Strafe: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Strafe'''
'''Strafe'''


'''Etymologie'''
 
== '''Etymologie''' ==
Der Begriff ''Strafe'' bedeutet ´Tadel, Schelte, Sühne für ein begangenes Delikt, Züchtigung´. Mittelhochdeutsch: strãfe. Das Verb strafen (mhd. ''strãfen'') bedeutet ´mit tadelnden Worten zurechtweisen, schelten, züchtigen, mit Leibes- oder Geldstrafe belegen´, die Herkunft ist jedoch unbekannt. Das Verb erscheint um 1200 im Mittelhochdeutschen und löst das althochdeutsche ''refsen'' ´schelten, scharf tadeln, schlagen, strafen´ ab. Eine Beziehung zum altfriesischen ''straf(f)ia'' ´bestreiten, schelten´ bietet sich an, so dass das Verb auch aus dem Friesischen ins Hochdeutsche gelangt sein kann. Älter als die Verwendung im Sinne des körperlichen Züchtigens ist die des Scheltens und Tadelns mit Worten. (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Stichwort „strafen“, S. 1372)
Der Begriff ''Strafe'' bedeutet ´Tadel, Schelte, Sühne für ein begangenes Delikt, Züchtigung´. Mittelhochdeutsch: strãfe. Das Verb strafen (mhd. ''strãfen'') bedeutet ´mit tadelnden Worten zurechtweisen, schelten, züchtigen, mit Leibes- oder Geldstrafe belegen´, die Herkunft ist jedoch unbekannt. Das Verb erscheint um 1200 im Mittelhochdeutschen und löst das althochdeutsche ''refsen'' ´schelten, scharf tadeln, schlagen, strafen´ ab. Eine Beziehung zum altfriesischen ''straf(f)ia'' ´bestreiten, schelten´ bietet sich an, so dass das Verb auch aus dem Friesischen ins Hochdeutsche gelangt sein kann. Älter als die Verwendung im Sinne des körperlichen Züchtigens ist die des Scheltens und Tadelns mit Worten. (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Stichwort „strafen“, S. 1372)


'''Definitionen'''
 
== '''Definitionen''' ==
Allgemein wird Strafe definiert als ein Übel, das jemand einem anderen mit Absicht zufügt, weil dieser eine missbilligte Handlung begangen hat. Das Ziel des Strafens besteht hier darin, die Wahrscheinlichkeit künftiger missbilligter Handlungen herabzusetzen. (Brockhaus-Enzyklopädie, Stichwort „Strafe“, S. 268)
Allgemein wird Strafe definiert als ein Übel, das jemand einem anderen mit Absicht zufügt, weil dieser eine missbilligte Handlung begangen hat. Das Ziel des Strafens besteht hier darin, die Wahrscheinlichkeit künftiger missbilligter Handlungen herabzusetzen. (Brockhaus-Enzyklopädie, Stichwort „Strafe“, S. 268)
In der Erziehung (''Pädagogik'' und ''Psychologie'') sollen Strafen zur Unterdrückung von Verhaltensweisen und Einstellungen dienen, die mit dem Erziehungsziel nicht übereinstimmen (Brockhaus-Enzyklopädie, Stichwort „Strafe“, S. 268). Sie stellen somit ''negative Sanktionen'' dar, im Gegensatz zu ''positiven Sanktionen'' wie Belohnungen (s. dazu auch Kerner in: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, Stichwort „Sanktionen“, S. 438f.). Strafen sind als Erziehungsmittel jedoch umstritten, da ihre Wirkung nicht sicher ist, sie andererseits aber eine bloße Scheinanpassung, Angst, Hass und Trotzhaltungen hervorrufen, sowie die Selbstachtung und das Selbstgefühl verletzen und dauerhaft schädigen können. Die Psychologie steht dem Strafen heute meist ablehnend gegenüber, insbesondere wird die körperliche Züchtigung scharf kritisiert (Brockhaus-Enzyklopädie, Stichwort „Strafe“, S. 268).
In der Erziehung (''Pädagogik'' und ''Psychologie'') sollen Strafen zur Unterdrückung von Verhaltensweisen und Einstellungen dienen, die mit dem Erziehungsziel nicht übereinstimmen (Brockhaus-Enzyklopädie, Stichwort „Strafe“, S. 268). Sie stellen somit ''negative Sanktionen'' dar, im Gegensatz zu ''positiven Sanktionen'' wie Belohnungen (s. dazu auch Kerner in: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, Stichwort „Sanktionen“, S. 438f.). Strafen sind als Erziehungsmittel jedoch umstritten, da ihre Wirkung nicht sicher ist, sie andererseits aber eine bloße Scheinanpassung, Angst, Hass und Trotzhaltungen hervorrufen, sowie die Selbstachtung und das Selbstgefühl verletzen und dauerhaft schädigen können. Die Psychologie steht dem Strafen heute meist ablehnend gegenüber, insbesondere wird die körperliche Züchtigung scharf kritisiert (Brockhaus-Enzyklopädie, Stichwort „Strafe“, S. 268).
''Juristisch'' wird die Strafe als eine durch Strafgesetz für eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung angedrohte Rechtsfolge definiert. (Kriminal-)strafe wird hier verstanden als eine absichtliche Übelzufügung durch staatliche Organe als Reaktion auf „kriminelle“ Taten. (vgl. Ostendorf, S. 14)
''Juristisch'' wird die Strafe als eine durch Strafgesetz für eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung angedrohte Rechtsfolge definiert. (Kriminal-)strafe wird hier verstanden als eine absichtliche Übelzufügung durch staatliche Organe als Reaktion auf „kriminelle“ Taten. (vgl. Ostendorf, S. 14)


