Schulabsentismus: Unterschied zwischen den Versionen

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===Psychosoziale Auswirkungen===
===Psychosoziale Auswirkungen===
Für die Betroffenen kommt es durch häufige Unterrichtsversäumnisse zu einer Gefährdung von Schulabschlüssen und damit von Zukunftsperspektiven. Durch große Konkurrenz auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt haben Jugendliche ohne oder mit schlechtem Schulabschluss nur eingeschränkte Chancen.
Für die Betroffenen kommt es durch häufige Unterrichtsversäumnisse zu einer Gefährdung von Schulabschlüssen und damit von Zukunftsperspektiven. Durch große Konkurrenz auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt haben Jugendliche ohne oder mit schlechtem Schulabschluss nur eingeschränkte Chancen. Es entsteht eine Spirale aus Frustration durch Sanktionen und Misserfolgserlebnissen auf der einen Seite und Ausweichverhalten auf der anderen Seite, die sich gegenseitig verstärken.
Der Benachteiligung auf dem Beschäftigungsmarkt folgt meist eine finanzielle durch Arbeitslosigkeit oder Arbeit auf dem Niedriglohnsektor. Öffentliche Unterstützungssysteme müssen zur Grundsicherung bemüht werden. Eine Hartz IV- Karriere folgt nicht selten. Eine gesellschaftliche Teilhabe ist nur noch begrenzt möglich.
Der Benachteiligung auf dem Beschäftigungsmarkt folgt meist eine finanzielle durch Arbeitslosigkeit oder Arbeit auf dem Niedriglohnsektor. Öffentliche Unterstützungssysteme müssen zur Grundsicherung bemüht werden. Eine Hartz IV-Karriere folgt nicht selten. Eine gesellschaftliche Teilhabe ist nur begrenzt möglich.
Dadurch entsteht oft eine negative Selbstwahrnehmung und Resignation. Ein Teufelskreis entsteht, in dem sich Frustrationen durch Sanktionen und Misserfolgserlebnisse und Ausweichverhalten gegenseitig verstärken. Es kann zur Suche nach alternativen Formen zur Bestätigung kommen, z.B. durch waghalsiges oder delinquentes Verhalten. Auch "Fluchtverhalten" im Sinne von Suchtmittelkonsum kann vorkommen.
Dadurch entsteht oft eine negative Selbstwahrnehmung und Resignation. Es kann zur Suche nach alternativen Formen zur Bestätigung kommen, z.B. durch waghalsiges oder delinquentes Verhalten. Auch "Fluchtverhalten" im Sinne von Suchtmittelkonsum kann vorkommen.


===Abweichendes Verhalten und Kriminalität===
===Abweichendes Verhalten und Kriminalität===
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====Zusammenhang zwischen Schulabsentismus und Delinquenz====
====Zusammenhang zwischen Schulabsentismus und Delinquenz====
Der Zusammenhang zwischen [[Delinquenz]] und Schulabsentismus wurde in Dunkelfeldstudien mehrfach bestätigt. Dies ist keine neue Erkenntnis. Schon 1950 ergab eine Längsschnittstudie von Glueck und Glueck mit 1000 männlichen Jugendlichen, von denen die Hälfte straffällig geworden war, dass 94,8% der Delinquenten durch Schulschwänzen aufgefallen waren. Von der Vergleichsgruppe fielen nur 10,8% in ihrer Schulzeit durch Schwänzen auf ([http://de.wikipedia.org/wiki/Sheldon_Glueck vgl. Glueck, Sheldon und Glueck, Eleanor 1950]).
Der Zusammenhang zwischen [[Delinquenz]] und Schulabsentismus wurde in Dunkelfeldstudien mehrfach bestätigt. Dies ist keine neue Erkenntnis. Schon 1950 ergab eine Längsschnittstudie von Glueck und Glueck mit 1000 männlichen Jugendlichen, von denen die Hälfte straffällig geworden war, dass 94,8% der Delinquenten durch Schulschwänzen aufgefallen waren. Von der Vergleichsgruppe fielen nur 10,8% in ihrer Schulzeit durch Schwänzen auf ([http://de.wikipedia.org/wiki/Sheldon_Glueck vgl. Glueck, Sheldon und Glueck, Eleanor 1950]).
Joachim Witzel beschrieb das Schulschwänzen als "...eine typische Form kindlichen abweichenden Verhaltens, die ihrerseits ein Durchgangsstadium zu abweichendem bzw. delinquentem Verhalten des Jugend- und Erwachsenenalters bilden kann" (Winzel 1969, S.74 ).
Joachim Witzel beschrieb das Schulschwänzen als "...eine typische Form kindlichen abweichenden Verhaltens, die ihrerseits ein Durchgangsstadium zu abweichendem bzw. delinquentem Verhalten des Jugend- und Erwachsenenalters bilden kann" (Winzel 1969, S.74).


