Staatsverbrechen und der heimliche Lehrplan der Kriminologie: Unterschied zwischen den Versionen

 
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Im Folgenden geht es um Lernziele und Lerngegenstände in der kriminologischen Ausbildung. Allerdings um jene, die gerade nicht dort zu finden sind, wo man sie vernünftigerweise zunächst einmal sucht, nämlich in den Studienplänen und Modulbeschreibungen, wie wir sie aus dem universitären Sitzungen, den Informationsmaterialien und den Internetauftritten der kriminologischen Institute und Studiengänge im In- und Ausland kennen.
Der Lehrplan, um den es geht, ist nirgendwo schriftlich festgelegt. Nie wurde er diskutiert, in keinem Gremium gab es jemals eine Vorlage, nirgendwo hat man je über ihn abgestimmt. Keine Aufsichtsbehörde hat ihn je genehmigt und kein Amtsblatt hat ihn je veröffentlicht. In der Welt des Geschriebenen gibt es ihn nicht. Doch unsichtbar heißt nicht unbedingt inexistent. Denn paradoxerweise ist seine Wirkung stärker als die aller geschriebenen Curricula zusammengenommen. Der heimliche Lehrplan der Kriminologie ist nicht, wie die anderen, räumlich in seiner Geltung begrenzt. Er gilt überall auf der Welt und er wird auf das Strengste befolgt. Der heimliche Lehrplan beherrscht die Kriminologie von Alaska bis Feuerland, von Irland bis Australien und von Sofia bis Singapur. Er war schon in Kraft, als die Kriminologie entstand und er bedurfte keiner Ergänzungen, keiner Novellierungen und schon gar keiner Revision bis auf den heutigen Tag. Nichts deutet darauf hin, dass seine Bestimmungen außer Kraft gesetzt werden könnten. Er ist nicht nur das eherne Gesetz, unter dem die Kriminologie antrat, sondern er stellt auch das größte Hindernis dar, das der Kriminologie wie ein Felsblock den Weg zur vollen Wissenschaftlichkeit versperrt.
Gibt es ihn überhaupt?
Suchmethode Indirekt Dark Matter Aids
Vorschlag Staatsverbrechen.
Besonderheiten des Umgangs mit Staatsverbrechen, die anders nicht erklärt werden können.
Ein Umgang, der sich vorhersehen lässt.
Dann hätte man den indirekten Nachweis seiner Existenz.
Und man könnte seine Konturen zu bestimmen versuchen.
Gegenstand der Wissenschaft, nämlich auf Delinquenz, Kriminalität und Kontrolle, bzw., auf "the process of making laws, of breaking laws, and of reacting toward the breaking of laws" (Sutherland 1974: 3).
Insofern dienen Forschung und Lehre in der Kriminologie der Aufklärung der Gesellschaft über sich selbst.
Die Kriminologie einschließlich der Kriminalsoziologie steht heutzutage - wieder einmal, muss man sagen - im Begriff, sich den großen Themen der Gegenwart zu öffnen. Stichworte wie Wirtschafts-, Finanz- und Umweltkriminalität sind uns inzwischen geläufig. Es gibt eine beachtliche wissenschaftliche Aktivität in diesem Bereich. Offenbar will man den Blick nicht mehr nur nach unten auf die "nuts, sluts, and preverts" (Liazos) richten, will nicht mehr nur von oben herab die Rand- und Unterschichten der Gesellschaft und deren "crimes in the streets" analysieren, sondern endlich auch die bislang weitgehend ignorierten "crimes in the suites", d.h. die zerstörerischen Machenschaften, die ihren Ausgang in den Vorstandsetagen großer Unternehmen oder den Verständigungen der politisch Mächtigen nehmen und in der Versehrung oder Vernichtung ungezählter Menschenleben enden.
Die Kriminologie einschließlich der Kriminalsoziologie steht heutzutage - wieder einmal, muss man sagen - im Begriff, sich den großen Themen der Gegenwart zu öffnen. Stichworte wie Wirtschafts-, Finanz- und Umweltkriminalität sind uns inzwischen geläufig. Es gibt eine beachtliche wissenschaftliche Aktivität in diesem Bereich. Offenbar will man den Blick nicht mehr nur nach unten auf die "nuts, sluts, and preverts" (Liazos) richten, will nicht mehr nur von oben herab die Rand- und Unterschichten der Gesellschaft und deren "crimes in the streets" analysieren, sondern endlich auch die bislang weitgehend ignorierten "crimes in the suites", d.h. die zerstörerischen Machenschaften, die ihren Ausgang in den Vorstandsetagen großer Unternehmen oder den Verständigungen der politisch Mächtigen nehmen und in der Versehrung oder Vernichtung ungezählter Menschenleben enden.


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== Literatur ==
== Literatur ==
*Bernfeld, Siegfried (1981) Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung, 4. Auflage Frankfurt a. M.
*Bernfeld, Siegfried (1981) Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung, 4. Auflage Frankfurt a. M.
*[http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Michael_Franz_Birnbaum#Zum_Werk_.22.C3.9Cber_das_Erforderni.C3.9F_einer_Rechtsgutverletzung_zum_Begriff_des_Verbrechens.22 Birnbaum]
*Döring, Klaus W. (1989) Lehrerverhalten. Weinheim.
*Döring, Klaus W. (1989) Lehrerverhalten. Weinheim.


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*Popitz: Phänomene der Macht. 2., erw. Aufl. Tübingen: Mohr 1992, S. 22
*Popitz: Phänomene der Macht. 2., erw. Aufl. Tübingen: Mohr 1992, S. 22
*[http://www.springerlink.com/content/x3017321870441p2/ Sack, Fritz (2008) Die deutsche Kriminologie im Lichte des Werkes von D. Garland, in: Exklusion in der Marktgesellschaft ...]
*[http://www.springerlink.com/content/x3017321870441p2/ Sack, Fritz (2008) Die deutsche Kriminologie im Lichte des Werkes von D. Garland, in: Exklusion in der Marktgesellschaft ...]
*[http://www.policypress.co.uk/PDFs/General/An%20introduction%20to%20political%20crime_Chapter%202.pdf Ross, Jeffrey Ian (2012) An Introduction to Political Crime. Bristol: Policy Press Chapter 2: Theoretical explanations of political crime]
*Schütz, Alfred: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten, in: Ders.: Gesammelte Aufsätze. Bd. 1: Das problem der sozialen Wirklichkeit Den Haag 1971, S. 237-298.
*Schütz, Alfred: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten, in: Ders.: Gesammelte Aufsätze. Bd. 1: Das problem der sozialen Wirklichkeit Den Haag 1971, S. 237-298.
*Zinnecker, Jürgen (1975) Der heimliche Lehrplan. Weinheim.
*Zinnecker, Jürgen (1975) Der heimliche Lehrplan. Weinheim.
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