'''Vergangenheit'''
 
== '''Vergangenheit''' ==
Im Altertum wurde auf ein Verbrechen mit der Zufügung eines gleichwertigen Übels reagiert. (auch als sog. „Spiegelstrafen“ bezeichnet. Bsp.: einem Dieb wurde die Hand abgehackt) Diese primitive Form der Reaktion auf Kriminalität nach dem Vergeltungs- oder Talionsprinzip (Ausgleichsgedanke) findet sich beispielsweise in dem alttestamentarischen Zitat „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Fünftes Buch Moses 19, 21). Insbesondere bei Tötungsdelikten spielte jedoch das Vergeltungsstreben durch Blutrache gegenüber dem Talionsprinzip die größere Rolle. Die Frühzeit der Strafe wurde durch den Rachegedanken mitbestimmt. Dabei ist aber zu beachten, dass die Rache im eigentlichen Sinne nur die Beziehungen zwischen einzelnen Sippen beherrschte und einen fließenden Übergang zwischen Strafe und Wiedergutmachung darstellte. Mit dem Zerfall der Sippenverbände und der Herausbildung eines Staatssystems veränderte sich der Ausgleichscharakter der Strafsanktionen. Die Trennung von Zivil- und Strafrecht setzte sich mehr und mehr durch, die Verletzten mussten ihre privaten Schadensersatzansprüche zunehmend selbst durchsetzen, wobei die obrigkeitliche Strafe noch lange Zeit durch Bußzahlungen abgewendet werden konnte. Die Strafen wurden somit zu einer Einnahmequelle der Könige und Landesherren. Im Mittelalter wurde die Strafgewalt stärker institutionalisiert und ausgebaut; die Geldstrafen entwickelten sich zunehmend zu Leibesstrafen, zumal die Verbrecher aus den unteren Klassen die Geldstrafe nicht zahlen konnten. Als die immer wieder verkündeten Landfrieden – Ausschluss von Fehden (eine Art Privatkrieg, um begangenes Unrecht zu sühnen) für bestimmte gottgeweihte Bezirke – und selbst der ewige Landfrieden von 1495 nicht gehalten wurden, entstanden die ersten staatlichen Strafgesetze. Das bedeutsamste Strafgesetz war die 1532 erlassene „Peinliche Gerichtsordnung“ (Carolina genannt). Die hier bestimmten Strafen waren auf Schmerzen und Pein ausgerichtet, wie z.B. die Prügelstrafe, Verstümmelungen, Rädern, Pfählen, Ertränken, öffentliche Zurschaustellung am Pranger und Teeren und Federn. Erst im 16. und 17. Jahrhundert entwickelten sich von England und Holland ausgehend die modernen Freiheitsstrafen. Im Zuge dessen traten zunächst die verstümmelnden Leibesstrafen, dann die verschärften Todesstrafen (Schleifen, Rädern, etc.) und schließlich die körperliche Züchtigung aus dem Strafensystem zurück. Dennoch wurden die verschärften Todesstrafen in Deutschland z.T. noch bis etwa zur Mitte des 19. Jhd ausgesprochen, wobei später dem Scharfrichter häufig angeordnet wurde, die Delinquenten bereits vor der Durchführung auf eine den Zuschauern unmerkliche Art zu erdrosseln. (vgl. bei Ostendorf, S. 34f., mwN)
