Standardindikator: Unterschied zwischen den Versionen

 
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'''Standardindikator''', auch; ''Standardfrage'' oder ''Standarditem''. Der „Standardindikator“ ist ein  Instrument zur Erfassung und Operationalisierung von Kriminalitätsfurcht (Vgl. Schewe 2009, 97).  
 
Standardindikator, auch Standardfrage oder Standarditem. Der „Standardindikator“ ist ein  Instrument zur Erfassung und Operationalisierung von Kriminalitätsfurcht (Vgl. Schewe 2009, 97).  


Der Begriff „Standardindikator“ wird für Fragekonstellationen (Items) im Wortlaut von; „Wie sicher fühlen Sie sich nachts alleine auf der Straße in Ihrer Nachbarschaft“ verwendet (Vgl. Noak 2014, 87). Items dieser Art gelten als das international am häufigsten verwendete Instrument zur Erhebung von Kriminalitätsfurcht (Vgl. Hohage 2004, 87).  
Der Begriff „Standardindikator“ wird für Fragekonstellationen (Items) im Wortlaut von; „Wie sicher fühlen Sie sich nachts alleine auf der Straße in Ihrer Nachbarschaft“ verwendet (Vgl. Noak 2014, 87). Items dieser Art gelten als das international am häufigsten verwendete Instrument zur Erhebung von Kriminalitätsfurcht (Vgl. Hohage 2004, 87).  




== Definition ==


== Definition ==




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Der Begriff ‚Standard‘, bezieht sich - anders als oft angenommen - auf die weite Verbreitung des Items und weniger auf dessen Güte als Messinstrument (Vgl. Ferraro/LaGrange 1987 nach Kreuter 2002, 47; Arnold/Teske 1988 nach Reuband 2009, 238). So wird der Standardindikator beispielsweise in fast allen Studien über Furcht vor Kriminalität in den USA und Deutschland eingesetzt (Vgl. Reuband 2000,178).
Der Begriff ‚Standard‘, bezieht sich - anders als oft angenommen - auf die weite Verbreitung des Items und weniger auf dessen Güte als Messinstrument (Vgl. Ferraro/LaGrange 1987 nach Kreuter 2002, 47; Arnold/Teske 1988 nach Reuband 2009, 238). So wird der Standardindikator beispielsweise in fast allen Studien über Furcht vor Kriminalität in den USA und Deutschland eingesetzt (Vgl. Reuband 2000,178).


== Historie ==
== Historie ==
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Der Standardindikator ist für das Thema Kriminalitätsfurcht von besonderer Bedeutung, da seine Variationen - als Vertreter einfacher, unidimensionaler Messungen - den Anfang der Kriminalitätsfurchtforschung bilden (Vgl. Noak 2014, 87).  
Der Standardindikator ist für das Thema Kriminalitätsfurcht von besonderer Bedeutung, da seine Variationen - als Vertreter einfacher, unidimensionaler Messungen - den Anfang der Kriminalitätsfurchtforschung bilden (Vgl. Noak 2014, 87).  


Die erste Frageformulierung, die dem Inhalt des Standardindikators entspricht, fand erstmals 1965 im Rahmen der „Law Enforcement Assistance Administration“ in den USA Anwendung und wurde später durch das Institut für Demoskopie Allenbach für die Verwendung in Deutschland repliziert (Vgl. Kury & Obergfell-Fuchs 2008, 53). Diese Frage lautete
Die erste Frageformulierung, die dem Inhalt des Standardindikators entspricht, fand erstmals 1965 im Rahmen der „Law Enforcement Assistance Administration“ in den USA Anwendung und wurde später durch das Institut für Demoskopie Allenbach für die Verwendung in Deutschland repliziert (Vgl. Kury & Obergfell-Fuchs 2008, 53).  


„''Gibt es hier eigentlich in der Nähe, der unmittelbaren Nähe – ich meine, im Umkreis von einem Kilometer – irgend eine Gegend, wo Sie nachts nicht allein gehen möchten?''“ (Reuband 2009, 238).
Diese Frage lautete:„''Gibt es hier eigentlich in der Nähe, der unmittelbaren Nähe – ich meine, im Umkreis von einem Kilometer – irgend eine Gegend, wo Sie nachts nicht allein gehen möchten?''“ (Reuband 2009, 238).


Diese Frage wurde seitdem in den USA, Deutschland und anderen Ländern wiederholt eingesetzt (Vgl. Reuband 1995, 43 nach Reuband 2009, 238).
Diese Frage wurde seitdem in den USA, Deutschland und anderen Ländern wiederholt eingesetzt (Vgl. Reuband 1995, 43 nach Reuband 2009, 238).


Später wurde eine zweite Frage entwickelt, die lautete;  
Später wurde eine zweite Frage entwickelt, die lautete; „''Wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie abends allein in Ihrer Nachbarschaft unterwegs sind?''“, die inzwischen ebenfalls weltweit Verwendung findet  (Vgl. Reuband 2009, 238).
 
„''Wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie abends allein in Ihrer Nachbarschaft unterwegs sind?''“, die inzwischen ebenfalls weltweit Verwendung findet  (Vgl. Reuband 2009, 238).


Neben zahlreichen nationalen und internationalen Studien (u.a. International Crime Victimization Survey und dem European Social Survey (Vgl. Gray et al. 2008, 364) fand das Item auch in der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) Verwendung (Vgl. Kury & Obergfell-Fuchs 2008, 53).
Neben zahlreichen nationalen und internationalen Studien (u.a. International Crime Victimization Survey und dem European Social Survey (Vgl. Gray et al. 2008, 364) fand das Item auch in der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) Verwendung (Vgl. Kury & Obergfell-Fuchs 2008, 53).
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Die methodische Problematik des Standardindikators verweist auf zwei wesentliche Begriffe der Kriminalitätsfurchtforschung; die Generalisierungsthese und das Kriminalitätsfurchtparadox.
Die methodische Problematik des Standardindikators verweist auf zwei wesentliche Begriffe der Kriminalitätsfurchtforschung; die Generalisierungsthese und das Kriminalitätsfurchtparadox.