Spätere Längsschnittuntersuchungen belegen, dass es bei straffälligen Gewalttätern schon früh in deren Lebenslauf abweichendes Verhalten gegeben hat. Zu dem gleichen Ergebnis kommen auch Studien zur Rückfallwahrscheinlichkeit von Gewalttätern in einer "Längsschnittstudie" im Jahre 2007 von [http://webdoc.sub.gwdg.de/univerlag/2007/harrendorf_GSK_1_book.pdf Stefan Harrendorf]. Auch andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Das Max-Planck-Institut (MPI) führte eine Querschnittsuntersuchung unter der Leitung von Dietrich Oberwittler durch, an der 5331 Schülerinnen und Schüler der achten bis zehnten Klasse aus Köln und Freiburg beteiligt waren (vgl. Oberwittler et al 2001 ).
Spätere Längsschnittuntersuchungen belegen, dass es bei straffälligen Gewalttätern schon früh in deren Lebenslauf abweichendes Verhalten gegeben hat. Zu dem gleichen Ergebnis kommen auch Studien zur Rückfallwahrscheinlichkeit von Gewalttätern in einer "Längsschnittstudie" im Jahre 2007 von [http://webdoc.sub.gwdg.de/univerlag/2007/harrendorf_GSK_1_book.pdf Stefan Harrendorf]. Auch andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Das Max-Planck-Institut (MPI) führte eine Querschnittsuntersuchung unter der Leitung von Dietrich Oberwittler durch, an der 5331 Schülerinnen und Schüler der achten bis zehnten Klasse aus Köln und Freiburg beteiligt waren (vgl. Oberwittler et al 2001).
Die Auswertung dieser Datenerhebungen ergibt, dass mit der Häufigkeit des unentschuldigten Fernbleibens von der Schule die Wahrscheinlichkeit für delinquentes Verhalten steigt. Jugendliche, die regelmäßig die Schule besuchen, haben eine Kriminalitätsbelastung von 39,7%, davon sind 1,4% [[Intensivtäter]]. Dagegen haben die Schüler und Schülerinnen aus der Schülergruppe der Schulschwänzer schon eine Kriminalitätsbelastung von 70,2% (inklusiv 4,4% Intensivtäter). Auffallend ist der Prozentsatz bei den Schulverweigerern. Diese Heranwachsenden kommen auf eine Kriminalitätsbelastung von 92,1%. Davon sind 26,8% Intensivtäter. Auswertungen der Datenerhebungen der MPI-Schulbefragungen haben einen signifikanten Zusammenhang für den Anschluss an delinquente Cliquen festgestellt. So haben Heranwachsende, die die Schule schwänzen, eine dreifach höhere Chance, Kontakt zu delinquenten Peers zu knüpfen, als die Vergleichsgruppe (vgl. Frings 2007: S.215 ff.).
Die Auswertung dieser Datenerhebungen ergibt, dass mit der Häufigkeit des unentschuldigten Fernbleibens von der Schule die Wahrscheinlichkeit für delinquentes Verhalten steigt. Jugendliche, die regelmäßig die Schule besuchen, haben eine Kriminalitätsbelastung von 39,7%, davon sind 1,4% [[Intensivtäter]]. Dagegen haben die Schüler aus der Gruppe der Schulschwänzer schon eine Kriminalitätsbelastung von 70,2% (inklusiv 4,4% Intensivtäter). Auffallend ist der Prozentsatz bei den Schulverweigerern. Diese Heranwachsenden kommen auf eine Kriminalitätsbelastung von 92,1%. Davon sind 26,8% Intensivtäter. Auswertungen der Datenerhebungen der MPI-Schulbefragungen haben einen signifikanten Zusammenhang für den Anschluss an delinquente Cliquen festgestellt. So haben Jugendliche, die die Schule schwänzen, eine dreifach höhere Chance, Kontakt zu delinquenten Peers zu knüpfen, als die Vergleichsgruppe (vgl. Frings 2007: S.215 ff.).


===Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen===
===Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen===
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