Soziales Problem: Unterschied zwischen den Versionen

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== Kollektive Akteure ==
Michael Schetsche unterscheidet acht kollektive Akteure in der Karriere sozialer Probleme:
#'''Betroffene''' treten als Akteure auf, wenn sie sich selbst als Opfer des Problems deklarieren und in der Gesellschaft Abhilfe für ihre Notlage fordern.
#'''Advokaten''', d.h. Personengruppen (z.B. Sozialarbeiter, Rechtsanwälte), die stellvertretend für die Betroffenen deren Lebenslage aus beruflichen oder karitativ-humanitären Gründen als „problematisch“ definieren, sind, ebenso wie Experten, nicht primär an den Interessen der Betroffenen orientiert, sondern gegenüber ihren Mitgliedsorganisationen und deren Interessen verpflichtet
#'''Experten''' sind VertreterInnnen von Professionen, die die Zuständigkeit für ein soziales Problem für sich reklamieren oder von anderen Akteuren für zuständig erklärt werden. Ihnen wird aufgrund ihrer Profession und Ausbildung (z.B. ProfessorInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen) eine besondere Kompetenz bei der Beurteilung eines Problems oder bei dessen Behebung zugesprochen.
#'''Problemnutzer''' sind politische Parteien oder Verbände, die ein schon bestehendes Problem primär für eigene Interessen instrumentalisieren.
#'''Soziale Bewegungen''' (z.B. die Frauenbewegung als eine „Multiproblembewegung) sind Konglomerate von mehreren anderen Akteurstypen.
#'''Moralunternehmer''' meint Akteure, die soziale Probleme als Moralfragen thematisieren.
#'''Massenmedien''' sind gleichzeitig Akteure und Thematisierungsmedien.
#Der '''Wohlfahrtsstaat''' als Akteur erhält von der Öffentlichkeit die Erstzuständigkeit der Bekämpfung sozialer Probleme zugewiesen.
== Sachverhalt, Deutung und Anerkennung ==
== Sachverhalt, Deutung und Anerkennung ==
Die empirische Analyse der Karriere sozialer Probleme befasst sich mit der Unterscheidung zwischen sozialen Sachverhalten, ihrer Deutung als Problem und der gesellschaftlichen Anerkennung der Problemwahrnehmung in einem diskursiven Prozess (Problemkarriere). Die Konstituierung von sozialen Problemen geschieht durch Deutungsmuster, die durch „Rahmungen“ (frames) erfolgen.
Die empirische Analyse der Karriere sozialer Probleme befasst sich mit der Unterscheidung zwischen sozialen Sachverhalten, ihrer Deutung als Problem und der gesellschaftlichen Anerkennung der Problemwahrnehmung in einem diskursiven Prozess (Problemkarriere). Die Konstituierung von sozialen Problemen geschieht durch Deutungsmuster, die durch „Rahmungen“ (frames) erfolgen.
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#'''Affektive Bestandteile.''' Die Emotionalisierung des Problems soll Menschen motivieren, die vom Problem nicht unmittelbar betroffen sind, sich für die „Opfer“ zu engagieren.
#'''Affektive Bestandteile.''' Die Emotionalisierung des Problems soll Menschen motivieren, die vom Problem nicht unmittelbar betroffen sind, sich für die „Opfer“ zu engagieren.


== Literatur ==
== Kollektive Akteure ==
Michael Schetsche unterscheidet acht kollektive Akteure in der Karriere sozialer Probleme:
 
#'''Betroffene''' treten als Akteure auf, wenn sie sich selbst als Opfer des Problems deklarieren und in der Gesellschaft Abhilfe für ihre Notlage fordern.
#'''Advokaten''', d.h. Personengruppen (z.B. Sozialarbeiter, Rechtsanwälte), die stellvertretend für die Betroffenen deren Lebenslage aus beruflichen oder karitativ-humanitären Gründen als „problematisch“ definieren, sind, ebenso wie Experten, nicht primär an den Interessen der Betroffenen orientiert, sondern gegenüber ihren Mitgliedsorganisationen und deren Interessen verpflichtet
#'''Experten''' sind VertreterInnnen von Professionen, die die Zuständigkeit für ein soziales Problem für sich reklamieren oder von anderen Akteuren für zuständig erklärt werden. Ihnen wird aufgrund ihrer Profession und Ausbildung (z.B. ProfessorInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen) eine besondere Kompetenz bei der Beurteilung eines Problems oder bei dessen Behebung zugesprochen.
#'''Problemnutzer''' sind politische Parteien oder Verbände, die ein schon bestehendes Problem primär für eigene Interessen instrumentalisieren.
#'''Soziale Bewegungen''' (z.B. die Frauenbewegung als eine „Multiproblembewegung") sind Konglomerate von mehreren anderen Akteurstypen.
#'''Moralunternehmer''' meint Akteure, die soziale Probleme als Moralfragen thematisieren.
#'''Massenmedien''' sind gleichzeitig Akteure und Thematisierungsmedien.
#Der '''Wohlfahrtsstaat''' als Akteur erhält von der Öffentlichkeit die Erstzuständigkeit der Bekämpfung sozialer Probleme zugewiesen.
 