Im Altertum wurde auf ein Verbrechen mit der Zufügung eines gleichwertigen Übels reagiert. (auch als sog. „Spiegelstrafen“ bezeichnet. Bsp.: einem Dieb wurde die Hand abgehackt) Diese primitive Form der Reaktion auf Kriminalität nach dem Vergeltungs- oder Talionsprinzip (Ausgleichsgedanke) findet sich beispielsweise in dem alttestamentarischen Zitat „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Fünftes Buch Moses 19, 21). Insbesondere bei Tötungsdelikten spielte jedoch das Vergeltungsstreben durch Blutrache gegenüber dem Talionsprinzip die größere Rolle. Die Frühzeit der Strafe wurde durch den Rachegedanken mitbestimmt. Dabei ist aber zu beachten, dass die Rache im eigentlichen Sinne nur die Beziehungen zwischen einzelnen Sippen beherrschte und einen fließenden Übergang zwischen Strafe und Wiedergutmachung darstellte. Mit dem Zerfall der Sippenverbände und der Herausbildung eines Staatssystems veränderte sich der Ausgleichscharakter der Strafsanktionen. Die Trennung von Zivil- und Strafrecht setzte sich mehr und mehr durch, die Verletzten mussten ihre privaten Schadensersatzansprüche zunehmend selbst durchsetzen, wobei die obrigkeitliche Strafe noch lange Zeit durch Bußzahlungen abgewendet werden konnte. Die Strafen wurden somit zu einer Einnahmequelle der Könige und Landesherren. Im Mittelalter wurde die Strafgewalt stärker institutionalisiert und ausgebaut; die Geldstrafen entwickelten sich zunehmend zu Leibesstrafen, zumal die Verbrecher aus den unteren Klassen die Geldstrafe nicht zahlen konnten. Als die immer wieder verkündeten Landfrieden – Ausschluss von Fehden (eine Art Privatkrieg, um begangenes Unrecht zu sühnen) für bestimmte gottgeweihte Bezirke – und selbst der ewige Landfrieden von 1495 nicht gehalten wurden, entstanden die ersten staatlichen Strafgesetze. Das bedeutsamste Strafgesetz war die 1532 erlassene „Peinliche Gerichtsordnung“ (Carolina genannt). Die hier bestimmten Strafen waren auf Schmerzen und Pein ausgerichtet, wie z.B. die Prügelstrafe, Verstümmelungen, Rädern, Pfählen, Ertränken, öffentliche Zurschaustellung am Pranger und Teeren und Federn. Erst im 16. und 17. Jahrhundert entwickelten sich von England und Holland ausgehend die modernen Freiheitsstrafen. Im Zuge dessen traten zunächst die verstümmelnden Leibesstrafen, dann die verschärften Todesstrafen (Schleifen, Rädern, etc.) und schließlich die körperliche Züchtigung aus dem Strafensystem zurück. Dennoch wurden die verschärften Todesstrafen in Deutschland z.T. noch bis etwa zur Mitte des 19. Jhd ausgesprochen, wobei später dem Scharfrichter häufig angeordnet wurde, die Delinquenten bereits vor der Durchführung auf eine den Zuschauern unmerkliche Art zu erdrosseln. (vgl. bei Ostendorf, S. 34f., mwN)


'''Strafe heute'''
 
