Selbstbestimmungsrecht der Völker: Unterschied zwischen den Versionen

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Das "Selbstbestimmungsrecht der Völker", das im 20. Jahrhundert maßgeblich durch den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson ins Gespräch gebracht wurde, ist ein völkerrechtliches Prinzip, demzufolge jedes Volk das Recht hat, frei, also unabhängig von ausländischen Einflüssen, über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden. Das Prinzip erlebte in der Phase der Dekolonialisierung eine neue Blüte. Schon unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg sprach auch die UN-Charta wieder vom "Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker" - und die beiden UN-Menschenrechtspakte von 1966 stellten gleich zu Beginn fest: "Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung."
Das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" ist ein völkerrechtliches Prinzip, demzufolge jedes Volk das Recht hat, frei, also unabhängig von ausländischen Einflüssen, über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden.


Das heißt allerdings nicht, dass alle Völker auch das Recht auf einen eigenen Staat haben. Denn mit dem Recht auf Selbstbestimmung kollidiert die Garantie der Unversehrtheit des Staates - also das Recht auf die territoriale Integrität eines jeden Staates. Dieses Prinzip ist die Grundbedingung eines (halbwegs) funktionierenden Völkerrechts. Der Staat hat grundsätzlich das Recht, separatistischen Bestrebungen entgegenzutreten.
== Rechtsgrundlagen ==


Im Allgemeinen gibt es deshalb trotz des Selbstbestimmungsrechts der Völker kein Sezessionsrecht für Völker, die sich in dem Staat, in dem sie leben, ungerecht behandelt fühlen. Wenn jedoch im Extremfall einer Volksgruppe die Ausrottung droht, dann schlägt das (normalerweise nur interne) Selbstbestimmungsrecht - das sonst nur ein Anspruch auf Minderheitenschutz und eine relative Autonomie innerhalb des Staates gibt - in ein Sezessionsrecht um.
Die Charta der Vereinten Nationen proklamiert das Selbstbestimmungsrecht der Völker im "Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker". Auch die beiden UN-Menschenrechtspakte von 1966 stellen gleich zu Beginn fest: "Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung."


Grundsätzlich kann deshalb ein Staat gegen eine abtrünnige Provinz (im Rahmen des Notwendigen und des humanitären Völkerrechts) auch mit Gewalt vorgehen. Andere Staaten haben nach der UN-Charta die Pflicht, "jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete ... Androhung oder Anwendung von Gewalt" zu unterlassen.
Das bedeutete z.B. für die Kolonien der europäischen Staaten, dass jedes von einem Kolonialstaat beherrschte Volk das Recht hatte, über sein Schicksal selbst zu entscheiden (Dekolonialisierung, staatliche Unabhängigkeit).
 
== Einschränkungen des Selbstbstimmungsrechts ==
 
Ob hingegen auch Völker, die zusammen mit anderen Völkern in einem Staat leben, aufgrund ihres Selbstbestimmungsrecht einen eigenen Staat verlangen und rechtmäßig die Sezession betreiben können, ist eine wesentlich kompliziertere Frage.
 
Nach herrschender Meinung lässt sich aus dem Selbstbestimmungsrecht der Völker grundsätzlich kein Recht zur Abspaltung und Gründung eines eigenen Staates (Sezession) herleiten. Das Selbstbestimmungsrecht könne und müsse innerhalb des Staates seinen Ausdruck finden: also in dem Recht auf die eigene Sprache, auf innerstaatlichen Minderheitenschutz, auf die Respektierung der jeweiligen Kultur und so weiter. Diesem Recht entspricht eine Pflicht der Regierung, die Rechte der Völker auf dem staatlichen Territorium zu achten und zu gewährleisten.
 
Der Grund für diese Begrenzung des Selbstbestimmungsrechts liegt in dem (gegenläufigen) Prinzip der territorialen Integrität aller Staaten - einer Grundvoraussetzung für halbwegs funktionierende internationale Beziehungen und für ein einigermaßen funktionierendes Völkerrecht. Das Prinzip der Respektierung der territorialen Integrität aller Staaten bedeutet z.B. auch, dass jeder Staat grundsätzlich das Recht hat, gegen separatistische Bestrebungen notfalls auch mit der jeweils erforderlichen Anwendung von polizeilicher oder militärischer Gewalt vorzugehen. Andere Staaten haben nach der UN-Charta die Pflicht, "jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete ... Androhung oder Anwendung von Gewalt" zu unterlassen.
 
== Ausnahmen vom Prinzip der territorialen Integrität ==
 
Nur in (extremen) Ausnahmefällen, in denen der Staat dieser Verpflichtung nicht nachkommt und z.B. ethnische Minderheiten bedroht oder ausrotten will, kann sich aus dem Selbstbestimmungsrecht auch ein Recht zur Abspaltung und zur Gründung eines eigenen Staates ergeben.
 
Die USA und einige andere Staaten nahmen eine solche Extremsituation z.B. im Falle "Kosovo" an. Russland konterte mit der Rechtfertigung einer Sezession in den Fällen "Abchasien" und "Südossetien".  In beiden Fällen argumentierte die jeweilige Gegenseite mit dem Prinzip der territorialen Integrität, während die Protagonisten der Unabhängigkeit behaupteten, dass die Sezession aufgrund eines drohenden Genozids gerechtfertigt gewesen sei.  


Wenn andererseits ein Staat seine Minderheiten schwer unterdrückt, könnte eine (im Rahmen des Notwendigen bleibende) sog. humanitäre Intervention anderer Staaten gerechtfertigt sein.
Bei dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, das im 20. Jahrhundert maßgeblich durch den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson ins Gespräch gebracht wurde, geht es um einen völkerrechtlichen Rechtssatz, demzufolge jedes Volk das Recht hat, frei, also unabhängig von ausländischen Einflüssen, über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden.


== Literatur ==
== Literatur ==
Anonymer Benutzer