Operative Fallanalyse: Unterschied zwischen den Versionen

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==Etymologie==
Die '''Operative Fallanalyse''' ist eine Methode der Rekonstruktion des Tathergangs zwecks Ermittlung des unbekannten Täters. Dabei wird der Kriminalfall in seine einzelnen Bestandteile zergliedert und dann einer bestimmten methodischen bzw. systematischen Untersuchung unterzogen. Im Gegensatz zu einer strategischen Auswertung ist die „Operative Fallanalyse“ aber unter kriminalistischen Gesichtspunkten auf den Einzelfall bezogen und strebt nicht nach allgemeingültigen Aussagen.
'''Profil'''


Laut Duden Herkunftswörterbuch ist der Begriff im 17. Jh. aus dem französischen profil „Seitenansicht; Umriss“ entlehnt, das seinerseits von dem gleichbedeutenden italienischen profilo stammt. Die frühesten Zeugnisse im Deutschen weisen daneben auch auf eine unmittelbare Übernahme aus dem Italienischen hin. Das italienische profilo ist vom italienischen profilare abgeleitet, das eigentlich etwa „mit einem Strich, einer Linie im Umriss zeichnen“ bedeutet, dann „umreißen, im Profil zeichnen usw.“ Es handelt sich bei diesem Verb um eine Neubildung zum italienischen filo (aus dem lateinischen filum) „Faden; Strich, Linie“ (vgl. Filet).
Die „Operative Fallanalyse“ befasst sich u.a. mit folgenden Fragen:
 
*WAS hat sich WANN WIE zugetragen?
'''Operativ'''
*WARUM hat es sich auf die erkennbare Weise zugetragen?
 
Diese Fragen dienen als Zwischenschritte für die Annäherung an die entscheidende Frage, WER die Tat begangen haben könnte.
Als Quelle des Wortes ist laut Duden Herkunftswörterbuch das lateinische operari „werktätig sein, arbeiten, beschäftigt sein, sich abmühen“ anzusehen.
Operativ als neulateinische Bildung jüngster Zeit bedeutet „die chirurgische Operation betreffend; strategisch“. 
 
'''Analyse'''
 
Unter dem Begriff der Analyse ist gemäß Duden Herkunftswörterbuch „Auflösung; Zergliederung, Untersuchung“ zu verstehen. Der in dieser Form seit dem 18. Jh. bezeugte wissenschaftliche Terminus geht zurück auf das griechisch-mittellateinische analysis „Auflösung; Zergliederung“.
 
'''Profiling'''
 
So wie sich das „Profil“ auf die Bedeutung „mit einem Strich, einer Linie im Umriss zeichnen“ /  „umreißen, im Profil zeichnen“ zurückführen lässt, so kann man dies im übertragenen Sinne auch für den aus dem Englischen übernommenen Begriff des Profilings verstehen. Denn auch beim Profiling geht es um das Umreißen einer Person, nämlich im Sinne einer möglichst genauen (verhaltenstypischen) Beschreibung einer bislang unbekannten Person. Ziel ist es also, sich mit Hilfe eines Täterprofils ein (Persönlichkeits-)Bild des unbekannten Täters machen zu können.
 
'''Operative Fallanalyse'''
 
Der Begriff der „Operativen Fallanalyse“ dagegen spiegelt eher den Arbeitsprozess wider. Denn bei einer Fallanalyse wird im wahrsten Sinne des Wortes der zugrunde liegende Kriminalfall in seine einzelnen Bestandteile zergliedert und dann einer bestimmten methodischen bzw. systematischen Untersuchung unterzogen.
Im Gegensatz zu einer strategischen Auswertung ist die „Operative Fallanalyse“ aber unter kriminalistischen Gesichtspunkten auf den Einzelfall bezogen und entwickelt keine Allgemeingültigkeit (s.a. Definitionen).


Während die Beantwortung der erste Frage klassisch kriminalistische Arbeit voraussetzt, begegnen sich bei der zweiten Frage [[Kriminalistik]] und [[Kriminologie]]. Denn gerade mit der Frage nach dem „Warum?“ befasst sich auch die Kriminologie.


