Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch: Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 13: Zeile 13:


Schneider definiert den sexuellen Missbrauch an Kindern als ,,Kontakte und Interaktionen zwischen einem Kind und einem Erwachsenen, bei denen das Kind als Objekt zur sexuellen Stimulation des Täter bzw. der Täterin oder einer anderen Person missbraucht wird" (Schneider 2001: 91ff.).  Allerdings besteht auch die Gefahr, dass harmlose Verstöße, wie etwa anzügliche Blicke (vgl. Engfer 1998: 1007) oder das Beobachten des Kindes beim Baden zu den Arten sex. Missbrauchs  (Bange 1992: 102) bzw. als sexuelle Übergriffe verstanden werden. Uneingeschränkte Zustimmung findet es, dass durch Drohungen und körperliche Gewalt erzwungene sexuelle Handlungen sexuellen Missbrauch darstellen (Bange 1992: 102). Kennzeichnend für sexuellen Missbrauch allgemein ist ein Machtgefälle zwischen Täter und Opfer, wobei der Täter seine Autoritätsstellung oder Vertrauensposition ausnutzt, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten der abhängigen Person zu befriedigen. Sexueller Missbrauch ist somit Missbrauch von Macht in Erziehungs-, Betreuungs- und Ausbildungsverhältnissen oder auch von Machtungleichheiten bei Geschlechtern (vgl. Weber & Rohleder 1995: S. 29).  
Schneider definiert den sexuellen Missbrauch an Kindern als ,,Kontakte und Interaktionen zwischen einem Kind und einem Erwachsenen, bei denen das Kind als Objekt zur sexuellen Stimulation des Täter bzw. der Täterin oder einer anderen Person missbraucht wird" (Schneider 2001: 91ff.).  Allerdings besteht auch die Gefahr, dass harmlose Verstöße, wie etwa anzügliche Blicke (vgl. Engfer 1998: 1007) oder das Beobachten des Kindes beim Baden zu den Arten sex. Missbrauchs  (Bange 1992: 102) bzw. als sexuelle Übergriffe verstanden werden. Uneingeschränkte Zustimmung findet es, dass durch Drohungen und körperliche Gewalt erzwungene sexuelle Handlungen sexuellen Missbrauch darstellen (Bange 1992: 102). Kennzeichnend für sexuellen Missbrauch allgemein ist ein Machtgefälle zwischen Täter und Opfer, wobei der Täter seine Autoritätsstellung oder Vertrauensposition ausnutzt, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten der abhängigen Person zu befriedigen. Sexueller Missbrauch ist somit Missbrauch von Macht in Erziehungs-, Betreuungs- und Ausbildungsverhältnissen oder auch von Machtungleichheiten bei Geschlechtern (vgl. Weber & Rohleder 1995: S. 29).  
Der '''Diskussions- und Forschungsstand''' zu sexuellen Missbrauch lässt sich auf folgenden Nenner bringen: sexueller Missbrauch wird einerseits verharmlost und tabuisiert, andererseits mystifiziert und instrumentalisiert.




Zeile 24: Zeile 21:
* Tabelle B: Umgebungsbezogene Faktoren (Risikofaktoren - Schutzfaktoren)
* Tabelle B: Umgebungsbezogene Faktoren (Risikofaktoren - Schutzfaktoren)
* Tabelle C: Gesellschaftliche und kulturelle Faktoren
* Tabelle C: Gesellschaftliche und kulturelle Faktoren


==Zielgruppenorientierte Präventionsprogramme und -projekte==
==Zielgruppenorientierte Präventionsprogramme und -projekte==
Zeile 73: Zeile 71:
==Konzeptionen zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern in Deutschland==
==Konzeptionen zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern in Deutschland==


Spektakuläre und tragische Einzelfälle führten auch in Deutschland zum Ruf nach Strafverschärfung und härterem Umgang mit Sexualstraftätern. Entgegen einem verbreiteten Eindruck sind jedoch Missbrauchsfälle mit steigender Anwendung von Urlaub, Freigang und anderen Lockerungen in der Regel prozentual nicht gestiegen, sondern umgekehrt zurückgegangen sind (Bundesministerium des Innern / Bundesministerium der Justiz 2006: 122).
Spektakuläre und tragische Einzelfälle führten auch in Deutschland zum Ruf nach Strafverschärfung und härterem Umgang mit Sexualstraftätern. Entgegen einem verbreiteten Eindruck sind jedoch Missbrauchsfälle mit steigender Anwendung von Urlaub, Freigang und anderen Lockerungen in der Regel prozentual nicht gestiegen, sondern umgekehrt zurückgegangen (Bundesministerium des Innern / Bundesministerium der Justiz 2006: 122).


