Routine Activity Theory: Unterschied zwischen den Versionen

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== Ursprung ==
== Ursprung ==


Die RAT wurde erstmals 1979 von Lawrence E. Cohen und Marcus Felson formuliert (Cohen/Felson 1979)<ref>Cohen/Felson (1979), Social Change and Crime Rate Trends: A Routine Activity Approach. American Sociological Review 44, 588-608.</ref>. Ziel der Autoren war es,  Kriminalitätsraten in den USA zu erklären und insbesondere die Bedingungen zu eruieren, unter denen ganze Bevölkerungsgruppen Opfer krimineller Aktivitäten werden. Damit ist der RAT ursprünglich ein viktimologischer Ansatz (Eifler, 2002)<ref>Eifler (2002), Kriminalsoziologie, S. 52 - 55</ref>.
Die RAT wurde erstmals 1979 von Lawrence E. Cohen und Marcus Felson formuliert (Cohen/Felson 1979). Ziel der Autoren war es,  Kriminalitätsraten in den USA zu erklären und insbesondere die Bedingungen zu eruieren, unter denen ganze Bevölkerungsgruppen Opfer krimineller Aktivitäten werden. Damit ist der RAT ursprünglich ein viktimologischer Ansatz (Eifler, 2002).


Cohen und Felson (1979) <ref>Cohen/Felson (1979), Social Change and Crime Rate Trends: A Routine Activity Approach. American Sociological Review 44, 588-608.</ref> analysierten mit der RAT räumliche und zeitliche Aspekte bzw. untersuchten, bei welchen Gelegenheiten es zu einem Kontakt von Tätern und Opfern bei Diebstahls- und Raubdelikten sowie Körperverletzungen kommt. Ihr Erklärungsmodell macht den gesellschaftlichen Wandel, der sich in einem veränderten Grad sozialer Verflechtungen und Interaktionen zeigt, für die steigende Kriminalität (hier stehen vor allem die Eigentumsdelikte im Fokus der Aufmerksamkeit) verantwortlich.  
Cohen und Felson (1979)analysierten mit der RAT räumliche und zeitliche Aspekte bzw. untersuchten, bei welchen Gelegenheiten es zu einem Kontakt von Tätern und Opfern bei Diebstahls- und Raubdelikten sowie Körperverletzungen kommt. Ihr Erklärungsmodell macht den gesellschaftlichen Wandel, der sich in einem veränderten Grad sozialer Verflechtungen und Interaktionen zeigt, für die steigende Kriminalität (hier stehen vor allem die Eigentumsdelikte im Fokus der Aufmerksamkeit) verantwortlich.  


Der Begriff der routine activities bezeichnet in Anlehnung an Amaos Hawley (1950)<ref>Hawley, Human Ecology. A theory of Community Structure</ref> diejenigen Aktivitäten, die Menschen regelmäßig zum Zwecke der Existenzsicherung ausführen, wie z.B. die Ausübung eines Berufes, das Einkaufen von Lebensmitteln oder anderen Gütern des alltäglichen Bedarfs. Aus solchen Aktivitätsmustern großer Bevölkerungsgruppen ergeben sich der RAT zufolge jeweils spezifische Verteilungsmuster von Eigentumsdelikten (Eifler, 2002)<ref>Eifler (2002), Kriminalsoziologie, S. 52 - 55</ref>.
Der Begriff der routine activities bezeichnet in Anlehnung an Amaos Hawley (1950) diejenigen Aktivitäten, die Menschen regelmäßig zum Zwecke der Existenzsicherung ausführen, wie z.B. die Ausübung eines Berufes, das Einkaufen von Lebensmitteln oder anderen Gütern des alltäglichen Bedarfs. Aus solchen Aktivitätsmustern großer Bevölkerungsgruppen ergeben sich der RAT zufolge jeweils spezifische Verteilungsmuster von Eigentumsdelikten (Eifler, 2002).


Eine gestiegene Mobilität der US-amerikanischen Bevölkerung führt zunächst zu einer Besiedelung der Vororte (suburbs) größerer Städte. Wohn- und Arbeitsstelle sind in der Regel klar räumlich voneinander getrennt. Zeitlich auf diese Entwicklung folgend, führt ein zunehmender Anteil von berufstätigen Frauen zur relativen Auflösung informeller Kontrolle bzw. der informellen Kontrollsysteme.
Eine gestiegene Mobilität der US-amerikanischen Bevölkerung führt zunächst zu einer Besiedelung der Vororte (suburbs) größerer Städte. Wohn- und Arbeitsstelle sind in der Regel klar räumlich voneinander getrennt. Zeitlich auf diese Entwicklung folgend, führt ein zunehmender Anteil von berufstätigen Frauen zur relativen Auflösung informeller Kontrolle bzw. der informellen Kontrollsysteme.
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== Die Routine Activity Theory im Detail ==
== Die Routine Activity Theory im Detail ==