==Definitionen==
==Definitionen==
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„Im Bereich der deutschen und der internationalen Verbrechensbekämpfung (INTERPOL) existierten bereits die Begriffe „Kriminalitätsanalyse“ (im Sinne der „strategischen Kriminalitätsanalyse“) sowie „operative Kriminalitätsanalyse“. Bei ersterer geht es vor allem um die Analyse von Kriminalitätsphänomenen und Kriminalitätsentwicklungen, die über den Einzelfall hinaus reichen. Bei letzterer geht es vor allem um die Analyse von Großverfahren (beispielsweise im Bereich der Wirtschaftskriminalität). Deshalb wurde zur Abgrenzung davon für die im Folgenden beschriebenen verschiedenen Arbeitsmethoden, die alle dem besseren Verständnis des einzelnen Kriminalitätsfalles dienen, der Oberbegriff „Operative Fallanalyse (OFA)“ gewählt.“ [BKA 2004]
„Im Bereich der deutschen und der internationalen Verbrechensbekämpfung (INTERPOL) existierten bereits die Begriffe „Kriminalitätsanalyse“ (im Sinne der „strategischen Kriminalitätsanalyse“) sowie „operative Kriminalitätsanalyse“. Bei ersterer geht es vor allem um die Analyse von Kriminalitätsphänomenen und Kriminalitätsentwicklungen, die über den Einzelfall hinaus reichen. Bei letzterer geht es vor allem um die Analyse von Großverfahren (beispielsweise im Bereich der Wirtschaftskriminalität). Deshalb wurde zur Abgrenzung davon für die im Folgenden beschriebenen verschiedenen Arbeitsmethoden, die alle dem besseren Verständnis des einzelnen Kriminalitätsfalles dienen, der Oberbegriff „Operative Fallanalyse (OFA)“ gewählt.“ [BKA 2004]


Der Begriff der „Operativen Fallanalyse“ vereinigt als Oberbegriff die verschiedenen fallanalytischen Methoden (z.B. Fallanalyse, Täterprofilerstellung) und computerunterstützte Werkzeuge (z.B. ESPE, <nowiki>ViCLAS</nowiki>) unter sich. (1)
Der Begriff der „Operativen Fallanalyse“ vereinigt als Oberbegriff die verschiedenen fallanalytischen Methoden (z.B. Fallanalyse, Täterprofilerstellung) und computerunterstützte Werkzeuge (z.B. ESPE, <nowiki>ViCLAS</nowiki>) unter sich. „Operative Fallanalyse“ ist auch zugleich die Bezeichnung für die Organisationseinheiten bei den Landeskriminalämtern (Ausnahme Bayern, dort dem Polizeipräsidium München angegliedert) und dem Bundeskriminalamt (BKA), welche die fallanalytischen Verfahren anwenden.
„Operative Fallanalyse“ ist auch zugleich die Bezeichnung für die Organisationseinheiten bei den Landeskriminalämtern (Ausnahme Bayern, dort dem Polizeipräsidium München angegliedert) und dem Bundeskriminalamt (BKA), welche die fallanalytischen Verfahren anwenden.


