Operative Fallanalyse: Unterschied zwischen den Versionen

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==Etymologie==
Die '''Operative Fallanalyse''' ist eine Methode der Rekonstruktion des Tathergangs zwecks Ermittlung des unbekannten Täters. Dabei wird der Kriminalfall in seine einzelnen Bestandteile zergliedert und dann einer bestimmten methodischen bzw. systematischen Untersuchung unterzogen. Im Gegensatz zu einer strategischen Auswertung ist die „Operative Fallanalyse“ aber unter kriminalistischen Gesichtspunkten auf den Einzelfall bezogen und strebt nicht nach allgemeingültigen Aussagen.
'''Profil'''


Laut Duden Herkunftswörterbuch ist der Begriff im 17. Jh. aus dem französischen profil „Seitenansicht; Umriss“ entlehnt, das seinerseits von dem gleichbedeutenden italienischen profilo stammt. Die frühesten Zeugnisse im Deutschen weisen daneben auch auf eine unmittelbare Übernahme aus dem Italienischen hin. Das italienische profilo ist vom italienischen profilare abgeleitet, das eigentlich etwa „mit einem Strich, einer Linie im Umriss zeichnen“ bedeutet, dann „umreißen, im Profil zeichnen usw.“ Es handelt sich bei diesem Verb um eine Neubildung zum italienischen filo (aus dem lateinischen filum) „Faden; Strich, Linie“ (vgl. Filet).
Die „Operative Fallanalyse“ befasst sich u.a. mit folgenden Fragen:
 
*WAS hat sich WANN WIE zugetragen?
 
*WARUM hat es sich auf die erkennbare Weise zugetragen?
'''Operativ'''
Diese Fragen dienen als Zwischenschritte für die Annäherung an die entscheidende Frage, WER die Tat begangen haben könnte.
 
Als Quelle des Wortes ist laut Duden Herkunftswörterbuch das lateinische operari „werktätig sein, arbeiten, beschäftigt sein, sich abmühen“ anzusehen.
Operativ als neulateinische Bildung jüngster Zeit bedeutet „die chirurgische Operation betreffend; strategisch“. 
 
 
'''Analyse'''
 
Unter dem Begriff der Analyse ist gemäß Duden Herkunftswörterbuch „Auflösung; Zergliederung, Untersuchung“ zu verstehen. Der in dieser Form seit dem 18. Jh. bezeugte wissenschaftliche Terminus geht zurück auf das griechisch-mittellateinische analysis „Auflösung; Zergliederung“.
 
 
'''Profiling'''
 
So wie sich das „Profil“ auf die Bedeutung „mit einem Strich, einer Linie im Umriss zeichnen“ /  „umreißen, im Profil zeichnen“ zurückführen lässt, so kann man dies im übertragenen Sinne auch für den aus dem Englischen übernommenen Begriff des Profilings verstehen. Denn auch beim Profiling geht es um das Umreißen einer Person, nämlich im Sinne einer möglichst genauen (verhaltenstypischen) Beschreibung einer bislang unbekannten Person. Ziel ist es also, sich mit Hilfe eines Täterprofils ein (Persönlichkeits-)Bild des unbekannten Täters machen zu können.
 
 
'''Operative Fallanalyse'''
 
Der Begriff der „Operativen Fallanalyse“ dagegen spiegelt eher den Arbeitsprozess wider. Denn bei einer Fallanalyse wird im wahrsten Sinne des Wortes der zugrunde liegende Kriminalfall in seine einzelnen Bestandteile zergliedert und dann einer bestimmten methodischen bzw. systematischen Untersuchung unterzogen.
Im Gegensatz zu einer strategischen Auswertung ist die „Operative Fallanalyse“ aber unter kriminalistischen Gesichtspunkten auf den Einzelfall bezogen und entwickelt keine Allgemeingültigkeit (s.a. Definitionen).


Während die Beantwortung der erste Frage klassisch kriminalistische Arbeit voraussetzt, begegnen sich bei der zweiten Frage [[Kriminalistik]] und [[Kriminologie]]. Denn gerade mit der Frage nach dem „Warum?“ befasst sich auch die Kriminologie.


==Definitionen==
==Definitionen==


Der Begriff '''Operative Fallanalyse''' wurde gewählt, um zu verdeutlichen, dass sich die darunter zu verstehenden Methoden auf den <u>einzelnen</u> Kriminalfall beziehen und bei der operativen Fallbearbeitung unterstützend wirken sollen:
Der Begriff ''Operative Fallanalyse'' wurde gewählt, um zu verdeutlichen, dass sich die darunter zu verstehenden Methoden auf den <u>einzelnen</u> Kriminalfall beziehen und bei der operativen Fallbearbeitung unterstützend wirken sollen:
„Im Bereich der deutschen und der internationalen Verbrechensbekämpfung (INTERPOL) existierten bereits die Begriffe „Kriminalitätsanalyse“ (im Sinne der „strategischen Kriminalitätsanalyse“) sowie „operative Kriminalitätsanalyse“. Bei ersterer geht es vor allem um die Analyse von Kriminalitätsphänomenen und Kriminalitätsentwicklungen, die über den Einzelfall hinaus reichen. Bei letzterer geht es vor allem um die Analyse von Großverfahren (beispielsweise im Bereich der Wirtschaftskriminalität). Deshalb wurde zur Abgrenzung davon für die im Folgenden beschriebenen verschiedenen Arbeitsmethoden, die alle dem besseren Verständnis des einzelnen Kriminalitätsfalles dienen, der Oberbegriff „Operative Fallanalyse (OFA)“ gewählt.“ [BKA 2004]
„Im Bereich der deutschen und der internationalen Verbrechensbekämpfung (INTERPOL) existierten bereits die Begriffe „Kriminalitätsanalyse“ (im Sinne der „strategischen Kriminalitätsanalyse“) sowie „operative Kriminalitätsanalyse“. Bei ersterer geht es vor allem um die Analyse von Kriminalitätsphänomenen und Kriminalitätsentwicklungen, die über den Einzelfall hinaus reichen. Bei letzterer geht es vor allem um die Analyse von Großverfahren (beispielsweise im Bereich der Wirtschaftskriminalität). Deshalb wurde zur Abgrenzung davon für die im Folgenden beschriebenen verschiedenen Arbeitsmethoden, die alle dem besseren Verständnis des einzelnen Kriminalitätsfalles dienen, der Oberbegriff „Operative Fallanalyse (OFA)“ gewählt.“ [BKA 2004]


