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Otto Gross (1877-1920) war österreichischer Arzt, Psychiater, Psychonalytiker, Anarchist und Revolutionär

Inhaltsverzeichnis

Leben

Otto Hans Adolf Gross wurde am 17. März 1877 in Gniebing bei Feldbach in der Steiermark (Österreich) als Sohn des Professors für österreichisches Strafrecht und Strafprozessrecht Hans Gross (1847-1915) und Adele Gross geb. Raymann (1854-1942) geboren.

1894 begann er nach seinem Abitur das Studium der Zoologie an der Universität Graz, wechselte dann zur Medizin (München, Straßburg). Nach seiner Promotion 1899 und Tätigkeiten als Assistenzarzt an verschiedenen Krankenhäusern (Fankfurt/M., Czernowitz, Kiel) reiste er 1901 als Schiffsarzt nach Südamerika. Auf diesen Fahrten wurde Otto Gross rauschmittelsüchtig. Er begab sich 1902 wegen seiner Kokainsucht in seine erste Entziehungskur in die Psychiatrische Klinik Burghölzli bei Zürich.

1901 und 1902 arbeitete Otto Gross als Psychiater und Assistenzarzt in München und Graz und veröffentlichte erste Arbeiten und Aufsätze. In seinen Aufsätzen beschäftigte sich Otto Gross vornehmlich mit der noch in den Anfängen stehenden Psychoanalyse von Sigmund Freud und die Anwendung der psychoanalytischen Erkenntnisse auf die Theorie und die Praxis des Anarchismus. Sigmund Freud soll er 1904 erstmalig persönlich getroffen haben.

Im Jahr 1903 heiratete Otto Gross in Graz Frieda Schloffer (1876-1950).

1905 reichte er an der Universität Graz seine Habilitation ein und erhielt dort 1906 einen Lehrstuhl für das Fach Psychopathologie. Im darauffolgenden Jahr wurden seine Söhne Wolfgang Peter Gross (gest. 1946) sowie sein zweiter aus seiner Beziehung zu Else Jaffè, geborene von Richthofen (1874-1973) stammender Sohn, ebenfalls Peter genannt, geboren. Otto Gross lebte zu dieser Zeit in München und Ascona. Er machte sich in den Bohèmekreisen Münchens und darüber hinaus einen Namen als Anarchist und propagierte ein Leben als antiautoritärer Sexualimmoralist. Sein Vater Hans Gross beschäftigte sich als Jurist zur gleichen Zeit öffentlich mit den Themen "Degeneration" und "Deportation".

Beim "Ersten Kongress für Freud'sche Psychoanalyse" am 27. Aprl 1908 traf Otto Gross mit Sigmund Freud und C.G. Jung zusammen. Ein von Otto Gross beabsichtigter Beitrag über "kulturelle Perspektiven" wurde von Freud kritisiert. Hans Gross, der die politischen Positionen seines Sohnes ablehnte, soll C.G. Jung vorab schriftlich gebeten haben, seinen Sohn nach dem Kongress mit nach Zürich zu bringen. Freud erstellte ein ärztliches Attest für Otto Gross und überstellte ihn in die Psychiatrische Klinik Burghölzli, wo Otto Gross sich freiwillig und unwissend bezüglich der Korrespondenz seines Vaters einer weiteren Entziehungskur unterzog. Während dieses Aufenthalts wurde Otto Gross von C.G. Jung analysiert. Die zuvor von C.G. Jung gestellte Diagnose der "Zwangsneurose" änderte er nach der Flucht von Otto Gross aus der Klinik nach fünf Wochen in die Diagnose "Dementia Praecox" (dem Formenkreis der Schizophrenie angehörig). In demselben Jahr wurde die Tochter Camilla Ullmann (gest. 2000) geboren, deren Mutter die Schweizer Schriftstellerin Regina Ullmann (1884-1961) war.

Im März 1911 beging eine Geliebte und Patientin von Otto Gross, Sophie Benz, in Ascona Selbstmord. Otto Gross wird für die Bereitstellung des Giftes verantwortlich gemacht und als Arzt der Fahrlässigkeit angeklagt. 1912 wird er wegen Beihilfe zum Mord steckbrieflich gesucht. 1913 geht Otto Gross nach Berlin und schloß sich dort der Gruppe "Aktion" um Franz Pfemfert an. In Berlin wird er am 09. November 1913 auf Veranlassung seines Vaters als "geisteskranker Anarchist" verhaftet, nach Österreich gebracht und in die Anstalt Tulln interniert. Er wird wegen Wahnsinns unter Kuratel gestellt. Intellektuelle, Künstler und Freunde von Otto Gross, wie der Schriftsteller Franz Jung, mobilisieren die Gegenöffentlichkeit gegen die Entmündigung und Internierung. Auch Otto Gross selbst beantragt eine neue Begutachtung; ohne Erfolg.

Otto Gross wird nach sechs Monaten als geheilt entlassen und unter die Vormundschaft seines Vaters gestellt. Nach seiner Entlassung wird er von dem Psychoanalytiker Wilhelm Stekel analysiert. Die Kuratel bleibt auch nach dem Tod des Vaters 1915 bestehen und wird erst 1917 in eine beschränkte Kuratel wegen des gewohnheitsmäßigem Missbrauchs von "Nervengiften" umgewandelt.

Nach Ausbruch des Krieges arbeitet Otto Gross als Arzt in verschiedenen Lazaretten unter anderem in Slawonien und Temesvar. Gleichzeitig kämpft er weiter für seine Rehabilitation.