== '''Strafe heute''' ==
Eine (Kriminal-)Strafe darf ausschließlich vom Staat durch richterliches Urteil oder richterlichen Strafbefehl wegen einer Straftat verhängt werden. (Staatliches Strafmonopol seit der Carolina -> Offizialmaxime – Selbstjustiz durch Bürger sollte damit ausgeschlossen werden.)
Eine (Kriminal-)Strafe darf ausschließlich vom Staat durch richterliches Urteil oder richterlichen Strafbefehl wegen einer Straftat verhängt werden. (Staatliches Strafmonopol seit der Carolina -> Offizialmaxime – Selbstjustiz durch Bürger sollte damit ausgeschlossen werden.)
Durch den Grundgesetzgeber in Deutschland endgültig abgeschafft wurde die Todesstrafe durch Art. 102 GG als Reaktion auf die Justizmorde in der NS-Diktatur. In Abhängigkeit von Verbrechenszu- oder -abnahmen und ihrer jeweiligen publizistischen Vermarktung wechselt jedoch auch heute noch die Anzahl der Anhänger einer Todesstrafe. Körperstrafen sind in Deutschland verboten, explizit erfolgt dieses Gebot aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. (vgl. Ostendorf, S. 35)
Durch den Grundgesetzgeber in Deutschland endgültig abgeschafft wurde die Todesstrafe durch Art. 102 GG als Reaktion auf die Justizmorde in der NS-Diktatur. In Abhängigkeit von Verbrechenszu- oder -abnahmen und ihrer jeweiligen publizistischen Vermarktung wechselt jedoch auch heute noch die Anzahl der Anhänger einer Todesstrafe. Körperstrafen sind in Deutschland verboten, explizit erfolgt dieses Gebot aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. (vgl. Ostendorf, S. 35)
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In Fällen, in denen die Folgen einer Tat den Täter selbst so schwer getroffen haben, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre, besteht für das Gericht die Möglichkeit eines '''Strafverzichts''' (§ 60 StGB), sofern die verwirkte Freiheitsstrafe nicht mehr als ein Jahr betragen hätte. (Ostendorf, S. 37.)
In Fällen, in denen die Folgen einer Tat den Täter selbst so schwer getroffen haben, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre, besteht für das Gericht die Möglichkeit eines '''Strafverzichts''' (§ 60 StGB), sofern die verwirkte Freiheitsstrafe nicht mehr als ein Jahr betragen hätte. (Ostendorf, S. 37.)


'''Straf(zweck)theorien'''
 