'''Generalisierungsthese:'''
'''Generalisierungsthese'''


Entsprechend der sog. Generalisierungsthese ist Kriminalitätsfurcht keine spezifische Reaktion auf Kriminalitätsrisiken, sondern eine Projektion von eher diffusen Ängsten, wie sozialen und existenziellen Bedrohungen (Vgl. Haverkamp 2014, 9; Hirtenlehner 2006, 307; Ziegleder et al. 2011, 11).
Entsprechend der sog. Generalisierungsthese ist Kriminalitätsfurcht keine spezifische Reaktion auf Kriminalitätsrisiken, sondern eine Projektion von eher diffusen Ängsten, wie sozialen und existenziellen Bedrohungen (Vgl. Haverkamp 2014, 9; Hirtenlehner 2006, 307; Ziegleder et al. 2011, 11).
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1. Eine unzulässige Vermischung von Furcht und Risikowahrnehmung (Furcht ist nicht mit Risikowahrnehmung gleichzusetzen).
1. Eine unzulässige Vermischung von Furcht und Risikowahrnehmung (Furcht ist nicht mit Risikowahrnehmung gleichzusetzen).
2. Die Fehlerhafte Messung der abhängigen Variablen Kriminalitätsfurcht (Fehlender Bezug Ort, Delikt etc.).
2. Die Fehlerhafte Messung der abhängigen Variablen Kriminalitätsfurcht (Fehlender Bezug Ort, Delikt etc.).
3. Die konzeptionelle Missachtung relevanter Variablen (Fehlende multivariate Zusammenhänge: bspw. höherer Anteil der Frauen in der Gruppe der älteren Menschen).
 
3. Die konzeptionelle Missachtung relevanter Variablen (Fehlende multivariate Zusammenhänge: bspw. höherer Anteil der Frauen in der Gruppe der älteren   Menschen).


Das Kriminalitätsfurchtparadox resultiere demnach aus der Annahme von „Kriminalitätsfurcht“ als eindimensional und dem Versuch diese mit einem einzelnen Indikator messen zu wollen (Vgl. Noak 2014, 252).
Das Kriminalitätsfurchtparadox resultiere demnach aus der Annahme von „Kriminalitätsfurcht“ als eindimensional und dem Versuch diese mit einem einzelnen Indikator messen zu wollen (Vgl. Noak 2014, 252).
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Aufgrund dieser Bedeutsamkeit des Phänomens, sollte gerade der Qualität der Instrumente zur Messung von Kriminalitätsfurcht verstärkt Beachtung geschenkt werden, wobei die Frage der Brauchbarkeit des Standardindikators eine Schlüsselrolle einnimmt (Vgl. Noak 2014, 249).   
Aufgrund dieser Bedeutsamkeit des Phänomens, sollte gerade der Qualität der Instrumente zur Messung von Kriminalitätsfurcht verstärkt Beachtung geschenkt werden, wobei die Frage der Brauchbarkeit des Standardindikators eine Schlüsselrolle einnimmt (Vgl. Noak 2014, 249).   


Aufgrund der kriminalpolitischen Bedeutung des Standardindikators und seinen unter Punkt X beschriebenen methodischen Kritikpunkte, ziehen manche Autoren den Schluss, dass eine reliablere und validere Erfassung notwendig ist (Vgl. Kury et al. 2004, 141), während andere ihn auch weiterhin als ausreichend betrachten (Vgl. Reuband 2000b, 190).
Aufgrund der kriminalpolitischen Bedeutung des Standardindikators und den beschriebenen methodischen Kritikpunkten, ziehen manche Autoren den Schluss, dass eine reliablere und validere Erfassung notwendig ist (Vgl. Kury et al. 2004, 141), während andere ihn auch weiterhin als ausreichend betrachten (Vgl. Reuband 2000b, 190).


Auch wenn sich die Messung von Kriminalitätsfurcht generell als fehleranfällig darzustellen scheint, kann gesagt werden, dass ‚globale‘ Indikatoren wie der Standardindikator fehleranfälliger zu sein scheinen, als deliktspezifische Indikatoren, was darauf hindeutet, dass die Annahme einer Einstellung „Allgemeine Kriminalitätsfurcht“ wenig tragfähig erscheint (Vgl. Noak 2014, 91).
Auch wenn sich die Messung von Kriminalitätsfurcht generell als fehleranfällig darzustellen scheint, kann gesagt werden, dass ‚globale‘ Indikatoren wie der Standardindikator fehleranfälliger zu sein scheinen, als deliktspezifische Indikatoren, was darauf hindeutet, dass die Annahme einer Einstellung „Allgemeine Kriminalitätsfurcht“ wenig tragfähig erscheint (Vgl. Noak 2014, 91).


Festzuhalten bleibt, dass dem Design der Studien im Feld der Kriminalitätsfurchtforschung eine überragende Bedeutung zukommt und daher insbesondere mittels des Standardindikators erhobene Daten kritisch betrachtet werden sollten (Vgl. Noak 2014, 251ff).
Festzuhalten bleibt, dass dem Design der Studien im Feld der Kriminalitätsfurchtforschung eine überragende Bedeutung zukommt und daher insbesondere mittels des Standardindikators erhobene Daten kritisch betrachtet werden sollten (Vgl. Noak 2014, 251ff).


== Literatur ==
== Literatur ==
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