Suchtkranke im Maßregelvollzug: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Schuldfähigkeit ===
=== Schuldfähigkeit ===
Die Schuldfähigkeit kann aufgrund einer psychischen Störung aufgehoben (§ 20 StGB) oder vermindert (§ 21 StGB) sein. Schuld stellt grundsätzlich die Zuschreibung von Verantwortung dar. Das Gericht lässt die Schuldfähigkeit von einem Sachverständigen prüfen, wenn im Hintergrund die Frage steht, ob der Mensch für seine Taten verantwortlich gemacht werden kann bzw. ob er aufgrund einer Krankheit rechtswidrige Taten begangen hat. Wird letzteres bejaht, ordnet der Richter im Rahmen des zweispurigen Strafsystems eine Unterbringung in den Maßregelvollzug zur Besserung (durch Behand-lung) und Sicherung (zum Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten) an (Volkart 2009). "In Hinsicht auf die Gewährleistung dieses staatlichen (Selbst-)Schutzauftrags ist die Existenz einer schuldunabhängigen, sozialethisch neutralen Sanktionsart unverzichtbar. Dessen Einbettung in das strafrechtliche Rechtsfolgeinstrumentarium begründet sich indes nur aus dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs mit einer Straftat" (Best 2007, 251).
Die Schuldfähigkeit kann aufgrund einer psychischen Störung aufgehoben (§ 20 StGB) oder vermindert (§ 21 StGB) sein. Schuld stellt grundsätzlich die Zuschreibung von Verantwortung dar. Das Gericht lässt die Schuldfähigkeit von einem Sachverständigen prüfen, wenn im Hintergrund die Frage steht, ob der Mensch für seine Taten verantwortlich gemacht werden kann bzw. ob er aufgrund einer Krankheit rechtswidrige Taten begangen hat. Wird letzteres bejaht, ordnet der Richter im Rahmen des zweispurigen Strafsystems eine Unterbringung in den Maßregelvollzug zur Besserung (durch Behandlung) und Sicherung (zum Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten) an (Volkart 2009). "In Hinsicht auf die Gewährleistung dieses staatlichen (Selbst-)Schutzauftrags ist die Existenz einer schuldunabhängigen, sozialethisch neutralen Sanktionsart unverzichtbar. Dessen Einbettung in das strafrechtliche Rechtsfolgeinstrumentarium begründet sich indes nur aus dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs mit einer Straftat" (Best 2007, 251).




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== Kriminologische Relevanz ==
== Kriminologische Relevanz ==
Zwischen Drogenabhängigkeit und Kriminalität ist ein Kausalzusammenhang wissenschaftlich nicht nachweisbar. Nach einer Studie von Wilms werden Drogenabhängigkeit und Kriminalität aus kriminologischer Sicht "als zwei voneinander unabhängige Ausdrucksformen eines devianten Lebensweges aufgefasst" (Hahn 2007). Aus psychiatrischer Sicht besteht ein Kausalzusammenhang zwischen Gewaltdelikten und Suchtmittelabhängigkeit. Dieser Zusammenhang treffe jedoch nur bei einer Minderheit der Patienten im Maßregelvollzug zu (Schalast 2000). In Bezug auf die Strafzurückstellungsregelung bei Suchtkranken mit Drogenabhängigkeit wäre es "aus motivationspsychologischer und therapeutischer Sicht sinnvoll, eine Zurückstellungsregelung auch für Suchtkranke mit Alkoholabhängigkeit in das Strafrecht einzuführen. Der Zwangsrahmen hat insgesamt eher ungünstige Auswirkungen auf das therapeutische Klima und Potential der Einrichtung, aber "für einzelne Patienten ist es sicher sinnvoll, daß sie eine Zeit mit äußerem Zwang in therapeutischen Bezügen gehalten werden". Insofern sollte die Maßregelbestimmung des § 64 StGB eher als eine "Kann-Vorschrift" gefasst werden, zumal "sich derart viele Täter mit Suchtproblemen in den Haftanstalten befinden, daß bei einer stringenten Anwendung der Bestimmungen des § 64 StGB das System an seine Grenzen käme" (ebd.).
Zwischen Drogenabhängigkeit und Kriminalität ist ein Kausalzusammenhang wissenschaftlich nicht nachweisbar. Nach einer Studie von Wilms (2005) werden Drogenabhängigkeit und Kriminalität aus kriminologischer Sicht "als zwei voneinander unabhängige Ausdrucksformen eines devianten Lebensweges aufgefasst" (zit. nach Hahn 2007). Aus psychiatrischer Sicht besteht ein Kausalzusammenhang zwischen Gewaltdelikten und Suchtmittelabhängigkeit. Dieser Zusammenhang treffe jedoch nur bei einer Minderheit der Patienten im Maßregelvollzug zu (Schalast 2000). In Bezug auf die Strafzurückstellungsregelung bei Suchtkranken mit Drogenabhängigkeit wäre es "aus motivationspsychologischer und therapeutischer Sicht sinnvoll, eine Zurückstellungsregelung auch für Suchtkranke mit Alkoholabhängigkeit in das Strafrecht einzuführen. Der Zwangsrahmen hat insgesamt eher ungünstige Auswirkungen auf das therapeutische Klima und Potential der Einrichtung, aber "für einzelne Patienten ist es sicher sinnvoll, daß sie eine Zeit mit äußerem Zwang in therapeutischen Bezügen gehalten werden". Insofern sollte die Maßregelbestimmung des § 64 StGB eher als eine "Kann-Vorschrift" gefasst werden, zumal "sich derart viele Täter mit Suchtproblemen in den Haftanstalten befinden, daß bei einer stringenten Anwendung der Bestimmungen des § 64 StGB das System an seine Grenzen käme" (ebd.).


== Literatur ==
== Literatur ==
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Ausgewählte Gesetze in Deutschland http://www.buzer.de (06.01.2010)
Ausgewählte Gesetze in Deutschland http://www.buzer.de (06.01.2010)


Hahn Gernod Rezension vom 12.05.2007 zu: Yvonne Wilms: Drogenabhängigkeit und Kriminalität http://www.socialnet.de/rezensionen/3933.php (24.02.2011)
Hahn Gernod Rezension vom 12.05.2007 zu: Yvonne Wilms (2005): Drogenabhängigkeit und Kriminalität. Eine kritische Analyse des § 64 StGB http://www.socialnet.de/rezensionen/3933.php (24.02.2011)


Leitlinie für die Behandlung nach § 64 StGB. Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen http://www.massregelvollzug.nrw.de/pdf/BLSucht.pdf  
Leitlinie für die Behandlung nach § 64 StGB. Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen http://www.massregelvollzug.nrw.de/pdf/BLSucht.pdf  
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