== '''Straf(zweck)theorien''' ==
 
Von besonderer kriminologischer Relevanz ist die Frage nach dem Sinn und Zweck des Strafens. Seit Jahrhunderten wird nach einer Antwort gesucht, höchst umstritten bleiben die Überlegungen dazu jedoch bis heute. Im Folgenden seien kurz die Haupttendenzen der anhaltenden Diskussion aufgezeigt:
Von besonderer kriminologischer Relevanz ist die Frage nach dem Sinn und Zweck des Strafens. Seit Jahrhunderten wird nach einer Antwort gesucht, höchst umstritten bleiben die Überlegungen dazu jedoch bis heute. Im Folgenden seien kurz die Haupttendenzen der anhaltenden Diskussion aufgezeigt:
Nach der '''absoluten Straftheorie''' kann Strafe nur um des reinen Strafens willen verhängt werden, sie erfolgt also zweckfrei. Ihr wichtigster Vertreter, Immanuel Kant (1724-1804), formulierte dies so: ''„Richterliche Strafe (...) muß jederzeit nur darum wider ihn (den Verbrecher) verhängt werden, weil er verbrochen hat.“'' Nach dieser Auffassung bedeutet Strafe nicht mehr die Befriedigung persönlicher Rache- oder Genugtuungsbedürfnisse, sondern dient der Verwirklichung von Gerechtigkeit. Strafe muss allein zur Wiederherstellung des Rechts, zur Aufhebung der verbrecherischen Störung der Rechtsordnung verhängt werden, indem sie dem Gesetz Genugtuung verschafft. So meint auch Hegel, dass die Weltordnung als solche nach Strafe verlange, sie sei Vergeltung von Übel mit Übel. (vgl. bei Benda, S. 23 f., hier auch zur (verfassungsrechtlichen) Kritik an dieser Theorie; vgl. auch Schmidhäuser, S. 18 ff., ausführliche Kritik zu dieser Theorie S. 43 ff.; Kritik auch bei Meier, S. 20f.)
Nach der '''absoluten Straftheorie''' kann Strafe nur um des reinen Strafens willen verhängt werden, sie erfolgt also zweckfrei. Ihr wichtigster Vertreter, Immanuel Kant (1724-1804), formulierte dies so: ''„Richterliche Strafe (...) muß jederzeit nur darum wider ihn (den Verbrecher) verhängt werden, weil er verbrochen hat.“'' Nach dieser Auffassung bedeutet Strafe nicht mehr die Befriedigung persönlicher Rache- oder Genugtuungsbedürfnisse, sondern dient der Verwirklichung von Gerechtigkeit. Strafe muss allein zur Wiederherstellung des Rechts, zur Aufhebung der verbrecherischen Störung der Rechtsordnung verhängt werden, indem sie dem Gesetz Genugtuung verschafft. So meint auch Hegel, dass die Weltordnung als solche nach Strafe verlange, sie sei Vergeltung von Übel mit Übel. (vgl. bei Benda, S. 23 f., hier auch zur (verfassungsrechtlichen) Kritik an dieser Theorie; vgl. auch Schmidhäuser, S. 18 ff., ausführliche Kritik zu dieser Theorie S. 43 ff.; Kritik auch bei Meier, S. 20f.)
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Nach heute herrschender Auffassung ist der straftheoretische Rigorismus Kants überwunden, Strafe darf kein Selbstzweck sein und findet ihre Legitimation in der Zweckhaftigkeit für die Zukunft '''(Vereinigungstheorie).''' Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21.06.1977 ist oberstes Ziel des Strafens ''„die Gesellschaft vor sozialschädlichem Verhalten zu bewahren und die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen.“'' Welche Zwecke der Strafe innerhalb der Vereinigungstheorie vorherrschend sein sollen ist nach wie vor umstritten. Nach der erwähnten BVerfG-Entscheidung haben Strafrecht und Rechtsprechung der deutschen Gerichte weitgehend der Vereinigungstheorie zu folgen, welche ''„versucht, sämtliche Strafzwecke in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen. Dies hält sich im Rahmen der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zukommenden Gestaltungsfreiheit, einzelne Strafzwecke anzuerkennen, sie gegeneinander abzuwägen und miteinander abzustimmen. Es (das BVerfG) hat als allgemeine Aufgabe des Strafrechts bezeichnet, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht werden als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion bezeichnet.“'' (vgl. Meier, S. 33 f.; vgl. auch Schmidhäuser, S. 28)
Nach heute herrschender Auffassung ist der straftheoretische Rigorismus Kants überwunden, Strafe darf kein Selbstzweck sein und findet ihre Legitimation in der Zweckhaftigkeit für die Zukunft '''(Vereinigungstheorie).''' Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21.06.1977 ist oberstes Ziel des Strafens ''„die Gesellschaft vor sozialschädlichem Verhalten zu bewahren und die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen.“'' Welche Zwecke der Strafe innerhalb der Vereinigungstheorie vorherrschend sein sollen ist nach wie vor umstritten. Nach der erwähnten BVerfG-Entscheidung haben Strafrecht und Rechtsprechung der deutschen Gerichte weitgehend der Vereinigungstheorie zu folgen, welche ''„versucht, sämtliche Strafzwecke in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen. Dies hält sich im Rahmen der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zukommenden Gestaltungsfreiheit, einzelne Strafzwecke anzuerkennen, sie gegeneinander abzuwägen und miteinander abzustimmen. Es (das BVerfG) hat als allgemeine Aufgabe des Strafrechts bezeichnet, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht werden als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion bezeichnet.“'' (vgl. Meier, S. 33 f.; vgl. auch Schmidhäuser, S. 28)


'''Kriminologische Relevanz'''
 
