Suchtkranke im Maßregelvollzug: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Unterbringungsdelikte ===  
=== Unterbringungsdelikte ===  
Bei den Unterbringungsdelikten fallen Suchtkranke mit einer Alkoholabhängigkeit häufig mit Gewaltdelikten auf, Suchtkranke mit einer Drogenabhängigkeit vermehrt mit Raub und Eigentumsdelikten (Kemper 2009). Zu den wichtigsten harten Drogen zählen in der Polizeilichen Kriminalstatistik Heroin, Kokain, Amphetamin/ Methampetamin und LSD. "Seit 1981 werden die Fälle nach wichtigen Drogenarten gesondert ausgewiesen... Den größten Anteil, allerdings bei rückläufigen Fallzahlen, weisen die registrierten Cannabisfälle (148.667) auf. Eine geringe Zunahme ist bei den Fällen von Amphetamin/Methamphetamin und deren Derivate (einschl. Ecxtasy) (31.503) zu verzeichnen. Eine Abnahme ist bei den Heroin- (30.349) und Kokain-Fällen (20.127) festzustellen" (PKS Berichtsjahr 2006). Die Anzahl der Unterbringungen nach § 64 StGB ist seit 1970 kontinuierlich gestiegen (s. Statistisches Bundesamt 2009).   
Bei den Unterbringungsdelikten fallen Suchtkranke mit einer Alkoholabhängigkeit häufig mit Gewaltdelikten auf, Suchtkranke mit einer Drogenabhängigkeit vermehrt mit Raub und Eigentumsdelikten (Kemper 2008). Zu den wichtigsten harten Drogen zählen in der Polizeilichen Kriminalstatistik Heroin, Kokain, Amphetamin/ Methampetamin und LSD. "Seit 1981 werden die Fälle nach wichtigen Drogenarten gesondert ausgewiesen... Den größten Anteil, allerdings bei rückläufigen Fallzahlen, weisen die registrierten Cannabisfälle (148.667) auf. Eine geringe Zunahme ist bei den Fällen von Amphetamin/Methamphetamin und deren Derivate (einschl. Ecxtasy) (31.503) zu verzeichnen. Eine Abnahme ist bei den Heroin- (30.349) und Kokain-Fällen (20.127) festzustellen" (PKS Berichtsjahr 2006). Die Anzahl der Unterbringungen nach § 64 StGB ist seit 1970 kontinuierlich gestiegen (s. Statistisches Bundesamt 2009).   




