Religion und ihre kriminologische Relevanz heute (erste Gedanken...:))

Religion wird in Zukunft eine grössere Rolle innerhalb der Kriminologie spielen müssen, als sie es seit der Aufklärung und bis zu den Anschlägen des 11. September getan hat. Konkreter ist hier von jenem Teil der Kriminologie die Rede, welcher sich mit Terrorismus beschäftigt. Der terroristische Anschlag auf eines der geballtesten Wirtschaftszentren der USA hatte eine Art Zweiteilung der Welt in östliche, islamistische Gesellschaften (Religion und Staat sind eng inneinander verwoben) und westliche, demokratische Gesllschaften (Religion und Staat sind zwei verschiedene Paar Schuhe) nach sich gezogen. Die Spaltung der beiden Arten von Gesellschaft wird immer grösser, je weniger gegenseitiges Verständnis aufgebracht wird, bzw. je stärker der Konflikt mit Gewalt (staatlicher oder terroristischer) versucht wird zu lösen. Auf Grund ihrer religiösen Glaubensüberzeugung und der Aussicht die westliche Welt zu demoralisieren und zu schwächen - ist sie ja diejenige, die versucht islamistischen Staaten die Existenzberechtigung zu entziehen und sie durch Kriegsführung bzw. -bedrohung zu zerstören - sind Attentäter bereit in den Tod zu gehen. Diese Bereitschaft ist für die westliche Welt heute allgemein nicht nachvollziehbar, geschweige denn verständlich oder berechtigt. Dennoch ist jene religiös motivierte Energie die anti-westliche Antriebskraft des heutigen weltweiten Terrorismus gegen die westliche Welt und die Kriminologie täte gut daran, sich innerhalb der heutigen Terrorismusforschung diesen religiösen Überzeugungen zu widmen um Erkenntnisse darüber eventuell innerhalb der Prävention einsetzen zu können.

Die Enquetekommission des Bundestages "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" von 1995 hat sich eingehend mit dem Gefährdungspotential verschiedener religiöser Gruppen beschäftigt. Sie hat zwar verschiedene Handlungsempfehlungen in Form von Gesetzesvorschlägen gegeben, bemerkenswert ist aber, dass diese wenig mit den zugrundeliegenden (teils im Auftrag der Enquetekommission erarbeiteten) wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema zu tun haben. (Siehe insbesondere das sehr aufschlußreiche Sondervotum von Hubert Seiwert und einer Grünen-Abgeordneten.) Da ein großer Teil der Kommissionsmitglieder den großen Kirchen und ihnen nahestehenden Interessenvertretern entstammen, ist es naheliegend, dass die Handlungsempfehlungen und einige nicht empirisch belegte Aussagen z.B. über satanistische Praktiken vor allem durch deren Einfluss in den Abschlussbericht gelangt sein könnten. Es scheint deshalb zumindest bis 1995 kein wesentlich erhöhtes Gefährungspotential durch religiöse Straftäter gegeben zu haben.