 
== Weblinks und Literatur ==
*[http://www.amazon.com/Textbook-Social-Problems-Understanding-Times/dp/B000CEY10E A Textbook in Social Problems: Understanding Our Times (1961) Hardcover – 1960. by olis g. jamison, john s. carroll edward e. walker]
 
*Beushausen, Jürgen (2002)Die Karriere des sozialen Problems am Beispiel des Phänomens der Essstörungen.
*Beushausen, Jürgen (2002)Die Karriere des sozialen Problems am Beispiel des Phänomens der Essstörungen.
*[http://www.soziale-probleme.de/1992/02_Dreyer-Schade_-_Der_konstruktionistische_Ansatz_in_der_nordamerikanischen_Problemsoziologie_1992-1.pdf Dreyer, Anne/Angelika Schade (1992) Der konstruktionistische Ansatz in der nordamerikanischen Problemsoziologie, in: Soziale Probleme 28-44]
*[http://www.jstor.org/stable/2086189?seq=1#page_scan_tab_contents Fuller, Richard C. & Richard R. Myers (1941) The natural history of a social problem, American Sociological Review, 6, 320-329].
*[http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-322-83545-1_7#page-1 Haferkamp, Hans (1977) Von der alltagsweltlichen zur sozialwissenschaftlichen Begründung der Soziologie sozialer Probleme und sozialer Kontrolle. In: Christian von Ferber und Franz-Xaver Kaufmann (Hrsg.) ...]
*[https://books.google.de/books?id=qySbBgAAQBAJ&pg=PP5&lpg=PP5&dq=haferkamp+soziale+probleme&source=bl&ots=JyZGBUhXla&sig=4hH6k_muC6C4LzqPVpL1wFvKj8g&hl=en&sa=X&ei=YQpNVY2OA-fmyQPWqICIAQ&ved=0CDwQ6AEwAg#v=onepage&q=haferkamp%20soziale%20probleme&f=false Haferkamp, Hans, Hg. (1984) Wohlfahrtsstaat und soziale Probleme]
*[http://www.soziale-probleme.de/2001/03_Peters_-_Vermeidbare_Objektivismen_1-2-2001.pdf Peters, H. (2001) Vermeidbare Objektivismen, in: Soziale Probleme: 45-54]
*Schetsche, Michael (1996) Die Karriere sozialer Probleme.  
*Schetsche, Michael (1996) Die Karriere sozialer Probleme.  
*Schetsche, Michael (2008) Empirische Analyse sozialer Probleme. Wiesbaden: VS.
*Schetsche, Michael (2008) Empirische Analyse sozialer Probleme. Wiesbaden: VS.
*[https://books.google.de/books?id=27khBAAAQBAJ&pg=PA322&lpg=PA322&dq=hans+haferkamp+von+der+alltagsweltlichen+zur+sozialwissenschaftlichen&source=bl&ots=ry17Trd12L&sig=WbpNSr3Lq8o_efN4OnNtgAQTbDY&hl=en&sa=X&ved=0CD0Q6AEwBmoVChMI9PWk6LrxxgIV42tyCh13JgmM#v=onepage&q=hans%20haferkamp%20von%20der%20alltagsweltlichen%20zur%20sozialwissenschaftlichen&f=false Seifert, Simone (2014) Der Umgang mit Sexualstraftätern. Bearbeitung eines sozialen Problems im Strafvollzug und Reflexion gesellschaftlicher Erwartungen. Wiesbaden: Springer VS]
*Spector, M., & Kitsuse, J. (1977). Constructing social problems. Menlo Park, CA: Cummings.
*[http://www.pearsonhighered.com/assets/hip/us/hip_us_pearsonhighered/samplechapter/0205968848.pdf Social Problems: 4 Stages]
:What some view as a social problem, others see as a solution.
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