'''ViCLAS (Violent Crime Linkage Analysis System)'''
'''ViCLAS (Violent Crime Linkage Analysis System)'''
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Sofern man den Begriff des Profilings insbesondere mit der Erstellung von (biologischen) <u>Täter- bzw. Menschentypologien</u> in Verbindung bringt, dann scheinen Versuche in diese Richtung bereits sehr früh erkennbar zu sein. So soll der griechische Philosoph Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) bereits eine Sammlung von bestimmten Gesichtsformen, denen verschiedene Charaktertypen entsprechen sollen, gehabt haben [Hoffmann / Musolff  2000, S. 55].  
Sofern man den Begriff des Profilings insbesondere mit der Erstellung von (biologischen) <u>Täter- bzw. Menschentypologien</u> in Verbindung bringt, dann scheinen Versuche in diese Richtung bereits sehr früh erkennbar zu sein. So soll der griechische Philosoph Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) bereits eine Sammlung von bestimmten Gesichtsformen, denen verschiedene Charaktertypen entsprechen sollen, gehabt haben [Hoffmann / Musolff  2000, S. 55].  
Wenn man jedoch <u>psychologische Charakterisierung und analytische Vorgehensweise</u> als Kriterien des Profilings zugrunde legt, so wird man in der Literatur immer wieder mit den gleichen Namen konfrontiert. <br>
Wenn man jedoch <u>psychologische Charakterisierung und analytische Vorgehensweise</u> als Kriterien des Profilings zugrunde legt, so wird man in der Literatur immer wieder mit den gleichen Namen konfrontiert. <br>
So soll Dr. Thomas Bond 1888 ein erstes psychologisches Profil über den bis heute unbekannten Täter, genannt „Jack the Ripper“, erstellt haben [Fink, S. 209].  
So soll Dr. [[Thomas Bond]] 1888 ein erstes psychologisches Profil über den bis heute unbekannten Täter, genannt „Jack the Ripper“, erstellt haben [Fink, S. 209].  
1930 wurde das vermutlich erste bekannte Täterprofil in Deutschland in einer Sonderausgabe des „Deutschen Kriminalpolizei-Blattes“(2) publiziert  
1930 wurde das vermutlich erste bekannte Täterprofil in Deutschland in einer Sonderausgabe des „Deutschen Kriminalpolizei-Blattes“ publiziert  
[Hoffmann / Musolff  2000, S. 35]. Gesucht wurde der Serienmörder Peter Kürten.<br>
[Hoffmann / Musolff  2000, S. 35]. Gesucht wurde der Serienmörder Peter Kürten.<br>
1943 erhielt der Psychiater Dr. Walter C. Langer vom US-amerikanischen Militärgeheimdienst OSS (Office of Strategic Services – Vorläufer des CIA) den Auftrag, ein Persönlichkeitsprofil von Adolf Hitler(3) zu fertigen. Da in diesem Fall nicht ein unbekannter Täter beschrieben, sondern insbesondere das (bei einer Kriegs-Niederlage) zu erwartende Verhalten einer bekannten Person prognostiziert werden sollte, ist dieses Profil von anderen Täterprofilen (besonders nach heutiger Definition) zu unterscheiden [Holmes / Holmes, S. 25 ff]. <br>
1943 erhielt der Psychiater Dr. Walter C. Langer vom US-amerikanischen Militärgeheimdienst OSS (Office of Strategic Services – Vorläufer des CIA) den Auftrag, ein Persönlichkeitsprofil von Adolf Hitler zu fertigen. Da in diesem Fall nicht ein unbekannter Täter beschrieben, sondern insbesondere das (bei einer Kriegs-Niederlage) zu erwartende Verhalten einer bekannten Person prognostiziert werden sollte, ist dieses Profil von anderen Täterprofilen (besonders nach heutiger Definition) zu unterscheiden [Holmes / Holmes, S. 25 ff]. <br>
Der amerikanische Psychiater James A. Brussels hat u.a. in den 50er Jahren ein Persönlichkeitsprofil über den New Yorker „Mad Bomber(4)“ und in den 60er Jahren zusammen mit anderen Psychologen und Psychiatern über den „Würger von Boston(5)“ erstellt [Fink, S. 209/210].
Der amerikanische Psychiater James A. Brussels hat u.a. in den 50er Jahren ein Persönlichkeitsprofil über den New Yorker „Mad Bomber“ und in den 60er Jahren zusammen mit anderen Psychologen und Psychiatern über den „Würger von Boston“ erstellt [Fink, S. 209/210].


Für das, was man heute unter Fallanalyse/Täterprofilerstellung versteht, dürften am ehesten die  Entwicklungen der letzten 30 bis 40 Jahre verantwortlich sein. Nur zusammenfassend genannt werden an dieser Stelle beispielsweise die Gründung der Behavioral Science Unit (BSU) beim Federal Bureau of Investigation (FBI) in den 1970er Jahren mit ihren (wenn auch heute kritisch betrachteten) Forschungsprojekten(6), die zu der Erkenntnis führten, dass unterschiedliche Tätertypen bzw. –persönlichkeiten unterschiedliche Tatorte hinterlassen. Diese Erkenntnis kann als Beginn der „''crime scene analysis''“ (Tatortanalyse) angesehen werden, die sich dann im Laufe der Zeit in den fallanalytischen Ansatz, so wie er heute in Deutschland praktiziert wird, weiterentwickelt hat. <br>
Für das, was man heute unter Fallanalyse/Täterprofilerstellung versteht, dürften am ehesten die  Entwicklungen der letzten 30 bis 40 Jahre verantwortlich sein. Nur zusammenfassend genannt werden an dieser Stelle beispielsweise die Gründung der Behavioral Science Unit (BSU) beim Federal Bureau of Investigation (FBI) in den 1970er Jahren mit ihren (wenn auch heute kritisch betrachteten) Forschungsprojekten, die zu der Erkenntnis führten, dass unterschiedliche Tätertypen bzw. –persönlichkeiten unterschiedliche Tatorte hinterlassen. Diese Erkenntnis kann als Beginn der „''crime scene analysis''“ (Tatortanalyse) angesehen werden, die sich dann im Laufe der Zeit in den fallanalytischen Ansatz, so wie er heute in Deutschland praktiziert wird, weiterentwickelt hat. <br>
In den 1980er Jahren erfolgte dann die Entwicklung von VICAP(7) durch das FBI und in den 1990er Jahren die Weiterentwicklung zu ViCLAS durch die Royal Canadian Mounted Police (RCMP).
In den 1980er Jahren erfolgte dann die Entwicklung von VICAP durch das FBI und in den 1990er Jahren die Weiterentwicklung zu ViCLAS durch die Royal Canadian Mounted Police (RCMP).


