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Neoliberale Wirtschaftkonzepte (Chicagoer Schule um Milton Friedman) und ein moralisch–religiöser Konservatismus nehmen immer mehr Einfluss auf politisches Handeln. Es kommt zunehmend zu einer Ökonomisierung des Sozialen und zur Privatisierung vormaliger staatlicher Aufgaben. Neben der Individualisierung und dem Bedeutungsverlust traditioneller Institutionen, wie der Familie und sozialer Netzwerke verstärkt der ökonomische Zwang zur Flexibilität und Mobilität die soziale Desintegration. Garland beschreibt diesen Prozess als den Wechsel von ökonomischer Kontrolle und sozialer Befreiung hin zu ökonomischer Freiheit und sozialer Kontrolle (Garland, 2008).  
Neoliberale Wirtschaftkonzepte (Chicagoer Schule um Milton Friedman) und ein moralisch–religiöser Konservatismus nehmen immer mehr Einfluss auf politisches Handeln. Es kommt zunehmend zu einer Ökonomisierung des Sozialen und zur Privatisierung vormaliger staatlicher Aufgaben. Neben der Individualisierung und dem Bedeutungsverlust traditioneller Institutionen, wie der Familie und sozialer Netzwerke verstärkt der ökonomische Zwang zur Flexibilität und Mobilität die soziale Desintegration. Garland beschreibt diesen Prozess als den Wechsel von ökonomischer Kontrolle und sozialer Befreiung hin zu ökonomischer Freiheit und sozialer Kontrolle (Garland, 2008).  


Ökonomische Kriminalitätstheorien, mit dem Menschenbild des „homo oeconomicus“ (Becker), nehmen zunehmend Einfluss auf politisches Handeln. Die Übertragung ökonomischer Prinzipien auf menschliches Verhalten beruht auf der Vorstellung, der Mensch sei ein homo oeconomicus, der seine knappen Mittel kraft rationaler Wahl zur Erlangung des größten subjektiven Nutzens einsetzt (Kunz, 2004).
Ökonomische Kriminalitätstheorien, mit dem Menschenbild des „homo oeconomicus“ (Becker), (beachte http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_oeconomicus) nehmen zunehmend Einfluss auf politisches Handeln. Die Übertragung ökonomischer Prinzipien auf menschliches Verhalten beruht auf der Vorstellung, der Mensch sei ein homo oeconomicus, der seine knappen Mittel kraft rationaler Wahl zur Erlangung des größten subjektiven Nutzens einsetzt (Kunz, 2004).


Formal lässt sich die RAT den Kriminalitätstheorien sozialer Desorganisation (Social Disorganisation Therories of Crime) zuordnen. Diesen Theorien ist ihre makrotheoretische Perspektive mit zumeist orts- und nicht personenzentrierten Erklärungsansätzen für das Auftreten strafrechtlich relevanter Handlungen gemein (siehe: Environmental Criminology). Bekannte Vertreter dieser Theorierichtung sind aus der sog. Chicago School hervorgegangen, so z.B. der sozialökologische Ansatz von Robert E. Park oder das Zonenmodell der Stadtentwicklung von Ernest W. Burgess.
Formal lässt sich die RAT den Kriminalitätstheorien sozialer Desorganisation (Social Disorganisation Therories of Crime) zuordnen. Diesen Theorien ist ihre makrotheoretische Perspektive mit zumeist orts- und nicht personenzentrierten Erklärungsansätzen für das Auftreten strafrechtlich relevanter Handlungen gemein (siehe: Environmental Criminology). Bekannte Vertreter dieser Theorierichtung sind aus der sog. Chicago School hervorgegangen, so z.B. der sozialökologische Ansatz von Robert E. Park oder das Zonenmodell der Stadtentwicklung von Ernest W. Burgess.
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Die RAT gliedert sich insofern in diesen Theoriezweig ein, als sie akteurszentrierte und entwicklungspsychologische Erklärungsansätze ablehnt. Aus Sicht der RAT sind Akteure lediglich Objekte, deren mögliche Handlungsmotive und Dispositionen unberücksichtigt bleiben. Das zeigt sich bereits an den verwendeten Termini: Anstelle von Opfer (victim) wird das wertneutralere Wort Ziel (target) verwendet, statt vom Verbrechen (crime) wird von Verstoß / Übertretung (violation) gesprochen. Und schließlich zeugt die Tatsache, dass ein wesentliches Element der RAT durch seine Abwesenheit definiert wird (nämlich: Abwesenheit eines fähigen Wächters / absence of a capable guardian), vom Bemühen, einen entpersonalisierten Erklärungsansatz für kriminelles Verhalten zu formulieren, fernab biologischer, persönlichkeitsbezogener oder sozialstruktureller Modelle.  
Die RAT gliedert sich insofern in diesen Theoriezweig ein, als sie akteurszentrierte und entwicklungspsychologische Erklärungsansätze ablehnt. Aus Sicht der RAT sind Akteure lediglich Objekte, deren mögliche Handlungsmotive und Dispositionen unberücksichtigt bleiben. Das zeigt sich bereits an den verwendeten Termini: Anstelle von Opfer (victim) wird das wertneutralere Wort Ziel (target) verwendet, statt vom Verbrechen (crime) wird von Verstoß / Übertretung (violation) gesprochen. Und schließlich zeugt die Tatsache, dass ein wesentliches Element der RAT durch seine Abwesenheit definiert wird (nämlich: Abwesenheit eines fähigen Wächters / absence of a capable guardian), vom Bemühen, einen entpersonalisierten Erklärungsansatz für kriminelles Verhalten zu formulieren, fernab biologischer, persönlichkeitsbezogener oder sozialstruktureller Modelle.  


