Ausgangslage: Der Strafvollzug gegen Ende der Weimarer Republik

Im Strafvollzug der Weimarer Republik gehörten die Leitenden Beamten durchweg zur national-konservativen Mittelschicht, die wenig Sympathien für die Republik hegte. Externe Reformanstöße von Wissenschaftlern (Freudenthal) und Politikern (Radbruch) kamen über beachtliche Ansätze - etwa in Thüringen (Frede, Bondy, Krebs) oder Hamburg (W. Hermann) und Sachsen - nicht hinaus. Radbruch war an den "Reichsratsgrundsätzen" (7.6.1923) beteiligt, mit denen die Rückfallverhütung und die Besserung der Straftäter zu Vollzugszielen erklärt wurden. Widerstand leisteten vor allem die Aufsichtsbeamten, die eien gründliche Überprüfung von Gefangenenbeschwerden als beleidigend empfanden. "Unterstützt wurden die reformfeindlichen Kräfte von der rechten Presse, die die Neuerungen heftig angriff und die an ihr beteiligten Anstalten als Hotesl mit angeschlossenem Vergnügungspark bezeichnete" (Rotthaus 2004: 350). Demgegenüber berichtete die linke Presse ausführlich über skandalöse Vorfälle. Durch die Wirtschaftskrise verschärfte sich der Gegensatz - und als die Nazis in Thüringen die Wahlen gewannen, "mussten Bondy und Krebs noch vor der Machtübernahme vom 30.1.1933 ihre Anstaltsleiterstellen räumen" (Rotthaus 2004: 350).


Normenstaat und Maßnahmenstaat

Reichsjustizminister Franz Gürtner (Dienstantritt im Kabinett v. Papen 1932; blieb bis zu seinem Tode 1941 in dieser Position) "bemühte sich darum, in seinem Ressort rechtsstaatliche Grundsätze zu erhalten, musste sich abe schon bald dem Druck der Nazis beugen (...) Ähnlich war es afu der Ebene der Anstaltsleiter. Nur wenige dieser Beamten waren Nazis (...) Sie begrüßten aber wegen ihrer konservativen Haltung die 'nationale Erhebung' udn setzten die Forderungen nach einem strengeren, en disziplinierten Strafvollzug widerspruchslos durch" (Rotthaus 2004: 350). Das für den NS-Staat von Ernst Fraenkel beschriebene Nebeneinander von Maßnahmen- und Normenstaat äußerte sich im Bereich des Strafvollzugs als Neben-, Gegen- und Ineinander von Polizei (Gestapo, Konzentrationslager) und Justiz (Justizvollzug, Gefängnisse). Das Verhältnis von Polizei und Justiz war durch Kooperation, Konflikte und Kompromisse geprägt.

1. Kooperation. Wenn in den Hafträumen der Polizei oder in den KZs kein Platz mehr war, öffneten sich die Gefängnisse für die Aufnahme von verhafteten politisch Verdächtigen. Höhepunkte waren 1933/34 und die Zeit nach den Pogromen ("Reichskristallnacht") von 1938. Die von der Polizei dort Untergebrachten wurden in den Anstalten als U-Häftlinge behandelt.

2. Konflikte. Die Justiz wehrte Versuche der Polizei ab, Einfluss auf die Behandlung der Betroffenen zu nehmen. Man beschwerte sich auch über Anmaßungen der Polizei.

3. Kompromisse. Erstens entließ man Häftlinge für Verhöre oft für einen Tag in die Gewalt der Vernehmungsbehörden. Die Justizbehörden protestierten gegen die Folterungen, von denen sie bei der Rückkehr der Häftlinge durch die Folterspuren erfuhren. Zweitens befolgten die Anstalten die Aufforderungen der Polizei, die bevorstehende Entlassung von politischen Gefangenen oder von Juden anzuzeigen: "Das führte nicht selten dazu, dass Gefangene bei der Entlassung von der Polizei verhaftet und in ein KZ eingeliefert wurden. In einem Teil der Fälle ging die Unterstützung noch weiter. Die Anstalten berichteten auf das Verlangen der Polizei über das Verhalten der politischen Gefangenen im Vollzug und schlossen nicht selten eine Prognose an, ob der Gefangene sich künftig unauffällig verhalten werde. Dabei sprachen sich Anstaltsleiter gelegentlich mit Nachdruck für eine anschließende polizeiliche Vorbeugehaft im KZ aus" (Rotthaus 2004: 351).

Literatur

  • Rotthaus, Karl Peter (2004) Hitlers Gefängnisse. ZfStrVo Heft 6: 349-353.
  • Wachsmann, Nikolaus (2004) Hitler's Prisons - Legal Terror in Nazi Germany. New Haven, London: Yale University Press.