Erste Erfahrungen mit dem US-amerikanischen Modell des Profilings wurden in Deutschland seit den 1980er Jahren im BKA gesammelt. <br>
Erste Erfahrungen mit dem US-amerikanischen Modell des Profilings wurden in Deutschland seit den 1980er Jahren im BKA gesammelt. <br>
Am 05.02.1998 wurde dann offiziell beim BKA die OFA, so wie sie heute auch in jedem Bundesland existiert, gegründet und seit dem 07.06.2000 befindet sich <nowiki>ViCLAS</nowiki> im bundesweiten Wirkbetrieb.
Am 05.02.1998 wurde dann offiziell beim BKA die OFA, so wie sie heute auch in jedem Bundesland existiert, gegründet und seit dem 07.06.2000 befindet sich <nowiki>ViCLAS</nowiki> im bundesweiten Wirkbetrieb.


==Zusammenhänge mit anderen Begriffen==
==Zusammenhänge mit anderen Begriffen==
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An dieser Stelle seien nur einige beispielhaft aufgeführt:
An dieser Stelle seien nur einige beispielhaft aufgeführt:
Profiling, Criminal Profiling, Crime Scene Analysis / Profiling, Criminal Investigative Analysis, Offender Profiling, Criminal Personality bzw. Behaviour Profiling, Crime Behavioural Analysis, Tatortanalyse, Tathergangsanalyse, etc.
Profiling, Criminal Profiling, Crime Scene Analysis / Profiling, Criminal Investigative Analysis, Offender Profiling, Criminal Personality bzw. Behaviour Profiling, Crime Behavioural Analysis, Tatortanalyse, Tathergangsanalyse, etc.
Um jedoch einen einheitlichen (polizeilichen) Sprachgebrauch zu gewährleisten, wurden die zu verwendenden Begriffe eindeutig festgelegt (8).
Um jedoch einen einheitlichen (polizeilichen) Sprachgebrauch zu gewährleisten, wurden die zu verwendenden Begriffe eindeutig festgelegt.
Bei den im folgenden aufgeführten Begriffen handelt es sich um solche, die immer wieder in Zusammenhang mit dem „Profiling“ bzw. der „Operativen Fallanalyse“ gebracht werden:
Bei den im folgenden aufgeführten Begriffen handelt es sich um solche, die immer wieder in Zusammenhang mit dem „Profiling“ bzw. der „Operativen Fallanalyse“ gebracht werden:


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'''Geografische Fallanalyse'''
'''Geografische Fallanalyse'''


„Die Anwendung dieser speziellen Methode erfordert besonders ausgebildete und entsprechend technisch ausgestattete Fallanalytiker. Geografische Fallanalysen dienen dazu, basierend auf der Analyse des räumlichen Verhaltens des Täters, Aussagen zu seinen möglichen örtlichen Bezügen (Ankerpunkte(9)) abzuleiten, um die Ermittlungen auf die so priorisierten Örtlichkeiten zu fokussieren und dadurch zu ökonomisieren. Geografische Fallanalysen können bei Tatserien oder schwerwiegenden Einzeldelikten mit mehreren Handlungsorten durchgeführt werden.“ [Dern et al. 2003, S. 7]
„Die Anwendung dieser speziellen Methode erfordert besonders ausgebildete und entsprechend technisch ausgestattete Fallanalytiker. Geografische Fallanalysen dienen dazu, basierend auf der Analyse des räumlichen Verhaltens des Täters, Aussagen zu seinen möglichen örtlichen Bezügen (Ankerpunkte) abzuleiten, um die Ermittlungen auf die so priorisierten Örtlichkeiten zu fokussieren und dadurch zu ökonomisieren. Geografische Fallanalysen können bei Tatserien oder schwerwiegenden Einzeldelikten mit mehreren Handlungsorten durchgeführt werden.“ [Dern et al. 2003, S. 7]


