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Strafvollzug in Deutschland
Strafvollzug in Deutschland


1.Strafvollzug
'''1.Strafvollzug'''
 
In Deutschland ist der Strafvollzug nach dem föderativen Prinzip aufgebaut d.h. sie obliegen den Landesjustizverwaltungen, dem Justizministerium. Dem können wiederum nach § 152 Abs.1 StVollzG die Aufsichtsbefugnis auf zentrale Justizvollzugsämter übertragen werden. Neben der Freiheitsstrafe, die unter den §§ 38 StGB festgehalten ist, fällt auch der Vollzug der Jugendstrafe nach §§ 17 f. JGG, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Maßregel) nach § 63 StGB, die Entziehungsanstalt nach den §§ 64 ff StGB, der Sicherungsverwahrung nach §§ 66 ff StGB sowie dem millitärischen Strafarrest nach § 9 WStG.  
In Deutschland ist der Strafvollzug nach dem föderativen Prinzip aufgebaut d.h. sie obliegen den Landesjustizverwaltungen, dem Justizministerium. Dem können wiederum nach § 152 Abs.1 StVollzG die Aufsichtsbefugnis auf zentrale Justizvollzugsämter übertragen werden. Neben der Freiheitsstrafe, die unter den §§ 38 StGB festgehalten ist, fällt auch der Vollzug der Jugendstrafe nach §§ 17 f. JGG, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Maßregel) nach § 63 StGB, die Entziehungsanstalt nach den §§ 64 ff StGB, der Sicherungsverwahrung nach §§ 66 ff StGB sowie dem millitärischen Strafarrest nach § 9 WStG.  
Die psychiatrischen Krankenhäuser als auch Entziehungsanstalten bei denen die Maßregel durchgeführt wird, sind keine Einrichtungen des Justizvollzuges, noch sind sie entsprechenden Justizverwaltungen unterstellt. Dennoch sind sie an die entsprechende strafrechtliche Aufgabenstellung gebunden, die im § 2 des StVollzG geregelt ist.
Die psychiatrischen Krankenhäuser als auch Entziehungsanstalten bei denen die Maßregel durchgeführt wird, sind keine Einrichtungen des Justizvollzuges, noch sind sie entsprechenden Justizverwaltungen unterstellt. Dennoch sind sie an die entsprechende strafrechtliche Aufgabenstellung gebunden, die im § 2 des StVollzG geregelt ist.




2.Definition
'''2.Definition'''
Unter Strafvollzug ist die gerichtliche Sanktion, hier der Freiheitsentzug in einer stationären Form zu verstehen, die eine strafrechtliche Reaktion auf kriminelles Verhalten aufweist und die Bürger in der staatlichen Gemeinschaft schützen soll.
Unter Strafvollzug ist die gerichtliche Sanktion, hier der Freiheitsentzug in einer stationären Form zu verstehen, die eine strafrechtliche Reaktion auf kriminelles Verhalten aufweist und die Bürger in der staatlichen Gemeinschaft schützen soll.
Durch die zwangsläufig verbundene Ausgliederung von Personen aus ihrem gewohnten Umfeld wird auch die Menschenwürde tangiert. Somit gilt die Freiheitsstrafe als Ultima ratio und findet ihren Einsatz nur in notwendigen Fällen sozialschädlichen Handelns.
Durch die zwangsläufig verbundene Ausgliederung von Personen aus ihrem gewohnten Umfeld wird auch die Menschenwürde tangiert. Somit gilt die Freiheitsstrafe als Ultima ratio und findet ihren Einsatz nur in notwendigen Fällen sozialschädlichen Handelns.




3.Historische Entwicklung
'''3.Historische Entwicklung'''
Strafe und Strafvollzug haben eine lange Geschichte. So findet man Frühformen der Strafe bereits in den Epochen des Altertums und des Mittelalters bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Die Freiheitsstrafe in ihrer modernen Ausprägung beginnt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit den Haftanstalten in England und Holland. Neben der Leitidee der vollkommenden Überwachung verlagerte sich im Zuge bürgerlicher Gesellschaft das Zentrum der Bestrafung vom Körper auf die Seele, so dass jegliche Nische und Freiraum aufgrund der Totalität zerstört wurde. Das Einsperren von Straftätern diente bis dato vorwiegend der bloßen Verwahrung der Inhaftierten für das Strafverfahren und der anschließenden Exekution von Leibes- oder Lebensstrafen.  
Strafe und Strafvollzug haben eine lange Geschichte. So findet man Frühformen der Strafe bereits in den Epochen des Altertums und des Mittelalters bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Die Freiheitsstrafe in ihrer modernen Ausprägung beginnt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit den Haftanstalten in England und Holland. Neben der Leitidee der vollkommenden Überwachung verlagerte sich im Zuge bürgerlicher Gesellschaft das Zentrum der Bestrafung vom Körper auf die Seele, so dass jegliche Nische und Freiraum aufgrund der Totalität zerstört wurde. Das Einsperren von Straftätern diente bis dato vorwiegend der bloßen Verwahrung der Inhaftierten für das Strafverfahren und der anschließenden Exekution von Leibes- oder Lebensstrafen.  
Ursache für die Entwicklung zum Besserungsvollzug war im wesentlichen die soziale, religiöse und wirtschaftliche Situation. So konnte die stetig wachsende Kleinkriminalität nicht ausschließlich durch Leibesstrafen begegnet werden.  
Ursache für die Entwicklung zum Besserungsvollzug war im wesentlichen die soziale, religiöse und wirtschaftliche Situation. So konnte die stetig wachsende Kleinkriminalität nicht ausschließlich durch Leibesstrafen begegnet werden.  
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Tabellarischer Überblick:
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4.Statistik
'''4.Statistik'''
Am 31. März 2010, waren laut des statistischen Bundesamtes in Deutschland 72.052 Personen inhaftiert, in welcher 10.941 der Untersuchungshaft , 6008 im Jugendstrafvollzug und 524 der Sicherungsverwahrung zugeordnet werden.  
Am 31. März 2010, waren laut des statistischen Bundesamtes in Deutschland 72.052 Personen inhaftiert, in welcher 10.941 der Untersuchungshaft , 6008 im Jugendstrafvollzug und 524 der Sicherungsverwahrung zugeordnet werden.  


