Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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==Geschichte==
==Geschichte==
Die Sicherungsverwahrung ist kein statisches Konstrukt, sondern vielmehr ein dynamischer Versuch nach Sicherheit, der ständig einem Veränderungsprozess unterzogen ist. So sind nicht nur die Geschichte relevant für das Verständnis der Sicherungsverwahrung, sondern auch der vermeintliche Zweck und die jeweils aktuelle Situation einer Gesellschaft. Die Sicherungsverwahrung wurde mit anderen Maßregeln der Besserung und Sicherung durch das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsbrecher“ am 24.11.1933 von den Nationalsozialisten eingeführt. Überlegungen zur Einführung so genannter sichernder Maßnahmen wurden jedoch bereits vorher getroffen. In diesem Zusammenhang sind die Publikationen von Franz von Liszt aus dem Jahre 1982 zu nennen, der als Begründer des modernen humanen Strafrechts gilt, so dass die Sicherungsverwahrung von herrschender Meinung kein nationalsozialistisches Gedankengut darstellt. (Pieroth 2002, 123). Schaut man sich die Formulierungen von Franz von Liszt im „Marburger Programm“ genauer (Naucke 1982, 525ff) so stellt man fest, dass Liszt die Aufnahme des Zweckgedanken in das Strafrecht forderte. Er sprach sich für ein Täterstrafrecht aus, dass unverbesserliche Gewohnheitsverbrecher unschädlich machen soll. Diese Unschädlichmachung sollte bereits damals nach der dritten Verurteilung durch eine Einschließung auf unbestimmte Zeit erfolgen. Er nannte dies die Sicherungshaft. (Liszt, Franz von, 1905, 126, 199, 170). Daraus folgert Naucke, dass Teile des NS-Strafrechts konsequente Kriminalpolitik im Sinne des Marburger Programms Liszts sind. Während der NS-Zeit wurden über 15.000 Menschen zur Sicherungsverwahrung verurteilt. Dennoch haben sich die Nationalsozialisten auch im Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 sich gegen eine Sicherungsverwahrung für Jugendliche ausgesprochen (Kinzig 2007). Allerdings änderte sich diese zunächst restriktive Haltung mit der Herausbildung des nationalsozialistischen Unrechtsstaats. Die Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher aus dem Jahr 1939 sah vor, dass auch gegen Jugendliche über 16 Jahre unter bestimmten Vorraussetzungen Sicherungsverwahrung angeordnet werden konnte. Im Jahr 1943 wurde die Möglichkeit der Unterbringung in einem Jugendschutzlager eingeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Unrechtsgesetze aus den Jahren 1939 und 1943 aufgehoben, so dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Jugendliche nicht mehr anzuwenden war. 1953 wurden die Heranwachsenden in das JGG einbezogen. Der § 106 JGG bestimmte zunächst, dass der Richter von der Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden absehen konnte. Festgestellt wurde, dass 1967 von den bundesweit über 800 Sicherheitsverwahrten keine Person jünger als 25 Jahre war. In der Konsequenz nahm der Gesetzgeber 1969 alle Heranwachsenden aus dem Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung heraus. Ende der 60 er Jahre sollte die Sicherungsverwahrung nur noch auf Fälle von Anlasstaten nach Vollendung des 25. Lebensjahres beschränkt werden. (Kinzig 2008).
Die Sicherungsverwahrung ist kein statisches Konstrukt, sondern vielmehr ein dynamischer Versuch nach Sicherheit, der ständig einem Veränderungsprozess unterzogen ist. So sind nicht nur die Geschichte relevant für das Verständnis der Sicherungsverwahrung, sondern auch der vermeintliche Zweck und die jeweils aktuelle Situation einer Gesellschaft. Die Sicherungsverwahrung wurde mit anderen Maßregeln der Besserung und Sicherung durch das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsbrecher“ am 24.11.1933 von den Nationalsozialisten eingeführt. Überlegungen zur Einführung so genannter sichernder Maßnahmen wurden jedoch bereits vorher getroffen. In diesem Zusammenhang sind die Publikationen von Franz von Liszt aus dem Jahre 1982 zu nennen, der als Begründer des modernen humanen Strafrechts gilt, so dass die Sicherungsverwahrung von herrschender Meinung kein nationalsozialistisches Gedankengut darstellt. (Pieroth 2002, 123). Schaut man sich die Formulierungen von Franz von Liszt im „Marburger Programm“ genauer (Naucke 1982, 525ff) so stellt man fest, dass Liszt die Aufnahme des Zweckgedanken in das Strafrecht forderte. Er sprach sich für ein Täterstrafrecht aus, dass unverbesserliche Gewohnheitsverbrecher unschädlich machen soll. Diese Unschädlichmachung sollte bereits damals nach der dritten Verurteilung durch eine Einschließung auf unbestimmte Zeit erfolgen. Er nannte dies die Sicherungshaft. (Liszt, Franz von, 1905, 126, 199, 170). Daraus folgert Naucke, dass Teile des NS-Strafrechts konsequente Kriminalpolitik im Sinne des Marburger Programms Liszts sind. Während der NS-Zeit wurden über 15.000 Menschen zur Sicherungsverwahrung verurteilt. Dennoch haben sich die Nationalsozialisten auch im Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 sich gegen eine Sicherungsverwahrung für Jugendliche ausgesprochen (Kinzig 2007). Allerdings änderte sich diese zunächst restriktive Haltung mit der Herausbildung des nationalsozialistischen Unrechtsstaats. Die Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher aus dem Jahr 1939 sah vor, dass auch gegen Jugendliche über 16 Jahre unter bestimmten Vorraussetzungen Sicherungsverwahrung angeordnet werden konnte. Im Jahr 1943 wurde die Möglichkeit der Unterbringung in einem Jugendschutzlager eingeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Unrechtsgesetze aus den Jahren 1939 und 1943 aufgehoben, so dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Jugendliche nicht mehr anzuwenden war. 1953 wurden die Heranwachsenden in das JGG einbezogen. Der § 106 JGG bestimmte zunächst, dass der Richter von der Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden absehen konnte. Festgestellt wurde, dass 1967 von den bundesweit über 800 Sicherheitsverwahrten keine Person jünger als 25 Jahre war. In der Konsequenz nahm der Gesetzgeber 1969 alle Heranwachsenden aus dem Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung heraus. Ende der 60 er Jahre sollte die Sicherungsverwahrung nur noch auf Fälle von Anlasstaten nach Vollendung des 25. Lebensjahres beschränkt werden. (Kinzig 2008).