'''Handschrift'''
'''Handschrift'''


Unter der Handschrift(10) sind, vereinfacht ausgedrückt, alle Handlungen zu verstehen, die über die rein notwendigen i.S.d. Modus operandi hinausgehen. Die Literatur spricht in aller Regel von Handschrift erst, wenn sie sich über mehrere Taten hinweg erkennen lässt. Bei einer einmaligen Feststellung werden diese Handlungen als Personifizierung bezeichnet. <br>
Unter der Handschrift sind, vereinfacht ausgedrückt, alle Handlungen zu verstehen, die über die rein notwendigen i.S.d. Modus operandi hinausgehen. Die Literatur spricht in aller Regel von Handschrift erst, wenn sie sich über mehrere Taten hinweg erkennen lässt. Bei einer einmaligen Feststellung werden diese Handlungen als Personifizierung bezeichnet. <br>
Im OFA-Sprachgebrauch wird jedoch auch schon bei einem einmaligen Auftreten dieser Handlungen von Handschrift gesprochen. Handschrift und Personifizierung werden auch schon mal Verhaltensfingerabdruck genannt, da sie als relativ individuell und konstant gelten.
Im OFA-Sprachgebrauch wird jedoch auch schon bei einem einmaligen Auftreten dieser Handlungen von Handschrift gesprochen. Handschrift und Personifizierung werden auch schon mal Verhaltensfingerabdruck genannt, da sie als relativ individuell und konstant gelten.


'''Investigative Psychology (11)'''
'''Investigative Psychology'''


Der Begriff der Investigative Psychology lässt sich mit Ermittlungspsychologie übersetzen und ist fest mit dem Namen David Canter, Professor für Psychologie an der University of Liverpool, verknüpft.<br>
Der Begriff der Investigative Psychology lässt sich mit Ermittlungspsychologie übersetzen und ist fest mit dem Namen David Canter, Professor für Psychologie an der University of Liverpool, verknüpft.<br>
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Der Begriff der [[Rasterfahndung]] wird insbesondere seit den Terroranschlägen des 11. September mit der „Operativen Fallanalyse“ in Verbindung gebracht, da durch die Fallanalytiker des [[BKA (Bundeskriminalamt)|BKA]] ein „Täterprofil Schläfer“ als Grundlage für eine Rasterfahndung erarbeitet wurde.
Der Begriff der [[Rasterfahndung]] wird insbesondere seit den Terroranschlägen des 11. September mit der „Operativen Fallanalyse“ in Verbindung gebracht, da durch die Fallanalytiker des [[BKA (Bundeskriminalamt)|BKA]] ein „Täterprofil Schläfer“ als Grundlage für eine Rasterfahndung erarbeitet wurde.


'''Serienmörder (12)'''
'''Serienmörder'''


Eine allgemeingültige Definition für den [[Serienmörder]] existiert nicht, vielmehr variieren die Beschreibungen je nach Untersuchungsgegenstand (13).<br>
Eine allgemeingültige Definition für den [[Serienmörder]] existiert nicht, vielmehr variieren die Beschreibungen je nach Untersuchungsgegenstand.<br>
Auch ist der Begriff des Serienmörders entgegen landläufiger Meinungen nicht untrennbar mit der Fallanalyse verbunden, wie schon Harald Dern / [[BKA (Bundeskriminalamt)|BKA]] bemerkte [Dern, S. 533].
Auch ist der Begriff des Serienmörders entgegen landläufiger Meinungen nicht untrennbar mit der Fallanalyse verbunden, wie schon Harald Dern / [[BKA (Bundeskriminalamt)|BKA]] bemerkte [Dern, S. 533].