Seit 2006 entstanden in den Bundesländern - beginnend mit Bayern - unterschiedliche Konzeptionen, die dieses Phänomen zum Regelungsgegenstand machten.
Seit 2006 entstanden in den Bundesländern - beginnend mit Bayern - unterschiedliche Konzeptionen, die dieses Phänomen zum Regelungsgegenstand machten.
Zeile 89: Zeile 87:


Die zunehmende staatliche Repression und wachsende ‚Lust auf Strafe’ werden als zwei parallele Prozesse und Entwicklungen gesehen, die sich in allen post-modernen Gesellschaften beobachten lassen und denen sich Politiker und deren Parteien fügen und unterwerfen, ihn instrumentalisieren, wenn nicht sogar schüren (Sack 2006).
Die zunehmende staatliche Repression und wachsende ‚Lust auf Strafe’ werden als zwei parallele Prozesse und Entwicklungen gesehen, die sich in allen post-modernen Gesellschaften beobachten lassen und denen sich Politiker und deren Parteien fügen und unterwerfen, ihn instrumentalisieren, wenn nicht sogar schüren (Sack 2006).


====Bayern: [[HEADS in Bayern]]: '''H'''aft-'''E'''ntlassenen-'''A'''uskunfts-'''D'''atei-'''S'''exualstraftäter (ab 01.10.2006)====
====Bayern: [[HEADS in Bayern]]: '''H'''aft-'''E'''ntlassenen-'''A'''uskunfts-'''D'''atei-'''S'''exualstraftäter (ab 01.10.2006)====
Zeile 96: Zeile 93:
====Niedersachsen: [[K.U.R.S. Niedersachsen]], "'''K'''onzeption zum '''U'''mgang mit '''r'''ückfallgefährdeten '''S'''exualstraftätern/innen" (ab 01.10.2007)====  
====Niedersachsen: [[K.U.R.S. Niedersachsen]], "'''K'''onzeption zum '''U'''mgang mit '''r'''ückfallgefährdeten '''S'''exualstraftätern/innen" (ab 01.10.2007)====  
Als zweites Bundesland führte Niedersachsen [[K.U.R.S. Niedersachsen]] ein. Das Ziel ist die Verhinderung von Rückfällen von Sexualstraftätern, die aus der [[Haft]] entlassen wurden und unter Führungsaufsicht stehen. Damit sollen der Überwachungsauftrag der Führungsaufsicht und die Gefahrenabwehraufgabe der Polizei vereint werden. In der Zentralstelle von KURS werden übermittelte Informationen der Justiz und des [[Maßregelvollzug]]es ausgewertet, mit Erkenntnissen aus den polizeilichen Datenquellen angereichert und in der neu eingerichteten Datei gespeichert. Das LKA leitet die Informationen an die örtlich zuständigen Polizeiinspektionen weiter. Dort entscheiden spezielle Sachbearbeiter über geeignete gefahrenabwehrende Maßnahmen, wie z. B. die Ansprache der betroffenen Person, um eine präventive Wirkung zu erzielen.  
Als zweites Bundesland führte Niedersachsen [[K.U.R.S. Niedersachsen]] ein. Das Ziel ist die Verhinderung von Rückfällen von Sexualstraftätern, die aus der [[Haft]] entlassen wurden und unter Führungsaufsicht stehen. Damit sollen der Überwachungsauftrag der Führungsaufsicht und die Gefahrenabwehraufgabe der Polizei vereint werden. In der Zentralstelle von KURS werden übermittelte Informationen der Justiz und des [[Maßregelvollzug]]es ausgewertet, mit Erkenntnissen aus den polizeilichen Datenquellen angereichert und in der neu eingerichteten Datei gespeichert. Das LKA leitet die Informationen an die örtlich zuständigen Polizeiinspektionen weiter. Dort entscheiden spezielle Sachbearbeiter über geeignete gefahrenabwehrende Maßnahmen, wie z. B. die Ansprache der betroffenen Person, um eine präventive Wirkung zu erzielen.  


====Hamburg: [[SURE]] – '''S'''icherheits- '''u'''nd '''R'''isikomanagement für '''E'''ntlassene (seit 01.01.2008)====
====Hamburg: [[SURE]] – '''S'''icherheits- '''u'''nd '''R'''isikomanagement für '''E'''ntlassene (seit 01.01.2008)====
Zeile 136: Zeile 132:


* Im KURS-Modell soll der so genannte Sicherheitsmanager das Risikopotenzial seiner Probanden identifizieren, analysieren und bewerten ohne sozialpädagogische Methoden anzuwenden. Der sozialarbeiterische Hilfsprozess wird hierbei in den Hintergrund verlagert, während im Gegenzug eine Konzentration auf die Kontroll- und Überwachungsfunktionen erfolgt. Dabei wird der Verlust des Erkennens bzw. Verhinderns erneuter Sexualdelinquenz durch den Bewährungshelfer durch die dominante Kontrollfunktion in Kauf genommen.
* Im KURS-Modell soll der so genannte Sicherheitsmanager das Risikopotenzial seiner Probanden identifizieren, analysieren und bewerten ohne sozialpädagogische Methoden anzuwenden. Der sozialarbeiterische Hilfsprozess wird hierbei in den Hintergrund verlagert, während im Gegenzug eine Konzentration auf die Kontroll- und Überwachungsfunktionen erfolgt. Dabei wird der Verlust des Erkennens bzw. Verhinderns erneuter Sexualdelinquenz durch den Bewährungshelfer durch die dominante Kontrollfunktion in Kauf genommen.


