungen, die Schulden seines Henkers zu bezahlen. Am 18. März 1847 wurde Henri-Clément Sanson seiner Amtspflichten entbunden. Damit endete die 159 Jahre lange Amtszeit der Familie Sanson als Henker von Paris.  
Charles-Henri Sanson war ein eifriger Befürworter des Vorschlags des Arztes Joseph-Ignace Guillotin, der einen simplen Mechanismus zum Köpfen für eine humanere Art der Hinrichtung hielt. Er argumentierte damit, dass der Henker nach mehreren abgeschlagenen Köpfen rasch ermüde, das Richtschwert sich abnütze und Anschaffungs- und Erhaltungskosten enorm seien. - Im April 1793 übergab er sein Amt de facto an seinen Sohn Henri Sanson (1767–1840), der es bis zu seinem Tode 1840 insgesamt 47 Jahre innehatte. Er war Revolutionssoldat (Sergent, dann Kapitän der Nationalgarde von Paris, später der Artillerie und Polizei der Tribunale) und Henker, guillotinierte u. a. Marie Antoinette und den Chefankläger Antoine Quentin Fouquier-Tinville (1795). Sein jüngerer Bruder Gabriel (1769–1792), seit 1790 Assistent seines Vaters Charles-Henri und Bruders Henri, war beim Zeigen eines abgeschlagenen Hauptes durch Sturz vom Gerüst zu Tode gekommen. Charles-Henri Sanson selbst starb am 4. Juli 1806 und liegt auf dem Friedhof im Stadtteil Montmartre begraben. Im Familiengrab liegen auch sein Sohn Henri Sanson, dessen Frau Marie-Louise Damidot, der Enkel Henri-Clément Sanson und dessen Frau Virginie-Emilie Lefébure. - Henri-Clément (Henry-Clément) war der sechste und letzte Henker in der Familie. Er übte das Amt seit 1830 als Assistent und offiziell von 1840 bis 1847 aus. Er vollzog 18 Hinrichtungen (darunter die von Pierre-François Lacenaire und Victor Avril 1836) und musste 1847 wegen seiner krankhaften Spielsucht seine Guillotine verpfänden. Als das bekannt wurde, kam er in Haft und musste den Behörden alles darlegen. Der französische Justizminister sah sich gezwungen, die Schulden seines Henkers zu bezahlen. Am 18. März 1847 wurde Henri-Clément Sanson seiner Amtspflichten entbunden. Damit endete die 159 Jahre lange Amtszeit der Familie Sanson als Henker von Paris.  


*[https://www.theguardian.com/world/2017/apr/10/arkansas-death-row-executions-april Arkansas (2017) Serienhinrichtungen wegen expiration date des Hinrichtungsmittels].
*[https://www.theguardian.com/world/2017/apr/10/arkansas-death-row-executions-april Arkansas (2017) Serienhinrichtungen wegen expiration date des Hinrichtungsmittels].
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*[https://www.youtube.com/watch?v=suqqO0AbK9A Tod in Texas (2011) Die Dokumentation von Werner Herzog auf YouTube 1:40:57]
*[https://www.youtube.com/watch?v=suqqO0AbK9A Tod in Texas (2011) Die Dokumentation von Werner Herzog auf YouTube 1:40:57]


= Ästhetik =
'''Ästhetik'''
 
*Der Widerstreit zwischen Ästhetik (Sinnlichkeit) und Ethik (Vernunft). Kant, Schiller.  
*Der Widerstreit zwischen Ästhetik (Sinnlichkeit) und Ethik (Vernunft). Kant, Schiller.  
*Die Ästhetik eines moralwidrigen Objekts. Das Morden als Objekt der schönen Künste. Thomas de Quincey. Der Mörder als schöner Mann betrachtet (Hegel). Der Verbrecher als Künstler.
*Die Ästhetik eines moralwidrigen Objekts. Das Morden als Objekt der schönen Künste. Thomas de Quincey. Der Mörder als schöner Mann betrachtet (Hegel). Der Verbrecher als Künstler.
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*[http://www.haz.de/Nachrichten/Kultur/Uebersicht/Drama-ueber-Massenmoerder-Breivik Christian Lollike (2012) Manifest 2083. Theaterstück über Breivik]
*[http://www.haz.de/Nachrichten/Kultur/Uebersicht/Drama-ueber-Massenmoerder-Breivik Christian Lollike (2012) Manifest 2083. Theaterstück über Breivik]


=Motive=
'''Motive'''
 
*Zwei Grundarten von Motiven: Um-Zu-Motive und Weil-Motive (Alfred Schütz).  "Rache" ist ein Um-Zu-Motiv, das aber noch nichts aussagt darüber, warum der Handelnde die Option "Rache" und nicht die Option "Versöhnung" wählt (er wählt es vielleicht, weil er den Religionsunterricht geschwänzt hatte - oder weil er einer Kultur angehört, in der Rache als ehrenhaft und Versöhnung als unehrenhaft gilt).
*Zwei Grundarten von Motiven: Um-Zu-Motive und Weil-Motive (Alfred Schütz).  "Rache" ist ein Um-Zu-Motiv, das aber noch nichts aussagt darüber, warum der Handelnde die Option "Rache" und nicht die Option "Versöhnung" wählt (er wählt es vielleicht, weil er den Religionsunterricht geschwänzt hatte - oder weil er einer Kultur angehört, in der Rache als ehrenhaft und Versöhnung als unehrenhaft gilt).


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*Steinert, Heinz/Treiber, Hubert (1974): Erziehungsziel Soldat. In: E. Klöss/H. Grossmann (1974) Unternehmen Bundeswehr. Zur Soziologie der Streitkräfte. Frankfurt a.M.: Fischer 103–122.
*Steinert, Heinz/Treiber, Hubert (1974): Erziehungsziel Soldat. In: E. Klöss/H. Grossmann (1974) Unternehmen Bundeswehr. Zur Soziologie der Streitkräfte. Frankfurt a.M.: Fischer 103–122.