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Die Fallanalyse stellt somit ein Hilfsmittel der polizeilichen Ermittlungstätigkeit dar, neben vielen anderen (z.B. DNA-Analytik, Spurentechnik) und ersetzt keinesfalls die normale kriminalistische Ermittlungstätigkeit.<br>
Die Fallanalyse stellt somit ein Hilfsmittel der polizeilichen Ermittlungstätigkeit dar, neben vielen anderen (z.B. DNA-Analytik, Spurentechnik) und ersetzt keinesfalls die normale kriminalistische Ermittlungstätigkeit.<br>
Deshalb: Mit Fallanalyse alleine löst man keine Fälle und fängt keine Täter!
Deshalb: Mit Fallanalyse alleine löst man keine Fälle und fängt keine Täter.


In der Realität sieht es so aus, dass Fallanalysen in Deutschland im Team-Ansatz bearbeitet werden, d.h. mindestens drei ausgebildete Fallanalytiker arbeiten zusammen an einem Fall [Dern et al. 2003, S. 3]. Man bedient sich hierbei der Synergieeffekte der Kleingruppe.<br>
In der Realität sieht es so aus, dass Fallanalysen in Deutschland im Team-Ansatz bearbeitet werden, d.h. mindestens drei ausgebildete Fallanalytiker arbeiten zusammen an einem Fall [Dern et al. 2003, S. 3]. Man bedient sich hierbei der Synergieeffekte der Kleingruppe.<br>
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==Kriminologische Relevanz==
== Literatur ==
Die „Operative Fallanalyse“ befasst sich u.a. mit folgenden Fragen:
*Ackermann, Rolf (2010) Kriminalistische Fallanalyse. Hilden: Polizeiverlag.
*WAS hat sich WANN WIE zugetragen?
*Bundeskriminalamt, Hg. (1998)Methoden der Fallanalyse. Ein internationales Symposium; BKA-Forschungsreihe, Band 38.1, Wiesbaden.
*WARUM hat es sich auf die erkennbare Weise zugetragen?
*Bundeskriminalamt, Hg. (2009) Die operative Fallanalyse in der Hauptverhandlung. Wiesbaden.
Diese Fragen dienen als Zwischenschritte für die Annäherung an die entscheidende Frage, nämlich WER die Tat begangen haben könnte.
 
Während die Beantwortung der erste Frage klassisch kriminalistische Arbeit voraussetzt, begegnen sich bei der zweiten Frage [[Kriminalistik]] und [[Kriminologie]]. Denn gerade mit der Frage nach dem „Warum?“ befasst sich auch die Kriminologie.
 
Insbesondere die folgenden kriminologischen Erklärungsansätze finden bei der Suche nach dem „Warum“ ihre Berücksichtigung:
 
 
*„[[Rational Choice Theory]]“ (Theorie der rationalen Wahl)<br>
Der Rational Choice Ansatz von Cornish und Clarke (1986) basiert grundsätzlich auf der Annahme, dass ein Täter vor dem Hintergrund einer Kosten-Nutzen-Rechnung, also dem Verhältnis des angestrebten kriminellen Gewinns zur Entdeckungswahrscheinlichkeit, über die Begehung einer Straftat entscheidet.
*„[[Routine activity theory|Routine Activity Approach]]“ (Routineaktivitäten und Straftaten)<br>
Der Routine Activity Approach von Cohen und Felson (1979) besagt, „dass sich Straftaten ganz überwiegend im Bereich der Alltagsroutinen der betroffenen Personen abspielen.“ [Dern et al. 2004, S. 20] (14) Voraussetzung hierfür ist das räumliche und zeitliche Zusammentreffen eines tatbereiten Täters, eines geeigneten Tatziels und die Schutzlosigkeit des Tatziels/Abwesenheit eines Kontrolleurs bzw. einer Kontrolle.
 
