Sozialstruktur: Unterschied zwischen den Versionen

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Die mikrosoziologischen Definitionen greifen auf den Rollenbegriff zurück und beziehen sich auf soziales Handeln.
Die mikrosoziologischen Definitionen greifen auf den Rollenbegriff zurück und beziehen sich auf soziales Handeln.
Somit versteht man als Beispiel für eine mikrosoziologische Definition (in Anlehnung an Parson, 1951) unter dem Begriff Sozialstruktur das Geflecht der Beziehungsmuster zwischen Handelnden, in ihrer Eigenschaft als Rollenträger.
Somit versteht man als Beispiel für eine mikrosoziologische Definition (in Anlehnung an Parson, 1951) unter dem Begriff Sozialstruktur das Geflecht der Beziehungsmuster zwischen Handelnden, in ihrer Eigenschaft als Rollenträger.


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Diese bezieht sich auf soziale Gebilde wie Organisationen, Gruppen und Institutionen.
Diese bezieht sich auf soziale Gebilde wie Organisationen, Gruppen und Institutionen.
Diese sozialen Gebilde sind je nach Erkenntnisinteresse zu unterscheiden.
Diese sozialen Gebilde sind je nach Erkenntnisinteresse zu unterscheiden.
So fragt der Marxist nach Klassenstruktur und Produktionsverhältnissen, der Durkheimianer nach dem Grad der Arbeitsteilung und der Weberianer nach Graden der Rationalisierung und Bürokratisierung (weiteres zu diesen Ansätzen siehe Punkt 5). Am weitesten verbreitet ist jedoch der demographische Ansatz, der nach der Verteilung der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und bestimmten Ressourcen, wie Einkommen und Bildung, fragt.
So fragt der Marxist nach Klassenstruktur und Produktionsverhältnissen, der Durkheimianer nach dem Grad der Arbeitsteilung und der Weberianer nach Graden der Rationalisierung und Bürokratisierung (weiteres zu diesen Ansätzen siehe Punkt 5). Am weitesten verbreitet ist jedoch der demographische Ansatz, der nach der Verteilung der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und bestimmten Ressourcen, wie Einkommen und Bildung, fragt.
Als Beispiel für eine makrosoziologische Definition versteht man somit (in Anlehnung an Wolfgang Zapf, 1989) unter dem Begriff Sozialstruktur die demographische Grundgliederung der Bevölkerung, die Verteilung zentraler Ressourcen wie Bildung, Einkommen und Beruf, die Gliederung nach Klassen und Schichten, Sozialmilieus und Lebensstilen, aber auch die soziale Prägung des Lebenslaufs in der Abfolge der Generationen.
Als Beispiel für eine makrosoziologische Definition versteht man somit (in Anlehnung an Wolfgang Zapf, 1989) unter dem Begriff Sozialstruktur die demographische Grundgliederung der Bevölkerung, die Verteilung zentraler Ressourcen wie Bildung, Einkommen und Beruf, die Gliederung nach Klassen und Schichten, Sozialmilieus und Lebensstilen, aber auch die soziale Prägung des Lebenslaufs in der Abfolge der Generationen.


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Auch bei der Einteilung einer Gesellschaft in Schichten können ökonomische Kriterien herangezogen, Konflikte zwischen den Schichten, sowie Zusammenhänge von sozialer Schichtung und Machtstruktur berücksichtigt, Schichten in ihrer Veränderung erfasst und den Ursachen dieser Entwicklungen nachgegangen werden.  
Auch bei der Einteilung einer Gesellschaft in Schichten können ökonomische Kriterien herangezogen, Konflikte zwischen den Schichten, sowie Zusammenhänge von sozialer Schichtung und Machtstruktur berücksichtigt, Schichten in ihrer Veränderung erfasst und den Ursachen dieser Entwicklungen nachgegangen werden.  
In Deutschland beschränken sich jedoch häufig die Studien zur sozialen Schichtung auf eine beschreibende, statistische Bestandsaufnahme von Soziallagen und teilweise ihren Zusammenhängen mit Teilen der [[Subkultur]] bzw. mit den Lebenschancen.  
In Deutschland beschränken sich jedoch häufig die Studien zur sozialen Schichtung auf eine beschreibende, statistische Bestandsaufnahme von Soziallagen und teilweise ihren Zusammenhängen mit Teilen der [[Subkultur]] bzw. mit den Lebenschancen.  