==Literatur==
==Literatur==
* Bange, D. (1992): Die dunkle Seite der Kindheit. Sexueller Mißbrauch an Mädchen und Jungen, Ausmaß - Hintergründe - Folgen, Köln
* Bange, D. (1992): Die dunkle Seite der Kindheit. Sexueller Mißbrauch an Mädchen und Jungen, Ausmaß - Hintergründe - Folgen, Köln
* Engfer, A. (1998): Sexueller Missbrauch. In Oerter, R. & Montada, L. (Hrsg.), Entwicklungspsychologie, Weinheim, Basel, Berlin
* Fey, E. (1988): Von unabhängigen Müttern, starken Kindern, dem Sinn des Ungehorsams und sozialen Netzen. in Kazis, K. (Hrsg.): Dem Schweigen ein Ende. Sexuelle Ausbeutung von Kindern in der Familie, Basel
* Klug, Wolfgang (2008): Risikoorientierte Bewährungshilfe – ein Modell? Auseinandersetzung mit einem Züricher Konzept. In: Bewährungshilfe Heft 2/2008, S. 167- 179
* Klug, Wolfgang (2008): Risikoorientierte Bewährungshilfe – ein Modell? Auseinandersetzung mit einem Züricher Konzept. In: Bewährungshilfe Heft 2/2008, S. 167- 179
* Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang (2000): Warum und wie die Strafjustiz spart. In: Rottleuthner, H. (Hrsg.) (2000): Armer Rechtstaat. Beiträge zur Jahrestagung der Vereinigung für Rechtssoziologie in Innsbruck 1998. Baden-Baden.
* Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang (2000): Warum und wie die Strafjustiz spart. In: Rottleuthner, H. (Hrsg.) (2000): Armer Rechtstaat. Beiträge zur Jahrestagung der Vereinigung für Rechtssoziologie in Innsbruck 1998. Baden-Baden.
Zeile 150: Zeile 143:
* Weber, M. & Rohleder, C. (1995): Sexueller Missbrauch. Jugendhilfe zwischen Aufbruch und Rückschritt, Münster
* Weber, M. & Rohleder, C. (1995): Sexueller Missbrauch. Jugendhilfe zwischen Aufbruch und Rückschritt, Münster
* Bundesministerium des Innern / Bundesministerium der Justiz (2006): Behandlungsvollzug und Sicherheit der Allgemeinheit vor Straftaten, In: Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht. Berlin
* Bundesministerium des Innern / Bundesministerium der Justiz (2006): Behandlungsvollzug und Sicherheit der Allgemeinheit vor Straftaten, In: Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht. Berlin


==Weblinks==
==Weblinks==
Zeile 157: Zeile 149:
* K.U.R.S. Niedersachsen - [http://www.mj.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=3745&article_id=10272&_psmand=13 Pressemitteilung] des Nds. Justizministeriums vom 21.11.2007).
* K.U.R.S. Niedersachsen - [http://www.mj.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=3745&article_id=10272&_psmand=13 Pressemitteilung] des Nds. Justizministeriums vom 21.11.2007).
* Sack, Fritz (2006): [http://www.fritz-sack.com/ThesenArgumente.htm Einige Thesen und Argumente zur gegenwärtigen Kriminalpolitik
* Sack, Fritz (2006): [http://www.fritz-sack.com/ThesenArgumente.htm Einige Thesen und Argumente zur gegenwärtigen Kriminalpolitik
* [http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/SexuellerMissbrauch.shtml Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen]
* Informationsangebot der [http://www.polizei-beratung.de/rat_hilfe/opferinfo/sexueller_missbrauch_von_kindern/ Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes]
* Informationsangebot der [http://www.polizei-beratung.de/rat_hilfe/opferinfo/sexueller_missbrauch_von_kindern/ Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes]
* [http://www.psychologie.uni-freiburg.de/Members/wetzel/lehre/SexuellerMissbrauch/download Katalog der Risiko- und Schutzfaktoren bei Kindesmisshandlung und -missbrauch]
* [http://www.psychologie.uni-freiburg.de/Members/wetzel/lehre/SexuellerMissbrauch/download Institut für Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Katalog der Risiko- und Schutzfaktoren bei Kindesmisshandlung und -missbrauch]
* [http://www.bka.de/pks/pks2009/download/pks2009_imk_kurzbericht.pdf Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 - Kurzbericht]
* [http://www.bka.de/pks/pks2009/download/pks2009_imk_kurzbericht.pdf Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 - Kurzbericht]
* PKS 2009: [http://www.bka.de/pks/zeitreihen/pdf/t01.pdf Zeitreihen von 1987 - 2009]
* PKS 2009: [http://www.bka.de/pks/zeitreihen/pdf/t01.pdf Zeitreihen von 1987 - 2009]
636

Bearbeitungen