Da diese beiden Erklärungsansätze auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinen, ist es von Bedeutung, dass der Rational Choice Ansatz nicht so zu verstehen ist, dass sich der Täter vor Begehung einer Straftat zwingend mit den zu erwartenden Folgen, seien es beispielsweise eine mögliche Bestrafung oder Langzeitwirkungen von Drogen, auseinandersetzt. Vielmehr geht der Rational Choice Ansatz davon aus, dass ein Täter vor Begehung einer Straftat erst einmal nachdenkt, wenn auch nur für einen Moment. Allerdings muss man in diesem Fall auch von der Perspektive des Täters ausgehen und darf nicht seine eigenen Kenntnisse, Fähig- und Fertigkeiten zugrunde legen. Entscheidungskriterien dürften sich somit eher aus der Situation heraus ergeben, in der der Täter sich zum Zeitpunkt des Tatentschluss befindet. (15)
 
 
==Literatur==
*1) siehe Anlage
*(2) Originaltitel: Deutsches Kriminalpolizeiblatt / Preußische Sonderausgabe / Jg. 3 (1930) Sondernummer „Die Düsseldorfer Sexualverbrechen von 1929; 08. April 1930. Teil des Sammlungsbestandes des Deutschen Historischen Museums in Berlin (Internetrecherche vom 21.06.2005: http://www.dhm.de/datenbank/index.html?/datenbank/d2e0/d2e00283.html)
Das „Kriminal-Magazin“ widmete ebenfalls eine Sonderausgabe dem „Massenmörder von Düsseldorf“. Auch hier finden sich, ähnlich einem Täterprofil, Hinweise auf die Persönlichkeit des Täters. [Abgedruckt in: Lenk, Elisabeth / Roswitha Kaever (Hrsg.): Leben und Werken des Peter Kürten, genannt der Vampir von Düsseldorf; Rogner & Bernhard, München 1974]
*(3) nachzulesen unter: http://www.nizkor.org/hweb/people/h/hitler-adolf/oss-papers/text/profile-index.html (so am 16.06.2004)
*(4) George Matesky (1904 – 1994) alias „Mad Bomber“ hat in den Jahren von 1940 bis 1965 ca. 30 Bomben in New York gelegt. [Wikipedia b]
*(5) Unter dem Pseudonym „The Boston Strangler“ hat ein Serienmörder zwischen dem 14.06.1962 und 04.01.1964 dreizehn Frauen in der Gegend um Boston ermordet. Für die Taten verurteilt wurde Albert ""DeSalvo"" (1930 – 1973), der in Verbindung mit Ermittlungen wegen des Vorwurfes der (versuchten) Vergewaltigung die Morde gestanden hatte. [Wikipedia a]
*(6) Criminal Personality Research Project (CPRC): Interviewprojekt von John Douglas und Robert Ressler an 36 Sexualmördern, die zur Zweiteilung der Serienmörder in “Organized” und “Disorganized” führte.
Studie an 41 Serienvergewaltigern, die zu einer „Vierer-Typologie“ (Power Reassurance, Power Assertive, Anger Retaliatory und Anger Excitement) führte.
*(7) Violent Criminal Apprehension Program - Datenbank zur Unterstützung bei der Fahndung nach (insbesondere „reisenden“ / überörtlich agierenden) Serienmördern anhand der vom Täter gezeigten Verhaltensmuster
*(8) Die Begriffsfestlegungen sind Teil der Konzeption der Bund-Länder-Projektgruppe „Fallanalytische Verfahren und das ""ViCLAS""-Datenbanksystem“; eingerichtet durch die AG Kripo in ihrer 141. Sitzung am 18./19. 03.1998.
*(9) z.B. Wohnort, Dienst-/Berufsort, Freizeitorte
*(10) Den Unterschied zwischen Modus operandi und Handschrift (signature) beschreiben Douglas, John / Corinne Munn: Violent crime scene analysis: modus operandi, signature and staging, FBI Law Enforcement Bulletin, February 1992 (http://criminalprofiling.ch/violent-crime.html; so am 21.06.2005)
*(11) ausführlichere Informationen unter: http://www.i-psy.com/index.php (so am 28.08.2004)
*(12) Robert Ressler, ehemaliger Profiler beim FBI, beansprucht für sich, den Begriff des „serial killer“ erfunden zu haben.
*(13) So beschreibt das BKA beispielsweise in seiner Untersuchung „Geografisches Verhalten fremder Täter bei sexuellen Gewaltdelikten“ eine Serie wie folgt: „Eine Serie im Sinne dieser Untersuchung liegt dann vor, wenn im Urteil mindestens zwei Taten abgeurteilt wurden, bei denen der Täter verschiedene Opfer zu unterschiedlichen Tatzeiten vergewaltigte bzw. **tötete**.“ [Dern et al. 2004, S. 69]
*(14) Da sich bei ungeklärten Taten auch immer die Frage stellt, wo nach dem Täter zu suchen ist, also wo wohnt er und wie ist sein geografisches Verhalten in Bezug auf Wohn- und Tatort einzuschätzen, hat sich die OFA-Einheit der BKA mit dem „Geografischen Verhalten fremder Täter bei sexuellen Gewaltdelikten“ auseinandergesetzt.
*(15) Ausführlich hierzu siehe [Felson / Clarke]
 