Die RAT betrachtet Kriminalität aus der Sicht des Täters und stellt auf die Rahmenbedingungen für die Begehung einer Straftat ab, wobei drei Elemente in den Vordergrund gestellt werden (vgl. Felson/Clarke 1998: 12 ff)<ref>Felson, M. (1998). Crime and Everyday Life, Second Edition. Thousand Oaks, CA: Pine Forge Press.</ref>:
Die RAT betrachtet Kriminalität aus der Sicht des Täters und stellt auf die Rahmenbedingungen für die Begehung einer Straftat ab, wobei drei Elemente in den Vordergrund gestellt werden (vgl. Felson/Clarke 1998: 12 ff):




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Access: Auch der Zugang zu einem Tatziel spielt eine wichtige Rolle. Ein nicht
Access: Auch der Zugang zu einem Tatziel spielt eine wichtige Rolle. Ein nicht
oder nicht wesentlich erschwerter Zugang erhöht die Geeignetheit als Tatziel
oder nicht wesentlich erschwerter Zugang erhöht die Geeignetheit als Tatziel
(Feltes, 2004 S. 49 ff)<ref>Feltes (2004),Wirksamkeit technischer Einbruchsprävention bei Wohn- und Geschäftsobjekten - Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung von aktuellem Täterwissen, S. 49 ff.</ref>
(Feltes, 2004 S. 49 ff)




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'''3. „presence of motivated offender“'''  
'''3. „presence of motivated offender“'''  


Voraussetzung für die Straftat ist ein motivierter Täter. Die Motivation kann dabei aus einem Bedürfnis entspringen (Armut, Beschaffungskriminalität, Habgier), aber auch auf gesellschaftlichen bzw. Umweltfaktoren basieren (Gruppendruck, Erziehungsdefizite, Rebellion gegen Autoritäten, ärmliche Lebensverhältnisse, schlechte Beschäftigungsaussichten) oder ihre Grundlage in der Überzeugung des Einzelnen haben (Feltes, 2004 S. 49 ff)<ref>Feltes (2004),Wirksamkeit technischer Einbruchsprävention bei Wohn- und Geschäftsobjekten - Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung von aktuellem Täterwissen, S. 49 ff.</ref>. Ob tatsächlich eine Straftat geschieht, hängt von der Bewertung der Situation durch den möglichen Straftäter ab.
Voraussetzung für die Straftat ist ein motivierter Täter. Die Motivation kann dabei aus einem Bedürfnis entspringen (Armut, Beschaffungskriminalität, Habgier), aber auch auf gesellschaftlichen bzw. Umweltfaktoren basieren (Gruppendruck, Erziehungsdefizite, Rebellion gegen Autoritäten, ärmliche Lebensverhältnisse, schlechte Beschäftigungsaussichten) oder ihre Grundlage in der Überzeugung des Einzelnen haben (Feltes, 2004 S. 49 ff). Ob tatsächlich eine Straftat geschieht, hängt von der Bewertung der Situation durch den möglichen Straftäter ab.




Je nachdem wie diese drei Elemente aufgrund des individuellen Lebensrhythmus verteilt sind, ergeben sich unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für Straftaten zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten (vgl. Eisenberg 1995: § 7 Rn. 12)<ref>Eisenberg (1995), Kriminologie 4. Aufl.</ref>. Hier wird angenommen, dass die Begehung einer strafrechtlich relevanten Handlung eine rationale Wahlhandlung darstellt, bei der der Handelnde in einer Kosten-Nutzen-Rechnung seinen potentiellen Gewinn den vermeintlichen Kosten gegenüberstellt. Solche Routinen spielen auch auf Seiten des Opfers eine große Rolle. Bei routinemäßig ablaufenden Aktivitäten, wie Fahrten zur Arbeit, Schule, Einkäufe etc., bleiben mögliche Tatobjekte unbewacht und dadurch entstehen kriminalitätsbegünstigende Faktoren (Büttner/Spengler, 2003)<ref>Büttner/Spengler (2003), Lokale Determinanten der Kriminalität und Tätermobilität: Eine empirische Studie mit Gemeindedaten. IN: Hans-Jörg Albrecht, u.a. (Hrsg.): Kriminalität, Ökonomie und Europäischer Sozialstaat. Heidelberg, S. 215–240.</ref>.
Je nachdem wie diese drei Elemente aufgrund des individuellen Lebensrhythmus verteilt sind, ergeben sich unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für Straftaten zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten (vgl. Eisenberg 1995: § 7 Rn. 12). Hier wird angenommen, dass die Begehung einer strafrechtlich relevanten Handlung eine rationale Wahlhandlung darstellt, bei der der Handelnde in einer Kosten-Nutzen-Rechnung seinen potentiellen Gewinn den vermeintlichen Kosten gegenüberstellt. Solche Routinen spielen auch auf Seiten des Opfers eine große Rolle. Bei routinemäßig ablaufenden Aktivitäten, wie Fahrten zur Arbeit, Schule, Einkäufe etc., bleiben mögliche Tatobjekte unbewacht und dadurch entstehen kriminalitätsbegünstigende Faktoren (Büttner/Spengler, 2003).


== Zeitliche und theoretische Einordnung ==
== Zeitliche und theoretische Einordnung ==