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== Kriminologische Relevanz ==
== Kriminologische Relevanz ==
Zwischen Drogenabhängigkeit und Kriminalität ist ein Kausalzusammenhang wissenschaftlich nicht nachweisbar. Drogenabhängigkeit und Kriminalität werden aus kriminologischer Sicht "als zwei voneinander unabhängige Ausdrucksformen eines devianten Lebensweges aufgefasst", so dass Ergebnis einer Studie von Yvonne Wilms (Hahn 2007). Aus psychiatrischer Sicht besteht ein Kausalzusammenhang zwischen Gewaltdelikten und Suchtmittelabhängigkeit. Dieser Zusammenhang treffe jedoch nur bei einer Minderheit der Patienten im Maßregelvollzug zu (Schalast 2000). In Bezug auf die Strafzurückstellungsregelung bei Suchtkranken mit Drogenabhängigkeit wäre es "aus motivationspsychologischer und therapeutischer Sicht sinnvoll, eine Zurückstellungsregelung auch für Suchtkranke mit Alkoholabhängigkeit in das Strafrecht einzuführen. Der Zwangsrahmen hat insgesamt eher ungünstige Auswirkungen auf das therapeutische Klima und Potential der Einrichtung, aber "für einzelne Patienten ist es sicher sinnvoll, daß sie eine Zeit mit äußerem Zwang in therapeutischen Bezügen gehalten werden". Insofern sollte die Maßregelbestimmung des § 64 StGB eher als eine "Kann-Vorschrift" gefasst werden, zumal "sich derart viele Täter mit Suchtproblemen in den Haftanstalten befinden, daß bei einer stringenten Anwendung der Bestimmungen des § 64 StGB das System an seine Grenzen käme" (ebd.).
Zwischen Drogenabhängigkeit und Kriminalität ist ein Kausalzusammenhang wissenschaftlich nicht nachweisbar. Nach einer Studie von Wilms werden Drogenabhängigkeit und Kriminalität aus kriminologischer Sicht "als zwei voneinander unabhängige Ausdrucksformen eines devianten Lebensweges aufgefasst" (Hahn 2007). Aus psychiatrischer Sicht besteht ein Kausalzusammenhang zwischen Gewaltdelikten und Suchtmittelabhängigkeit. Dieser Zusammenhang treffe jedoch nur bei einer Minderheit der Patienten im Maßregelvollzug zu (Schalast 2000). In Bezug auf die Strafzurückstellungsregelung bei Suchtkranken mit Drogenabhängigkeit wäre es "aus motivationspsychologischer und therapeutischer Sicht sinnvoll, eine Zurückstellungsregelung auch für Suchtkranke mit Alkoholabhängigkeit in das Strafrecht einzuführen. Der Zwangsrahmen hat insgesamt eher ungünstige Auswirkungen auf das therapeutische Klima und Potential der Einrichtung, aber "für einzelne Patienten ist es sicher sinnvoll, daß sie eine Zeit mit äußerem Zwang in therapeutischen Bezügen gehalten werden". Insofern sollte die Maßregelbestimmung des § 64 StGB eher als eine "Kann-Vorschrift" gefasst werden, zumal "sich derart viele Täter mit Suchtproblemen in den Haftanstalten befinden, daß bei einer stringenten Anwendung der Bestimmungen des § 64 StGB das System an seine Grenzen käme" (ebd.).
 
== Literatur ==
Kemper Andrea (2008) Fehleinweisungen in die Entziehungsanstalt. Ergebnisse eines Forschungsprojekts zum Maßregelvollzug gem. § 64 StGB in NRW. R&P 26: (15-26)
 
Kemper Andrea (2009) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zwischen Fehleinweisung und Fehlkonstruktion. Analyse des § 64 StGB in der nordrhein-westfälischen Praxis. Dissertation. Universität Bremen
 
Best Dominik, Rössner Dieter (2007) Die Maßregeln der Besserung und Sicherung. In:  Kröber Hans-
Ludwig, Dölling Dieter, Leygraf Norbert, Sass Henning (Hrsg.): Handbuch der Forensischen Psychiatrie (250-269)
 
Hahn Gernot. Rezension v. 12.05.2007 zu: Yvonne Wilms: Drogenabhängigkeit und Kriminalität. Eine kritische Analyse des § 64 StGB unter kriminalwissenschaftlichen und verfassungsrechtlichen Aspekten. LIT Verlag 2005
 
Mokros Andreas (2010) Rückfallrisiko oder Freiheitsentzug? Der Preis der Freiheit und die Kosten der Sicherheit. In: Saimeh Nahlah (Hrsg.): Kriminalität als biografisches Scheitern. Forensik als Lebenshilfe? Forensik 2010. 25. Eickelborner Fachtagung zu Fragen der Forensischen Psychiatrie (73-83)
 
Schalast Norbert (2000) Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB: Motivation der Patienten, Behandlungserläufe und gesetzliche Rahmenbedingungen. In: Egg Rudolf, Geisler Claudius (Hrsg): Alkohol, Strafrecht und Kriminalität. Wiesbaden: Eigenverlag der Kriminologischen Zentralstelle (205-216)
 
Volkart Bernd, Grünebaum Rolf (2003), (2009) Maßregelvollzug: Das Recht der Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt.
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