Rechtsstaat: Unterschied zwischen den Versionen

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Der Rechtsstaat entstand aus dem Widerstand gegen die Willkür unkontrollierter Machtkonzentrationen an der Spitze politischer Herrschaftssysteme und aus dem Bedürfnis der Machtunterworfenen nach Begrenzung und Berechenbarkeit der Herrschaft. Bürgerfreiheit und Rechtssicherheit erforderten - und erfordern - die Neutralisierung faktischer Machtunterschiede durch die Begrenzung der Einsetzbarkeit faktischer Übermacht.  
Der Rechtsstaat entstand aus dem Widerstand gegen die Willkür unkontrollierter Machtkonzentrationen an der Spitze politischer Herrschaftssysteme und aus dem Bedürfnis der Machtunterworfenen nach Begrenzung und Berechenbarkeit der Herrschaft. Bürgerfreiheit und Rechtssicherheit erforderten - und erfordern - die Neutralisierung faktischer Machtunterschiede durch die Begrenzung der Einsetzbarkeit faktischer Übermacht.  


Gegen die Übermacht der staatlichen Zwangsstäbe im Verhältnis zu den Herrschaftsunterworfenen können diese im Rechtsstaat die [[Justizgrundrecht|Justizgrundrechte]] beanspruchen: Rechtsweggarantie, Anspruch auf rechtliches Gehör und auf den gesetzlichen Richter sowie Analogie- und Doppelbestrafungsverbot gehören hierher.
Der Rechtsstaat hat zwei problematische Machtdifferenzen im Blick: erstens die von Bürgern untereinander (Reiche und Arme; Einflussreiche und Einflusslose ...) und zweitens die zwischen Herrschern und Herrschaftsunterworfenen.
 
Der Rechtsstaat neutralisiert die sozialen Differenzen durch die Allgemeinheit seiner Rechtsregeln ("gleiches Recht für alle"; Gleichheit vor dem Gesetz).
 
Der Rechtsstaat neutralisiert die politischen Differenzen zwischen Herrschaftsausübenden und Herrschaftsunterworfenen dadurch, dass er auch die Herrschaftsausübenden den Regeln des Rechts unterwirft. Die Herrschenden stehen nicht über dem Gesetz ("princeps legibus solutus"), sondern sind ihm wie alle anderen unterworfen.
 
Insofern legt der Rechtsstaat den Herrschenden Fesseln an. Zu diesen Fesseln gehören vor allem die Abwehrrechte der Bürger gegen Verletzungen ihrer Grundrechte.
 
Garantiert wird die Bürgerfreiheit durch bestimmte Verfahren, die eingehalten werden müssen, wenn staatliche Stellen etwas gegen einen Bürger unternehmen wollen.
 
Das sind vor allem die [[Justizgrundrecht|Justizgrundrechte]], also die Rechtsweggarantie, die Ansprüche auf rechtliches Gehör und auf den gesetzlichen Richter sowie die Verbote der Analogie, der Rückwirkung und der Doppelbestrafung im Bereich des Strafrechts.
 
Auch das materielle Strafrecht unterliegt im Rechtsstaat bestimmten Restriktionen, die der Verteidigung der Freiheit des Bürgers dienen sollen.
 
Das Recht des Staates, Individuen zu bestrafen, darf weder der Willkür der Herrschenden noch politischen Zweckmäßigkeitserwägungen untergeordnet werden. Im Rechtsstaat dient das Strafrecht nur dem Rechtsgüterschutz - und nicht jedes beliebige staats- oder sozialpolitische Ziel darf zum Rechtsgut erklärt werden.
 
Politische Vorhaben, die z.B. der sozialen Gerechtigkeit oder "public health" dienen - wie etwa das Bestreben zur Zurückdrängung des Anteils der Zigarettenraucher in der Gesellschaft - dürfen im Rechtsstaat nicht mit dem Strafrecht verfolgt werden (so wie im 17. Jahrhundert in Russland und im Osmanischen Reich, wo man Raucher gelegentlich hinrichtete), sondern nur mit den allgemeinen Mitteln der Politik wie etwa der Besteuerung, der Aufklärung, der Erziehung und so weiter. Es können auch Regeln aufgestellt werden wie etwa das Verbot des Rauchens in bestimmten Räumen, doch die Verletzung dieser Regeln zieht im Rechtsstaat keine Kriminalstrafen nach sich, sondern moralisch indifferente Bußen für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten.  
 


Dies ist insbesondere dort von Bedeutung, wo der Unterworfene Gefahr läuft, die Gewalt des Staates unmittelbar zu spüren zu bekommen, nämlich in der Konfrontation mit den (bewaffneten) Zwangsstäben und der Strafjustiz.


Die Polizei ist im Rechtsstaat nicht souverän: sie entscheidet nicht über Leben und Tod, sondern ist verfplichtet, einen Verdächtigen nach Möglichkeit lebend zu identifizieren und einem geregelten Verfahren zur Feststellung von Normverletzungen zuzuführen. Nur wo dies nicht möglich ist und unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht, die anders nicht abgewendet werden kann, ist die Polizei zur Verletzung oder Tötung von Verdächtigen befugt.
Die Polizei ist im Rechtsstaat nicht souverän: sie entscheidet nicht über Leben und Tod, sondern ist verfplichtet, einen Verdächtigen nach Möglichkeit lebend zu identifizieren und einem geregelten Verfahren zur Feststellung von Normverletzungen zuzuführen. Nur wo dies nicht möglich ist und unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht, die anders nicht abgewendet werden kann, ist die Polizei zur Verletzung oder Tötung von Verdächtigen befugt.
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