Sterbehilfe: Unterschied zwischen den Versionen

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Derzeit ist die Sterbehilfe in keinem einheitlichen Gesetzestext geregelt, vielmehr werden je nach Sachverhalt unterschiedliche Paragraphen des Strafgesetzbuches wirksam. Gegenüber dieser Rechtsunsicherheit gelten als Orientierungsrahmen sowohl Rechtsprechungen von Oberlandesgerichten oder dem Bundesgerichtshofs bei Einzelfallentscheidungen der letzten Jahre als auch die Grundsätze der Bundesärztekammer.
Derzeit ist die Sterbehilfe in keinem einheitlichen Gesetzestext geregelt, vielmehr werden je nach Sachverhalt unterschiedliche Paragraphen des Strafgesetzbuches wirksam. Gegenüber dieser Rechtsunsicherheit gelten als Orientierungsrahmen sowohl Rechtsprechungen von Oberlandesgerichten oder dem Bundesgerichtshofs bei Einzelfallentscheidungen der letzten Jahre als auch die Grundsätze der Bundesärztekammer.
==='''Gesetze'''===
==='''Gesetze'''===
Die Rechtmäßigkeit der “passiven Sterbehilfe“ bemisst sich in erster Linie am Selbstbestimmungsrecht des Patienten; die Willenserklärung des Patienten ist somit maßgeblich. Bei der freiwilligen passiven Sterbehilfe stimmt der Patient der Maßnahme bewusst und ohne Zwang zu. Bei der nicht-freiwilligen passiven Sterbehilfe ist der Patient dagegen nicht mehr einwilligungsfähig, der mutmaßliche Wille muss ermittelt werden. Seit dem 1. September 2009 ist gemäß § 1901a BGB (Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts) verbindlich der in einer Patientenverfügung festgeschriebene Wille des Patienten zu berücksichtigen. <ref> [http://www.bmj.bund.de/files/-/3741/Gesetzesbeschluss_Patientenverfuegung_Betreuungsrecht.pdf: Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsgesetzes]</ref>  Unfreiwillige passive Sterbehilfe liegt dann vor, wenn keinerlei Berücksichtigung des Patientenwillens besteht bzw. gegen den Willen des Patienten eine Behandlung unterlassen oder abgebrochen wird. In diesem Fall macht sich der Arzt wegen Körperverletzung gemäß § 223 StGB, gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB oder - bei fehlendem Vorsatz - wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB strafbar.   
Die Rechtmäßigkeit der “passiven Sterbehilfe“ bemisst sich in erster Linie am Selbstbestimmungsrecht des Patienten; die Willenserklärung des Patienten ist somit maßgeblich. Bei der freiwilligen passiven Sterbehilfe stimmt der Patient der Maßnahme bewusst und ohne Zwang zu. Bei der nicht-freiwilligen passiven Sterbehilfe ist der Patient dagegen nicht mehr einwilligungsfähig, der mutmaßliche Wille muss ermittelt werden. Seit dem 1. September 2009 ist gemäß § 1901a BGB (Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts) verbindlich der in einer Patientenverfügung festgeschriebene Wille des Patienten zu berücksichtigen. <ref> [http://www.bmj.bund.de/files/-/3741/Gesetzesbeschluss_Patientenverfuegung_Betreuungsrecht.pdf Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsgesetzes]</ref>  Unfreiwillige passive Sterbehilfe liegt dann vor, wenn keinerlei Berücksichtigung des Patientenwillens besteht bzw. gegen den Willen des Patienten eine Behandlung unterlassen oder abgebrochen wird. In diesem Fall macht sich der Arzt wegen Körperverletzung gemäß § 223 StGB, gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB oder - bei fehlendem Vorsatz - wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB strafbar.   
Bei der “indirekten Sterbehilfe“ ist neben der Voraussetzung des erklärten oder mutmaßlichen Willens des einwilligungsfähigen Patienten (freiwillige oder nicht-freiwillige Sterbehilfe), die innere Willensrichtung des Arztes maßgeblich. Straflosigkeit liegt dann vor, wenn Maßnahmen angewandt werden, die als primäres Ziel die Schmerzlinderung herbeiführen sollen, wobei die Nebenfolge der Lebensverkürzung lediglich hingenommen, aber nicht beabsichtigt wird. Handelt der Arzt dagegen vorsätzlich im Sinne der beabsichtigten Tötung eines im Sterben befindlichen Patienten, wird sein Handeln als aktive direkte Sterbehilfe und somit als Tötungsdelikt gemäß § 212 (Tötung) oder § 216 StGB (Tötung auf Verlangen) begriffen.