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Demnach ist laut Durkheim Kriminalität ein normaler, in der Gesellschaft integrierter Zustand, wobei das Verbrechen erst dann sozialschädlich ist, wenn es die innere Ordnung eines Gemeinwesens zerstört. Ein solcher Zustand sozialer Desintegration, gekennzeichnet durch Regel- und Normlosigkeit, wird von Durkheim als [[Anomie]] bezeichnet.
Demnach ist laut Durkheim Kriminalität ein normaler, in der Gesellschaft integrierter Zustand, wobei das Verbrechen erst dann sozialschädlich ist, wenn es die innere Ordnung eines Gemeinwesens zerstört. Ein solcher Zustand sozialer Desintegration, gekennzeichnet durch Regel- und Normlosigkeit, wird von Durkheim als [[Anomie]] bezeichnet.


Anknüpfend an Durkheims Anomietheorie führt der amerikanische Kriminalsoziologe [[Robert K. Merton]] (1957) abweichendes Verhalten auf die Gesellschaftsstruktur, und zwar auf die Kluft zwischen kulturell bestimmten Zielen (z.B. wirtschaftlicher Erfolg) und sozialstrukturellen Mitteln zur Verwirklichung der Ziele (wie z.B. Bildungschancen) zurück.
Anknüpfend an Durkheims Anomietheorie führt der amerikanische Kriminalsoziologe [[Robert K. Merton]] abweichendes Verhalten auf die Gesellschaftsstruktur, und zwar auf die Kluft zwischen kulturell bestimmten Zielen (z.B. wirtschaftlicher Erfolg) und sozialstrukturellen Mitteln zur Verwirklichung der Ziele (wie z.B. Bildungschancen) zurück.


Demnach werden durch die Gesellschaft die Chancen der Zielerreichung ungleich in den sozialen Strukturen verteilt, wodurch jeder der benachteiligt ist unter dem Druck steht sich eher deviant als konform zu verhalten um die kulturell anerkannten Ziele zu erreichen.
Demnach werden durch die Gesellschaft die Chancen der Zielerreichung ungleich in den sozialen Strukturen verteilt, wodurch jeder der benachteiligt ist unter dem Druck steht sich eher deviant als konform zu verhalten, um die kulturell anerkannten Ziele zu erreichen.


Die Anomietheorie wurde häufig in andere Kriminalitätstheorien integriert, wie z.B. bei Cohens Subkulturtheorie, Cloward und Ohlins Theorie der differentiellen Gelegenheiten, Agnews Allgemeinen [[Belastungstheorie]] oder Greenbergs Alterstheorie.  
Die Anomietheorie wurde häufig in andere Kriminalitätstheorien integriert, wie z.B. bei Cohens Subkulturtheorie, Cloward und Ohlins Theorie der differentiellen Gelegenheiten, Agnews Allgemeinen [[Belastungstheorie]] oder Greenbergs Alterstheorie.  


Ebenso wurde die Anomietheorie aber auch beispielhaft für alle Arten der ätiologischen Kriminalitätserklärung kritisiert, wie es z.B. durch den [[labeling approach]] geschehen ist.  
Ebenso wurde die Anomietheorie aber auch beispielhaft für alle Arten der ätiologischen Kriminalitätserklärung kritisiert, wie es z.B. durch den [[Labeling Approach]] geschehen ist.  