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Abendessen: 2,73 Euro am Tag/ 82,00 Euro im Monat
Abendessen: 2,73 Euro am Tag/ 82,00 Euro im Monat


5.Vollzugsziel
'''5.Vollzugsziel'''
 
Die Vorbereitung und Befähigung der Inhaftierten zu einem Leben ohne Straftaten erfordern einen Lernprozess, der die Abkehr von straftatursächlichen Verhaltensweisen zu Gunsten sozial akzeptierter Handlungsweisen beinhaltet.
Die Vorbereitung und Befähigung der Inhaftierten zu einem Leben ohne Straftaten erfordern einen Lernprozess, der die Abkehr von straftatursächlichen Verhaltensweisen zu Gunsten sozial akzeptierter Handlungsweisen beinhaltet.
Daneben nennt § 2 Satz 2 StVollzG als weitere Aufgabe des Strafvollzuges den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Der hierin zum Ausdruck kommende Sicherungsgedanke wird in einer Vielzahl von speziellen Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes konkretisiert.  
Daneben nennt § 2 Satz 2 StVollzG als weitere Aufgabe des Strafvollzuges den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Der hierin zum Ausdruck kommende Sicherungsgedanke wird in einer Vielzahl von speziellen Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes konkretisiert.  
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'''6. Organisation des Strafvollzuges'''
 
 
 
6. Organisation des Strafvollzuges
 
Die Verwaltungshoheit obliegt den Ländern, so können Bundesländer gem. § StVollzG auch Vollzugsgemeinschaften bilden. Eine Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt wird gemäß § 139 StVollzG dann vollzogen, wenn deren sachliche und örtliche Zuständigkeit sich aus dem von der Landesjustizverwaltung aufgestellten Strafvollstreckungsplan ergibt. Neben den räumlich-örtlciehn Gesichtspunkten sind wesentliche Kritikpunkte für die Zuständigkeit der jeweiligen JVA die Gemeinschaftsfähigkeit des Inhaftierten als auch das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit. Der Inhaftierte hat die Möglichkeit den Rechtsweg über die §§ 458, 462 StPO zu gehen, wenn er gegen die Einweisung in eine bestimmte JVA ist.
Die Verwaltungshoheit obliegt den Ländern, so können Bundesländer gem. § StVollzG auch Vollzugsgemeinschaften bilden. Eine Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt wird gemäß § 139 StVollzG dann vollzogen, wenn deren sachliche und örtliche Zuständigkeit sich aus dem von der Landesjustizverwaltung aufgestellten Strafvollstreckungsplan ergibt. Neben den räumlich-örtlciehn Gesichtspunkten sind wesentliche Kritikpunkte für die Zuständigkeit der jeweiligen JVA die Gemeinschaftsfähigkeit des Inhaftierten als auch das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit. Der Inhaftierte hat die Möglichkeit den Rechtsweg über die §§ 458, 462 StPO zu gehen, wenn er gegen die Einweisung in eine bestimmte JVA ist.




7. Personalstruktur  
7'''. Personalstruktur'''
 
Die Regelung der Personalstruktur in der JVA ist in den §§ 154-165 StVollzG beschrieben. Wesentliche Aufgabe ist, dass Geschehen in der JVA vollzugsorientiert auszurichten. Das StVollzG enthält in § 154 I eine sog. Kooperationsklausel, in der alle im Vollzug tätigen gemeinsam bei der Aufgabenerfüllung mitarbeiten.
Die Regelung der Personalstruktur in der JVA ist in den §§ 154-165 StVollzG beschrieben. Wesentliche Aufgabe ist, dass Geschehen in der JVA vollzugsorientiert auszurichten. Das StVollzG enthält in § 154 I eine sog. Kooperationsklausel, in der alle im Vollzug tätigen gemeinsam bei der Aufgabenerfüllung mitarbeiten.