 
'''weiterführende Literaturhinweise'''
 
*Bundeskriminalamt (Hrsg.): Methoden der Fallanalyse. Ein internationales Symposium; BKA-Forschungsreihe, Band 38.1, Wiesbaden 1998
*Burghard, Waldemar / Hans Werner Hamacher / Horst Herold / Horst Howorka / Edwin Kube / Manfred Schreiber / Alfred Stümper (Hrsg.): Kriminalistik Lexikon, 3. Auflage / 1996, Kriminalistik Verlag, Heidelberg [Kriminalistik Lexikon]
*Burghard, Waldemar / Hans Werner Hamacher / Horst Herold / Horst Howorka / Edwin Kube / Manfred Schreiber / Alfred Stümper (Hrsg.): Kriminalistik Lexikon, 3. Auflage / 1996, Kriminalistik Verlag, Heidelberg [Kriminalistik Lexikon]
*Hoffman, Jens / Cornelia Musolff: Fallanalyse und Täterprofil; BKA-Forschungsreihe, Band 52, Wiesbaden 2000 [Hoffmann / Musolff  2000]
*Hoffman, Jens / Cornelia Musolff: Fallanalyse und Täterprofil; BKA-Forschungsreihe, Band 52, Wiesbaden 2000 [Hoffmann / Musolff  2000]
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*Meyer, Caroline B.: Das Täterprofil aus interdisziplinärer Sicht, unter besonderer Berücksichtigung des Strafprozessrechts (http://www.criminalprofiling.ch/taeterprofil-aufsatz-meyer.html; so am 28.08.2004) [Meyer]
*Meyer, Caroline B.: Das Täterprofil aus interdisziplinärer Sicht, unter besonderer Berücksichtigung des Strafprozessrechts (http://www.criminalprofiling.ch/taeterprofil-aufsatz-meyer.html; so am 28.08.2004) [Meyer]
*Ministerium des Innern (Hrsg.), Autorenkollektiv: Wörterbuch der sozialistischen Kriminalistik, 1. Auflage / 1981, Ministerium des Innern – Publikationsabteilung [Wörterbuch der sozialistischen Kriminalistik]
*Ministerium des Innern (Hrsg.), Autorenkollektiv: Wörterbuch der sozialistischen Kriminalistik, 1. Auflage / 1981, Ministerium des Innern – Publikationsabteilung [Wörterbuch der sozialistischen Kriminalistik]
*Musolff / Hoffmann (Hrsg.): Täterprofile bei Gewaltverbrechen. [[Myth | Mythos]], Theorie und Praxis des Profilings, Springerverlag 2002 [Musolff / Hoffmann 2002]
*Musolff, Cornelia/Hoffmann, Jens, Hg. (2002) Täterprofile bei Gewaltverbrechen. [[Myth | Mythos]], Theorie und Praxis des Profilings, Springerverlag 2002 [Musolff / Hoffmann 2002]
*Robak, Markus (2004) Profiling: Täterprofile und Fallanalysen als Unterstützung strafprozessualer Ermittlungen - Polizeiliche Methoden und deren kriminalpolitische bedeutung. Münster: LIT.
*Rückert, Sabine: Tatort-Analyse; DIE ZEIT 16/2004 (http://zeus.zeit.de/text/2004/16/Tatort; so am 07.05.2004)  [Rückert]
*Rückert, Sabine: Tatort-Analyse; DIE ZEIT 16/2004 (http://zeus.zeit.de/text/2004/16/Tatort; so am 07.05.2004)  [Rückert]
*Turvey, Brent (2006) Criminal Profiling. An introduction to behavioral evidence analysis. London.
*Wippler, Alice (2008) Die Operative Fallanalyse als Beweismittel im Strafprozess. Münster: LIT.




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