=Ursachen =
'''Ursachen'''
==Individuelle Gewalt==
'''Individuelle Gewalt
'''
*[https://us.corwin.com/sites/default/files/upm-binaries/24081_Pages_272_273.pd Criminology: instrumental, mixed, reactive violence - and biological, socialization, cognitive, and situational factors]
*[https://us.corwin.com/sites/default/files/upm-binaries/24081_Pages_272_273.pd Criminology: instrumental, mixed, reactive violence - and biological, socialization, cognitive, and situational factors]
*Lerntheorien (Edwin H. Sutherland: differentielle Kontakte)
*Lerntheorien (Edwin H. Sutherland: differentielle Kontakte)
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*Zwei-Pfade-Theorie (Terrie Moffitt)
*Zwei-Pfade-Theorie (Terrie Moffitt)


== Kollektive Gewalt ==
'''Kollektive Gewalt
'''
Grundstrukturen der Gesellschaft: [http://evakreisky.at/2003-2004/staat-krieg/referat02_c.pdf Konkurrierende Ordnungsformen der Gewalt (Trutz v. Trotha)] Aus europäischer Perspektive gilt die konstitutionell-wohlfahrtsstaatliche Ordnung und die staatliche Gewalt-Begrenzung als normal. Doch selbst im Westen gibt es eine Bewegung in Richtung auf eine oligopolistisch-präventive Sicherheitsordnung, in der sich begüterte Akteure im Austausch gegen Geld und Freiheiten (wie z.B. das informationelle Selbstbestimmungsrecht) Schutz erkaufen können.
Grundstrukturen der Gesellschaft: [http://evakreisky.at/2003-2004/staat-krieg/referat02_c.pdf Konkurrierende Ordnungsformen der Gewalt (Trutz v. Trotha)] Aus europäischer Perspektive gilt die konstitutionell-wohlfahrtsstaatliche Ordnung und die staatliche Gewalt-Begrenzung als normal. Doch selbst im Westen gibt es eine Bewegung in Richtung auf eine oligopolistisch-präventive Sicherheitsordnung, in der sich begüterte Akteure im Austausch gegen Geld und Freiheiten (wie z.B. das informationelle Selbstbestimmungsrecht) Schutz erkaufen können.


Abgesehen davon gibt es die  
Abgesehen davon gibt es die  


(a) neo-despotische Ordnungsform (agrarische Gesellschaften, offene Gewalt gehört zum Alltag, Typ Somalia
(a) '''neo-despotische Ordnungsform''' (agrarische Gesellschaften, offene Gewalt gehört zum Alltag, Typ Somalia


(b) die parastaatliche Ordnungsform (Lateinamerika) mit ihrer starken Betonung von Militär und Polizei und selbständig agierenden Milizen
(b) '''parastaatliche''' Ordnungsform (Lateinamerika) mit ihrer starken Betonung von Militär und Polizei und selbständig agierenden Milizen


(c) die post-akephal-konstitutionelle Ordnungsform (Papua Neuguinea).
(c) '''post-akephal-konstitutionelle''' Ordnungsform (Papua Neuguinea).


#Makrosoziale Ursachen für die besondere Stellung der USA in Bezug auf Homizide. Randolph Roth (2009) charts changes in the character and incidence of homicide in the U.S. from colonial times to the present. Roth argues that the United States is distinctive in its level of violence among unrelated adults friends, acquaintances, and strangers. America was extraordinarily homicidal in the mid-seventeenth century, but it became relatively non-homicidal by the mid-eighteenth century, even in the slave South; and by the early nineteenth century, rates in the North and the mountain South were extremely low. But the homicide rate rose substantially among unrelated adults in the slave South after the American Revolution; and it skyrocketed across the United States from the late 1840s through the mid-1870s, while rates in most other Western nations held steady or fell. That surge—and all subsequent increases in the homicide rate—correlated closely with four distinct phenomena: political instability; a loss of government legitimacy; a loss of fellow-feeling among members of society caused by racial, religious, or political antagonism; and a loss of faith in the social hierarchy. Those four factors, Roth argues, best explain why homicide rates have gone up and down in the United States and in other Western nations over the past four centuries, and why the United States is today the most homicidal affluent nation. [http://www.hup.harvard.edu/catalog.php?isbn=9780674064119&content=reviews informative reviews].
#Makrosoziale Ursachen für die besondere Stellung der USA in Bezug auf Homizide. Randolph Roth (2009) charts changes in the character and incidence of homicide in the U.S. from colonial times to the present. Roth argues that the United States is distinctive in its level of violence among unrelated adults friends, acquaintances, and strangers. America was extraordinarily homicidal in the mid-seventeenth century, but it became relatively non-homicidal by the mid-eighteenth century, even in the slave South; and by the early nineteenth century, rates in the North and the mountain South were extremely low. But the homicide rate rose substantially among unrelated adults in the slave South after the American Revolution; and it skyrocketed across the United States from the late 1840s through the mid-1870s, while rates in most other Western nations held steady or fell. That surge—and all subsequent increases in the homicide rate—correlated closely with four distinct phenomena: political instability; a loss of government legitimacy; a loss of fellow-feeling among members of society caused by racial, religious, or political antagonism; and a loss of faith in the social hierarchy. Those four factors, Roth argues, best explain why homicide rates have gone up and down in the United States and in other Western nations over the past four centuries, and why the United States is today the most homicidal affluent nation. [http://www.hup.harvard.edu/catalog.php?isbn=9780674064119&content=reviews informative reviews].
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