Gemeinsamkeiten sind auch mit der Theorie rationaler Wahlhandlungen (Rational Choice) (beachte http://de.wikipedia.org/wiki/Theorie_der_rationalen_Entscheidung) gegeben. Die RAT geht implizit von einem rational agierenden Straftäter aus, der sich von situativen Momenten leiten lässt (Vorhandensein eines lohnenden Zielobjekts, Abwesenheit eines fähigen Wächters). Entscheidender Unterschied zwischen den beiden Theorien sind die unterschiedlichen Erklärungsebenen (RAT = Makroebene, Rational Choice = Mikroebene) und die unterschiedliche Einbeziehung akteursspezifischer Dispositionen in die Erklärung kriminellen Verhaltens.  
Gemeinsamkeiten sind auch mit der Theorie rationaler Wahlhandlungen (Rational Choice) gegeben. Die RAT geht implizit von einem rational agierenden Straftäter aus, der sich von situativen Momenten leiten lässt (Vorhandensein eines lohnenden Zielobjekts, Abwesenheit eines fähigen Wächters). Entscheidender Unterschied zwischen den beiden Theorien sind die unterschiedlichen Erklärungsebenen (RAT = Makroebene, Rational Choice = Mikroebene) und die unterschiedliche Einbeziehung akteursspezifischer Dispositionen in die Erklärung kriminellen Verhaltens.  


Die RAT dient als theoretisches Fundament situativer Präventionsansätze. Hier ist vor allem die Situational Crime Prevention (Clarke 1993) zu nennen. Der Annahme der RAT folgend, dass ein Verbrechen ein zeitgleiches Aufeinandertreffen der drei Elemente (suitable target, absence of a capable guardian, likely offender) an einem Ort voraussetzt, werden bei situativen Präventionsmaßnahmen die Tatgelegenheiten erschwert. So kann beispielsweise durch den serienmäßigen Einbau von Wegfahrsperren in Kfz’s dem Autodiebstahl vorgebeugt werden oder durch ein zügiges Entfernen von Graffiti Sprühern der Anreiz genommen werden, erneut Sachbeschädigungen zu verursachen. Eine Übersicht von insgesamt 25 Techniken zur situativen Kriminalitäts-Prävention findet sich bei Cornish und Clarke (2003).
Die RAT dient als theoretisches Fundament situativer Präventionsansätze. Hier ist vor allem die Situational Crime Prevention (Clarke 1993) zu nennen. Der Annahme der RAT folgend, dass ein Verbrechen ein zeitgleiches Aufeinandertreffen der drei Elemente (suitable target, absence of a capable guardian, likely offender) an einem Ort voraussetzt, werden bei situativen Präventionsmaßnahmen die Tatgelegenheiten erschwert. So kann beispielsweise durch den serienmäßigen Einbau von Wegfahrsperren in Kfz’s dem Autodiebstahl vorgebeugt werden oder durch ein zügiges Entfernen von Graffiti Sprühern der Anreiz genommen werden, erneut Sachbeschädigungen zu verursachen. Eine Übersicht von insgesamt 25 Techniken zur situativen Kriminalitäts-Prävention findet sich bei Cornish und Clarke (2003).
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