Auf eine abschließende Erläuterung aller sozialstruktureller Kriminalitätstheorien wird an dieser Stelle verzichtet und lediglich im Folgenden auf zwei klassische Varianten der Anomietheorie, nämlich der Theorie der differentiellen Gelegenheiten und der Theorie der deliquenten Subkultur  eingegangen.  
Auf eine abschließende Erläuterung aller sozialstruktureller Kriminalitätstheorien wird an dieser Stelle verzichtet und lediglich im Folgenden auf zwei klassische Varianten der Anomietheorie, nämlich der Theorie der differentiellen Gelegenheiten und der Theorie der deliquenten Subkultur, eingegangen.  




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Als eine frühe Entwicklung des Anomiekonzeptes lässt sich die von [[Richard A. Cloward]] und [[Lloyd E. Ohlin]] entwickelte Theorie der differentiellen Gelegenheiten verstehen.  
Als eine frühe Entwicklung des Anomiekonzeptes lässt sich die von [[Richard A. Cloward]] und [[Lloyd E. Ohlin]] entwickelte Theorie der differentiellen Gelegenheiten verstehen.  


Die Erklärung dafür, dass längst nicht alle mit Anomiedruck belastete kriminelle Handlungen verüben, findet sich gemäß der Theorie der differentiellen Gelegenheiten darin, dass eine unter Anomiedruck stehende Person auch Zugang zu illegetimen Mitteln, im weiteren Sinne von technischem Knowhow, faktischen Gelegenheiten und Neutralisation psychischer Hemmungen haben muss, um sich abweichend zu verhalten.  
Die Erklärung dafür, dass längst nicht alle mit Anomiedruck Belastete kriminelle Handlungen verüben, findet sich gemäß der Theorie der differentiellen Gelegenheiten darin, dass eine unter Anomiedruck stehende Person auch Zugang zu illegetimen Mitteln, im weiteren Sinne von technischem Knowhow, faktischen Gelegenheiten und Neutralisation psychischer Hemmungen haben muss, um sich abweichend zu verhalten.  




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Wie auch die Anomietheorie kritisiert die [[Subkulturtheorie]] von [[Albert K. Cohen]] die sozialen Ungleichheiten in der Schicht- und Klassengesellschaft, welche für Druck- und Anpassungsprobleme des Einzelnen verantwortlich sind.  
Wie auch die Anomietheorie kritisiert die [[Subkulturtheorie]] von [[Albert K. Cohen]] die sozialen Ungleichheiten in der Schicht- und Klassengesellschaft, welche für Druck- und Anpassungsprobleme des Einzelnen verantwortlich sind.  


Der Subkulturtheorie zufolge ist Kriminalität eine Folge des Zusammenschlusses von Jugendlichen zu sogenannten Subkulturen, in denen normabweichende Werte- und Moralvorstellungen herrschen.  
Der Subkulturtheorie zufolge ist Kriminalität eine Folge des Zusammenschlusses von eben diesen einzelnen Jugendlichen zu sogenannten Subkulturen, in denen normabweichende Werte- und Moralvorstellungen herrschen.  




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= Weblinks =
= Weblinks =


* http://archiv.schader-stiftung.de/gesellschaft_wandel/448.php
* http://archiv.schader-stiftung.de/gesellschaft_wandel/448.php (06.03.2016)


* http://krimtheo.criminologia.de/theorien/anomie-druck
* http://krimtheo.criminologia.de/theorien/anomie-druck (20.02.2016)


* http://suite101.de/article/soziale-schichten-soziale-milieus-und-soziale-lagen-a125098#.Vtydg-ZQ78k
* http://suite101.de/article/soziale-schichten-soziale-milieus-und-soziale-lagen-a125098#.Vtydg-ZQ78k (21.02.2016)


* http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialstruktur
* http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialstruktur (10.12.2015)


* http://de.wikipedia.org/wiki/Sinus-Milieus
* http://de.wikipedia.org/wiki/Sinus-Milieus (10.12.2015)


* http://www.wissen.de/lexikon/sozialstruktur
* http://www.wissen.de/lexikon/sozialstruktur (06.11.2015)
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