Bei der “indirekten Sterbehilfe“ ist neben der Voraussetzung des erklärten oder mutmaßlichen Willens des einwilligungsfähigen Patienten (freiwillige oder nicht-freiwillige Sterbehilfe), die innere Willensrichtung des Arztes maßgeblich. Straflosigkeit liegt dann vor, wenn Maßnahmen angewandt werden, die als primäres Ziel die Schmerzlinderung herbeiführen sollen, wobei die Nebenfolge der Lebensverkürzung lediglich hingenommen, aber nicht beabsichtigt wird. Handelt der Arzt dagegen vorsätzlich im Sinne der beabsichtigten Tötung eines im Sterben befindlichen Patienten, wird sein Handeln als aktive direkte Sterbehilfe und somit als Tötungsdelikt gemäß § 212 (Tötung) oder § 216 StGB (Tötung auf Verlangen) begriffen.
Bei der “aktiven Sterbehilfe“ macht sich der Arzt grundsätzlich eines Tötungsdeliktes strafbar. Handelt er dabei gegen oder ohne den Willen des Patienten wird § 212 StGB (Totschlag) wirksam, liegt dagegen eine barmherzige Gesinnung, also Mitleid vor, ist von einem minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 StGB auszugehen. Handelt der Arzt wiederum mit der Zustimmung des Patienten liegt Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB vor.
Bei der “aktiven Sterbehilfe“ macht sich der Arzt grundsätzlich eines Tötungsdeliktes strafbar. Handelt er dabei gegen oder ohne den Willen des Patienten wird § 212 StGB (Totschlag) wirksam, liegt dagegen eine barmherzige Gesinnung, also Mitleid vor, ist von einem minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 StGB auszugehen. Handelt der Arzt wiederum mit der Zustimmung des Patienten liegt Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB vor.
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Da fehlende gesetzliche Regelungen zur Sterbehilfe Unsicherheiten hervorrufen, werden oftmals höchstrichterliche Entscheidungen als Orientierungshilfe herangezogen. Wegweisend waren hierzu u.a. der Fall Hackenthal aus dem Jahr 1984 oder auch die Dolantin-Entscheidung aus dem Jahr 1996 sowie dessen neuerliche Bestätigung im Jahr 2001. Im Fall Hackenthal hatte der behandelnde Arzt seiner Patientin eine tödliche Dosis Zyankali bereitgestellt, welche die Patientin ohne Beisein des Arztes einnahm und verstarb. Die Unterstützung des Arztes wurde vom Oberlandesgericht München nicht als aktive Sterbehilfe, sondern als Beihilfe zum Suizid gewertet und der Arzt somit freigesprochen. <ref>OLG München (1987) ‚Beschluss vom 31.7.1987 – 1 WS 23/87‘, in: Neue Juristische Wochenschrift, 40 (1987), 2940-2946.</ref> Bei der Dolantin-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof wiederum Handlungssicherheiten im Falle indirekter Sterbehilfe erbracht und die Vorsatzfrage gestärkt. <ref>BGH (1997) ‚Urteil vom 5.11.1996, 3 StR 79/96‘, in: Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, hg. von den Mitgliedern des Bundesgerichtshofes und der Bundesanwaltschaft, Band 42, Berlin: Carl Heymanns, 301-305.</ref>
Da fehlende gesetzliche Regelungen zur Sterbehilfe Unsicherheiten hervorrufen, werden oftmals höchstrichterliche Entscheidungen als Orientierungshilfe herangezogen. Wegweisend waren hierzu u.a. der Fall Hackenthal aus dem Jahr 1984 oder auch die Dolantin-Entscheidung aus dem Jahr 1996 sowie dessen neuerliche Bestätigung im Jahr 2001. Im Fall Hackenthal hatte der behandelnde Arzt seiner Patientin eine tödliche Dosis Zyankali bereitgestellt, welche die Patientin ohne Beisein des Arztes einnahm und verstarb. Die Unterstützung des Arztes wurde vom Oberlandesgericht München nicht als aktive Sterbehilfe, sondern als Beihilfe zum Suizid gewertet und der Arzt somit freigesprochen. <ref>OLG München (1987) ‚Beschluss vom 31.7.1987 – 1 WS 23/87‘, in: Neue Juristische Wochenschrift, 40 (1987), 2940-2946.</ref> Bei der Dolantin-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof wiederum Handlungssicherheiten im Falle indirekter Sterbehilfe erbracht und die Vorsatzfrage gestärkt. <ref>BGH (1997) ‚Urteil vom 5.11.1996, 3 StR 79/96‘, in: Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, hg. von den Mitgliedern des Bundesgerichtshofes und der Bundesanwaltschaft, Band 42, Berlin: Carl Heymanns, 301-305.</ref>