Zusammen mit Franz Jung und anderen gibt Otto Gross 1916 die Zeitschrift "Die freie Straße" heraus. Er beginnt eine Beziehung zu Marianne Kuh (1894-1948); 1916 wurde die Tochter Sophie geboren. Er lernt 1917 Franz Kafka kennen und plant mit ihm gemeinsam die Herausgabe der "Blätter zur Bekämpfung des Machtwillen". Dieses Projekt wurde nie umgesetzt. In dieser Zeit kam es wieder zu Aufenthalten in psychiatrischen Anstalten. Otto Gross wird Mitherausgeber der Zeitschriften "Die Erde" und "Das Forum", wohnt in Berlin und München.

Am 13. Februar 1920 stirbt Otto Gross in Berlin an den Folgen einer Lungenentzündng.

Internationale Otto Gross Gesellschaft

Die Gesellschaft wurde auf dem 1. Internationalen Otto Gross Kongress, der vom 28.-30 Mai 1999 in Berlin stattfand, gegründet. In der Satzung heißt es über Ziele und Aufgaben: "Aufgabe der Gesellschaft ist es, das Werk und die gesellschaftliche Wirkung der Tätigkeit des Arztes, Wissenschaftlers und Revolutionärs Otto Gross zu erforschen, seinen Einfluss auf die geistesgeschichtliche Entwicklung des 20. Jahrhunderts darzustellen und die Ergebnisse dieser Arbeit öffentlich zugänglich zu machen, auch durch Veröffentlichungen und Veranstaltungen aller Art und durch sonstige Maßnahmen, welche den Zielen und Zwecken der Gesellschaft zu dienen geeignet sind" (Paragraph 2, Abs.1)

Vom 8.-10. September 2006 fand in Wien der 6. Internationale Otto Gross Kongress statt unter dem Titel: "...da liegt der riesige Schatten Freud's jetzt nicht mehr auf meinem Weg" - Die Rebellion des Otto Gross.

Ehrenvorsitzende der Gesellschaft ist Sophie Templer-Kuh, eine Tochter von Otto Gross.

Wissenschaftliche Arbeiten und Schriften (eine Auswahl)

  1. Compendium der Pharmako-Therapie für Politiker und junge Ärzte. Leipzig: Vogel 1901
  2. Zur Frage der socialen Hemmungsvorstellungen. In: Archiv für Kriminal-Anthropologie und Neurologie. Bd. 7. 1901, Nr. 1/2, S. 123-131
  3. Über Vorstellungszerfall. In: Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie. Bd. 11 1902, S. 205-212
  4. Die Affektlage der Ablehnung. In: Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie. Bd. 12 1902, S. 359-370
  5. Beitrag zur Pathologie des Negativismus. In: Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift. Bd. 5 1903/04, Nr. 26, S. 269-273
  6. Das Freud'sche Ideogenitätsmoment und seine Bedeutung im manisch-depressiven Irreseins Kraepelins. Leipzig: Vogel 1907
  7. Elterngewalt. In: Die Zukunft. Bd. 65. 1908, S. 78-80
  8. Über psychophatische Minderheiten. Wien & Leipzig: Braumüller 1909
  9. Zur Überwindung der kulturellen Krise. In: Die Aktion. Bd. 3 1913, Sp. 384-387
  10. Die Einwirkung der Allgemeinheit auf das Individuum. In: Die Aktion. Bd. 3 1913, Sp. 1091-1095
  11. Über Destruktionssymbolik. In: Zentralblatt für Psychoanalyse und Psychotherapie. Bd. 4 1914, S. 525-534
  12. Vom Konflikt des Eigenen und Fremden. In: Die freie Straße. Bd. 4 1916, S. 3-5
  13. Die kommunistische Grundidee in der Paradiessymbolik. In: Sowjet. Bd. 1 1919, S. 12-27
  14. Orientierung des Geistigen. In: Sowjet. Bd. 1 1919, S. 1-5
  15. Protest und Moral im Unbewußten. In: Die Erde. Bd. 1 1919, S. 681-685
  16. Zur funktionalen Geistesbildung des Revolutionärs. In: Räte-Zeitung. Bd. 1 1919, Nr. 52
  17. Drei Aufsätze über den inneren Konflikt. Bonn: Marcus & Weber 1920 (Abhandlungen aus dem Gebiete der Sexualforschung. Bd 2, Nr. 3)

Literatur und Weblinks

  • Lamott, Franziska: Die Kriminologie und das Andere. Versuch über die Geschichte der Ausgrenzung. In: Kriminologisches Journal 3/1988, S. 168-190
  • Heuer, Gottfried: Otto Gross. 1877-1920. In: Dienes, Gerhard/Rother, Ralf (Hrsg.): Die Gesetze des Vaters. Hans Gross, Otto Gross, Sigmund Freud, Franz Kafka, Wien 2003, S. 40-43
  • Heuer, Gottfried: Otto Gross und der Anarchismus. In: Dienes, Gerhard/Rother, Ralf (Hrsg.): Die Gesetze des Vaters. Hans Gross, Otto Gross, Sigmund Freud, Franz Kafka, Wien 2003, S. 114-125
  • Götz von Olenhusen, Albrecht: Die Internierung und Entmündigung des Dr. med. Otto Gross und die Befreiungskampagne 1913/1914. In: Dienes, Gerhard/Rothes, Ralf (Hrsg.): Die Gesetze des Vaters. Hans Gross, Otto Gross, Sigmund Freud, Franz Kafka, Wien 2003, S. 126-139
  • Laska, Bernd A.: Otto Gross zwischen Max Stirner und Wilhelm Reich. In: Raimund Dehmlow & Gottfried Heuer (Hrsg.): 3. Internationaler Otto Gross Kongress. Ludwig-Maximilians-Universität, München. Marburg: LiteraturWissenschaft.de 2003, S. 125-162 (online)
  • Internationale Otto Gross Gesellschaft e. V.