==Mögliche Sinnhaftigkeit der Sicherungsverwahrung==
Eine Maßregel bezweckt (juristisch gesehen) nicht den Ausgleich der Tatschuld, die der Täter auf sich geladen hatte, sondern ist ganz unabhängig von dem Gesichtspunkt der Schuld und des Schuldausgleichs eine Art polizeilich motivierter Vorbeugehaft zur Verhinderung künftiger Taten eines gefährlichen Individuums. Insofern handelt es sich bei der SV materiell um Gefahrenabwehr, also eine Angelegenheit der Polizei, während sie formell in der Zuständigkeit der Strafjustiz liegt.
Die Erforderlichkeit Sicherungsverwahrung (im Gesetzt) wird damit begründet, dass die Strafe rückwärtsgerichtet und durch die Schuld des Täters beschränkt ist. Dadurch entsteht die Sicherheitslücke, dass Täter die eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten, entlassen werden müssen. Das Risiko für die Gesellschaft vor den neuen Straftaten soll durch die Sicherung dieser Täter verringert werden. Das zu erbringende „Sonderopfer“ für nicht begangene Straftaten dar basiert auf der Gefährlichkeit für die Zukunft. Der „Zweck der Unterbringung ist in erster Linie der Schutz der Allgemeinheit.“ (Feest, 2006)
Die Sicherungsverwahrung ist ein Rechtsinstitut, das es ermöglicht, Straftäter auch nach dem Ablauf ihrer Freiheitsstrafe noch gefangen zu halten, um weitere Delikte dieser gefährlichen Rückfalltäter ("Hangtäter"; "Unverbesserlichen") zu verhindern. Insofern wird von den von dieser Maßregel betroffenen Personen zwangsweise verlangt, dass sie über ihre Bestrafung hinaus ein Opfer für die Gesellschaft bringen: man verwehrt ihnen trotz Strafablaufs ihre Entlassung in die Freiheit, um die Gesellschaft vor dem Risiko ihrer Rückfälligkeit zu bewahren. Obwohl das eine Art "Sonderopfer" darstellt, bei dem die Idee der Bestrafung keine Rolle mehr spielen sollte, ähnelt diese spezielle Art des Freiheitsentzugs der Freiheitsstrafe so sehr, dass unbefangene AnstaltsbesucherInnen auf den ersten Blick wohl kaum in der Lage wären, die Strafgefangenen von den Sicherungsverwahrten zu unterscheiden. So wird die S. zum Beispiel auf dem Gelände von Gefängnissen vollzogen. Außerdem sind alle Sicherungsverwahrten ehemalige Strafgefangene. Diejenigen Häftlinge, bei denen ein Gericht entweder bei oder nach dem Strafurteil zusätzlich noch die Sicherungsverwahrung angeordnet hatte, werden nach Ablauf ihrer Strafhaft eben nicht entlassen, sondern unter der veränderten Bezeichnung und bei verändertem rechtlichen Status in der Anstalt auch über das Ende ihrer Bestrafung hinaus gefangen gehalten, sofern sie vom zuständigen Gericht weiterhin als gefährlich angesehen werden. Hauptziel der Sicherungsverwahrung, die im Strafgesetzbuch nicht als Strafe, sondern als eine von mehreren dort vorgesehenen "Maßregeln der Besserung und Sicherung" firmiert, ist der Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Rückfalltätern ("Hangtätern"; "Unverbesserlichen"). Offen bleibt aber weiterhin die Frage, ob die Verschärfung des Rechts in Bezug auf die Sicherungsverwahrung durch einen objektiven Anstieg der Gewaltkriminalität veranlasst wurde oder nur einem gesteigerten Bedrohungsgefühl der Allgemeinhait Rechnung trug.




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