==='''Grundsätze der Bundesärztekammer'''===
==='''Grundsätze der Bundesärztekammer'''===
Richtlinien der Bundesärztekammer stellen für Mediziner eine weitere Größe dar, um in unklaren Situationen der Sterbehilfe zu entscheiden. Als zulässig werden hier explizit die passive und indirekte sowie freiwillige und nicht-freiwillige Sterbehilfe beschrieben; auch gelten diese im engeren Sinne bei Sterbenden sowie im weiteren Sinne bei schwerkranken Patienten. Aktive Sterbehilfe und Tötung auf Verlangen werden als in keinem Fall zulässig betrachtet und die ärztliche Beihilfe zum Suizid als dem ärztlichen Ethos gegenläufig verstanden. Demgegenüber wurde die Patientenverfügung bereits vor der gesetzlichen Regelung im Jahre 2009 als bindend angesehen, bspw. wird die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zwar zur Basisversorgung gezählt, der Patient muss aber nicht zwangsläufig, insbesondere nicht gegen seinen Willen, ernährt und mit Flüssigkeit versorgt werden. <ref>[http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Sterbebegl2004.pdf: Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung von 2004]</ref>
Richtlinien der Bundesärztekammer stellen für Mediziner eine weitere Größe dar, um in unklaren Situationen der Sterbehilfe zu entscheiden. Als zulässig werden hier explizit die passive und indirekte sowie freiwillige und nicht-freiwillige Sterbehilfe beschrieben; auch gelten diese im engeren Sinne bei Sterbenden sowie im weiteren Sinne bei schwerkranken Patienten. Aktive Sterbehilfe und Tötung auf Verlangen werden als in keinem Fall zulässig betrachtet und die ärztliche Beihilfe zum Suizid als dem ärztlichen Ethos gegenläufig verstanden. Demgegenüber wurde die Patientenverfügung bereits vor der gesetzlichen Regelung im Jahre 2009 als bindend angesehen, bspw. wird die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zwar zur Basisversorgung gezählt, der Patient muss aber nicht zwangsläufig, insbesondere nicht gegen seinen Willen, ernährt und mit Flüssigkeit versorgt werden. <ref>[http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Sterbebegl2004.pdf Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung von 2004]</ref>
==='''aktuelle Diskussion zur strafgesetzlichen Regelung der aktiven Sterbehilfe'''===
==='''aktuelle Diskussion zur strafgesetzlichen Regelung der aktiven Sterbehilfe'''===
Die strittige Frage einer gesetzlichen Regelung der aktiven Sterbehilfe in Deutschland wird insbesondere von zwei Positionen getragen. Befürworter betonen die Besonderheit der modernen Medizin, die neben der künstlichen Verlängerung von Leben auch den Sterbeprozess inklusive zunehmender Leid- und Schmerzzustände hinauszögert. Da die Würde des Menschen eng mit seinem selbstbestimmten Handeln verbunden sei, entstehe eine Forderung nach Selbstbestimmung auch im Sterbeprozess, welcher sich die Medizin, das Recht und die Gesellschaft zu stellen habe.  
Die strittige Frage einer gesetzlichen Regelung der aktiven Sterbehilfe in Deutschland wird insbesondere von zwei Positionen getragen. Befürworter betonen die Besonderheit der modernen Medizin, die neben der künstlichen Verlängerung von Leben auch den Sterbeprozess inklusive zunehmender Leid- und Schmerzzustände hinauszögert. Da die Würde des Menschen eng mit seinem selbstbestimmten Handeln verbunden sei, entstehe eine Forderung nach Selbstbestimmung auch im Sterbeprozess, welcher sich die Medizin, das Recht und die Gesellschaft zu stellen habe.  
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