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8. Anstaltsformen
'''8. Anstaltsformen'''
 
 
Geschlossener Vollzug
Geschlossener Vollzug
Der geschlossene Vollzug hat nach § 141 Abs.2 StVollzG primär den Auftrag der Sicherung des Inhaftierten, so dass dieser mit einem erhöhten baulichen- und technischen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet ist. Im vergleich zum offenen Vollzug stellt der geschlossene Vollzug einen Freiheitsentzug in verschärfter Form dar, in der negative Spezialprävention durch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen und mehr Kontrollmechanismen überwiegt. Die Aufgabe des geschlossenen Vollzuges besteht darin, nach § 2 Abs. 2 StVollzG die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Inhaftierten zu schützen, so dass der Resozialisierungsauftrag laut § 2 Abs.1 StVollzG dem nachrangig ist.  Der geschlossene Vollzug hat dennoch einen Behandlungsauftrag zu erfüllen, um den Inhaftierten die Chance zu einer sozial verantwortllichen Lebensführung zu ermöglichen.  So werden neben individuellen therapeutischen Maßnahmen auch Aus- und Weiterbildungen sowie diverse Freizeitmangebote angeboten.
Der geschlossene Vollzug hat nach § 141 Abs.2 StVollzG primär den Auftrag der Sicherung des Inhaftierten, so dass dieser mit einem erhöhten baulichen- und technischen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet ist. Im vergleich zum offenen Vollzug stellt der geschlossene Vollzug einen Freiheitsentzug in verschärfter Form dar, in der negative Spezialprävention durch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen und mehr Kontrollmechanismen überwiegt. Die Aufgabe des geschlossenen Vollzuges besteht darin, nach § 2 Abs. 2 StVollzG die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Inhaftierten zu schützen, so dass der Resozialisierungsauftrag laut § 2 Abs.1 StVollzG dem nachrangig ist.  Der geschlossene Vollzug hat dennoch einen Behandlungsauftrag zu erfüllen, um den Inhaftierten die Chance zu einer sozial verantwortllichen Lebensführung zu ermöglichen.  So werden neben individuellen therapeutischen Maßnahmen auch Aus- und Weiterbildungen sowie diverse Freizeitmangebote angeboten.
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'''9. Kritik'''
9. Kritik
 
Für Inhaftierte stellt der Strafvollzug eine unüberschaubare, bürokratische Organisation dar. So wird beispielsweise ein Antrag auf vorzeitige Entlassung von Menschen bearbeitet, die dem Inhaftierten fern stehen und dann wiederum anderen Menschen zur Weiterbearbeitung und Entscheidung übersandt, die ihm noch ferner stehen. Darüber hinaus verfügt der Inhaftierte über wenig Autonomie oder Durchsetzungsmacht, die Ihm eine Entscheidung des Entscheidungsvorganges erlauben würde. Kritisch ist auch die Unterbringung eines Inhaftierten in einer Schlichtzelle/ Sicherheitszelle zu sehen. Sie stellen zwar formell keine Strafmaßnahme dar, kommen dennoch zur Anwendung, um Gewalt einzudämmen oder Bedrohungen abzuwehren, den Widerstand zu brechen oder Ruhe und Sicherheit in der Anstalt aufrechtzuerhalten. Jedoch ist allseits bekannt, so insbesondere auch unter den Inhaftierten, dass die Grenzziehung zwischen Benutzung der Schlichtzelle/ Sicherheitszelle als sog. Zwangsmittel in einer Notsituation und der Verwendung dieser als Sanktion diffus und unklar ist. Sie stellt in Wirklichkeit eine zusätzliche Strafe für einen Inhaftierten dar.  
Für Inhaftierte stellt der Strafvollzug eine unüberschaubare, bürokratische Organisation dar. So wird beispielsweise ein Antrag auf vorzeitige Entlassung von Menschen bearbeitet, die dem Inhaftierten fern stehen und dann wiederum anderen Menschen zur Weiterbearbeitung und Entscheidung übersandt, die ihm noch ferner stehen. Darüber hinaus verfügt der Inhaftierte über wenig Autonomie oder Durchsetzungsmacht, die Ihm eine Entscheidung des Entscheidungsvorganges erlauben würde. Kritisch ist auch die Unterbringung eines Inhaftierten in einer Schlichtzelle/ Sicherheitszelle zu sehen. Sie stellen zwar formell keine Strafmaßnahme dar, kommen dennoch zur Anwendung, um Gewalt einzudämmen oder Bedrohungen abzuwehren, den Widerstand zu brechen oder Ruhe und Sicherheit in der Anstalt aufrechtzuerhalten. Jedoch ist allseits bekannt, so insbesondere auch unter den Inhaftierten, dass die Grenzziehung zwischen Benutzung der Schlichtzelle/ Sicherheitszelle als sog. Zwangsmittel in einer Notsituation und der Verwendung dieser als Sanktion diffus und unklar ist. Sie stellt in Wirklichkeit eine zusätzliche Strafe für einen Inhaftierten dar.  


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