== '''Kriminologische Relevanz''' ==
Der Themenbereich Strafe ist Untersuchungsgegenstand der unterschiedlichsten Disziplinen. So befassen sich die Sozial-, die Rechts- und die Erziehungswissenschaften, die Theologie, die Psychologie und insbesondere die Philosophie mit Fragen nach Herkunft und Sinn und Zweck von Strafe, um nur einige der Disziplinen und Fragestellungen zu nennen. Kriminologie bezieht diese Disziplinen mit ein und fragt weiter, wie „sinnvoll“ die bestehenden Theorien vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse sind, sie forscht, kritisiert und zweifelt an, sucht Erklärungen und neue Wege für den Umgang mit abweichendem Verhalten.  
Der Themenbereich Strafe ist Untersuchungsgegenstand der unterschiedlichsten Disziplinen. So befassen sich die Sozial-, die Rechts- und die Erziehungswissenschaften, die Theologie, die Psychologie und insbesondere die Philosophie mit Fragen nach Herkunft und Sinn und Zweck von Strafe, um nur einige der Disziplinen und Fragestellungen zu nennen. Kriminologie bezieht diese Disziplinen mit ein und fragt weiter, wie „sinnvoll“ die bestehenden Theorien vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse sind, sie forscht, kritisiert und zweifelt an, sucht Erklärungen und neue Wege für den Umgang mit abweichendem Verhalten.  
Die (sozialwissenschaftliche) Kriminologie beschäftigt sich mit der Strafe als der härtesten Reaktion (sie berührt in jedem Falle die Grundrechtssphäre - vgl. Benda, S. 17) die dem Staat für eine Kontrolle und Reglementierung abweichenden, bzw. unerwünschten Sozialverhaltens zur Verfügung steht, sowohl auf theoretischer Ebene durch Theorienbildung und –kritik, als auch durch empirische Forschung zur personalen und sozialen Wirklichkeit von Verbrechen und Strafe (vgl. Kerner in: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, Stichwort „Sanktionen“, S. 439). Sie setzt sich intensiv mit den oben bereits erwähnten Strafzwecktheorien auseinander, viel mehr aber noch sucht sie durch qualitative und quantitative Forschungen nach empirischen Erkenntnissen zur Strafe, deren Sinngehalt, Effektivität und vor allem Folgen für Täter, Opfer und Gesellschaft. Sie sucht dabei diziplinübergreifend nach Ursprüngen und der Entwicklung von Kriminalität sowohl makro-, als auch mikroperspektivisch.
Die (sozialwissenschaftliche) Kriminologie beschäftigt sich mit der Strafe als der härtesten Reaktion (sie berührt in jedem Falle die Grundrechtssphäre - vgl. Benda, S. 17) die dem Staat für eine Kontrolle und Reglementierung abweichenden, bzw. unerwünschten Sozialverhaltens zur Verfügung steht, sowohl auf theoretischer Ebene durch Theorienbildung und –kritik, als auch durch empirische Forschung zur personalen und sozialen Wirklichkeit von Verbrechen und Strafe (vgl. Kerner in: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, Stichwort „Sanktionen“, S. 439). Sie setzt sich intensiv mit den oben bereits erwähnten Strafzwecktheorien auseinander, viel mehr aber noch sucht sie durch qualitative und quantitative Forschungen nach empirischen Erkenntnissen zur Strafe, deren Sinngehalt, Effektivität und vor allem Folgen für Täter, Opfer und Gesellschaft. Sie sucht dabei diziplinübergreifend nach Ursprüngen und der Entwicklung von Kriminalität sowohl makro-, als auch mikroperspektivisch.
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Ferner ist zu bedenken, dass es Strafe als einheitliche Erscheinung, losgelöst von Zeit und Raum, von Institution und sozialer Wirklichkeit, nicht gibt. Vielmehr ist sie in ein konkretes Umfeld, in soziale Beziehungen, bestimmte Situationen und Strafsysteme eingebunden. Daher eröffnet die Pönologie, die sich der Strafwirklichkeit zuwendet, neben der herkömmlichen Theorie der Strafe (...) einen weiteren Zugang zur Theorie der Verbrechenskontrolle. Es handelt sich hierbei um den empirisch einlösbaren Ansatz zu den Strafzwecken, insbesondere zu den messbaren Wirkungen, die sich mit Individual- und Generalprävention sowie ganz konkret mit den Erfolgen einzelner Kriminalsanktionen verknüpfen.“'' (Kaiser, S. 70f.)  
Ferner ist zu bedenken, dass es Strafe als einheitliche Erscheinung, losgelöst von Zeit und Raum, von Institution und sozialer Wirklichkeit, nicht gibt. Vielmehr ist sie in ein konkretes Umfeld, in soziale Beziehungen, bestimmte Situationen und Strafsysteme eingebunden. Daher eröffnet die Pönologie, die sich der Strafwirklichkeit zuwendet, neben der herkömmlichen Theorie der Strafe (...) einen weiteren Zugang zur Theorie der Verbrechenskontrolle. Es handelt sich hierbei um den empirisch einlösbaren Ansatz zu den Strafzwecken, insbesondere zu den messbaren Wirkungen, die sich mit Individual- und Generalprävention sowie ganz konkret mit den Erfolgen einzelner Kriminalsanktionen verknüpfen.“'' (Kaiser, S. 70f.)  


'''Literatur'''
 
== '''Literatur''' ==


Benda, Ernst; Vom Sinn menschlichen Strafens, in: Gareis, Balthasar; Wiesnet, Eugen (Hrsg.), Hat Strafe Sinn?, Freiburg, Basel, Wien 1974, S. 16ff..
Benda, Ernst; Vom Sinn menschlichen Strafens, in: Gareis, Balthasar; Wiesnet, Eugen (Hrsg.), Hat Strafe Sinn?, Freiburg, Basel, Wien 1974, S. 16ff..
Anonymer Benutzer