Strafrechtsentwicklung: Unterschied zwischen den Versionen

Zeile 10: Zeile 10:
*Umfang und Inhalt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs folgen der Resozialisierungsdebatte nicht. Hier herrscht ein viel repressiveres Klima. Vom Besonderen Teil geht ein enormer Druck in Richtung auf ein Vergeltungs- und Bekämpfungsstrafrecht aus. Dahinter stehen Interessengruppen: "Es sollen immer neue Bestimmungen in den Besonderen Teil des StGB und in das Nebenstrafrecht aufgenommen werden" (S. 44).
*Umfang und Inhalt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs folgen der Resozialisierungsdebatte nicht. Hier herrscht ein viel repressiveres Klima. Vom Besonderen Teil geht ein enormer Druck in Richtung auf ein Vergeltungs- und Bekämpfungsstrafrecht aus. Dahinter stehen Interessengruppen: "Es sollen immer neue Bestimmungen in den Besonderen Teil des StGB und in das Nebenstrafrecht aufgenommen werden" (S. 44).
*Der Besondere Teil des Strafrechts wird zu einem wichtigen Faktor im moralisch-politischen Haushalt des Staates: "Und zwar, dies scheint der wichtige Unterschied zu früheren Jahrzehnten zu sein, stellt der Besondere Teil nicht fest, was ohnehin feststeht, sondern er entscheidet, worüber man geteilter Ansicht sein kann, er stellt das berühmte ethische Minimum nicht fest, sondern er schafft es erst" (S. 45).
*Der Besondere Teil des Strafrechts wird zu einem wichtigen Faktor im moralisch-politischen Haushalt des Staates: "Und zwar, dies scheint der wichtige Unterschied zu früheren Jahrzehnten zu sein, stellt der Besondere Teil nicht fest, was ohnehin feststeht, sondern er entscheidet, worüber man geteilter Ansicht sein kann, er stellt das berühmte ethische Minimum nicht fest, sondern er schafft es erst" (S. 45).
*Der Besondere Teil ist ein Instrument, vor dem keine individuelle oder kollektive Lebensäußerung mehr sicher ist. Er schützt die Privatsphäre, aber er dringt auch in sie ein.
*Zweiteilung des Strafrechts in ein gleichsam dem Alltags-Naturrecht entsprechendes Strafrecht zum Schutz von Individualrechtsgütern einerseits (feste Grenzen, relativ hohe Strafen) - und ein Strafrecht zum Schutz "großflächiger Rechtsgüter" andererseits, das durch ständig präsenten und flexibel einsetzbaren Druck zur Verhaltenssteuerung zu nahezu beliebigen Zwecken gekennzeichnet ist (Zweck-Zwangsrecht).  
*Zweiteilung des Strafrechts. Individualrechtsgüter werden expansiv geschützt. Hier gibt es feste Grenzen, ablesbar an relativ hohen Strafen und harten Maßregeln (Alltags-Naturrecht). Großflächige Rechtsgüter, bei denen das Strafrecht schnell veränderliche Bedürfnisse absichern und als ständige präsentes und sich ausweitendes Druckmittel wirklich Steuerungsfunktionen übernehmen soll (Zweck-Zwangsrecht). Die jüngere Richtung dehnt sich auch auf Kosten der älteren Richtung aus.  
*Die Bindung des Strafjuristen an das Gesetz nimmt ab. Der Gesetzgeber macht ungenaue Gesetze. Die Justiz wendet sie an. Mal so, mal so. Die Dogmatik verliert an Prestige, weil sie ihren Gegenstand verliert. Die Wissenschaft wendet sich der Gesetzgebung zu und der Praxis, trifft dabei aber, nachdem sie ihre eigentliche Aufgabe verloren hat, auf starke Konkurrenz. Man ist nicht mehr Kausalist oder Finalist, sondern fortschrittlich oder reaktionär.
*Die Bindung des Strafjuristen an das Gesetz nimmt ab. Der Gesetzgeber macht ungenaue Gesetze. Die Justiz wendet sie an. Mal so, mal so. Die Dogmatik verliert an Prestige, weil sie ihren Gegenstand verliert. Die Wissenschaft wendet sich der Gesetzgebung zu und der Praxis, trifft dabei aber, nachdem sie ihre eigentliche Aufgabe verloren hat, auf starke Konkurrenz. Man ist nicht mehr Kausalist oder Finalist, sondern fortschrittlich oder reaktionär.


Anonymer Benutzer