Der Begriff der „Operativen Fallanalyse“ vereinigt als Oberbegriff die verschiedenen fallanalytischen Methoden (z.B. Fallanalyse, Täterprofilerstellung) und computerunterstützte Werkzeuge (z.B. ESPE, <nowiki>ViCLAS</nowiki>) unter sich. (1)
Der Begriff der „Operativen Fallanalyse“ vereinigt als Oberbegriff die verschiedenen fallanalytischen Methoden (z.B. Fallanalyse, Täterprofilerstellung) und computerunterstützte Werkzeuge (z.B. ESPE, <nowiki>ViCLAS</nowiki>) unter sich. „Operative Fallanalyse“ ist auch zugleich die Bezeichnung für die Organisationseinheiten bei den Landeskriminalämtern (Ausnahme Bayern, dort dem Polizeipräsidium München angegliedert) und dem Bundeskriminalamt (BKA), welche die fallanalytischen Verfahren anwenden.
 
„Operative Fallanalyse“ ist auch zugleich die Bezeichnung für die Organisationseinheiten bei den Landeskriminalämtern (Ausnahme Bayern, dort dem Polizeipräsidium München angegliedert) und dem Bundeskriminalamt (BKA), welche die fallanalytischen Verfahren anwenden.
 


'''ViCLAS (Violent Crime Linkage Analysis System)'''
'''ViCLAS (Violent Crime Linkage Analysis System)'''


„Analyse-System zum Verknüpfen von (sexuellen) Gewaltdelikten in Deutschland“
„Analyse-System zum Verknüpfen von (sexuellen) Gewaltdelikten ([[Sexualdelikte]]) in Deutschland“
<nowiki>ViCLAS</nowiki> ist eine Datenbank, die ein Hilfsmittel für speziell ausgebildete Polizeibeamte darstellt, um Tat-Tat- bzw. Tat-Täter-Zusammenhänge aufgrund des vom Täter gezeigten Verhaltens, erkennen zu können.
<nowiki>ViCLAS</nowiki> ist eine Datenbank, die ein Hilfsmittel für speziell ausgebildete Polizeibeamte darstellt, um Tat-Tat- bzw. Tat-Täter-Zusammenhänge aufgrund des vom Täter gezeigten Verhaltens, erkennen zu können.
<nowiki>ViCLAS</nowiki> wurde speziell für Fälle der sexuell motivierten Gewaltdelikte konstruiert. Mittels des 168 Fragen umfassenden <nowiki>ViCLAS</nowiki>-Bogens sollen die entsprechenden Delikte sinnvoll strukturiert und wiedererkennbar abgebildet werden.  
<nowiki>ViCLAS</nowiki> wurde speziell für Fälle der sexuell motivierten Gewaltdelikte konstruiert. Mittels des 168 Fragen umfassenden <nowiki>ViCLAS</nowiki>-Bogens sollen die entsprechenden Delikte sinnvoll strukturiert und wiedererkennbar abgebildet werden.  
<nowiki>ViCLAS</nowiki> bedient sich dabei der Hilfsmittel der Abstraktion und der Reduktion auf das Wesentliche, überwiegend über Multiple-Choice-Felder.  
<nowiki>ViCLAS</nowiki> bedient sich dabei der Hilfsmittel der Abstraktion und der Reduktion auf das Wesentliche, überwiegend über Multiple-Choice-Felder.  


'''ESPE (Experten- und Spezialistendatei)'''
'''ESPE (Experten- und Spezialistendatei)'''


Diese beim BKA geführte Datei hilft bei der Findung von Spezialisten für alle denkbaren Fragestellungen, deren Beantwortung bei der Bearbeitung eines Kriminalfalles von Bedeutung sein können.
Diese beim BKA geführte Datei hilft bei der Findung von Spezialisten für alle denkbaren Fragestellungen, deren Beantwortung bei der Bearbeitung eines Kriminalfalles von Bedeutung sein können.


'''GEOFAS (Geografisches-Fallanalyse-System)'''
'''GEOFAS (Geografisches-Fallanalyse-System)'''
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Auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten werden Berechnungen erstellt, die Aussagen zu möglichen örtlichen Bezügen des Täters erlauben sollen. Hierzu bedarf es mindestens fünf unterschiedlicher Handlungsorte des Täters [Dern et al. 2003, S. 8].
Auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten werden Berechnungen erstellt, die Aussagen zu möglichen örtlichen Bezügen des Täters erlauben sollen. Hierzu bedarf es mindestens fünf unterschiedlicher Handlungsorte des Täters [Dern et al. 2003, S. 8].


'''Crime'''
Hierbei handelt es sich um ein Computerprogramm, welches sämtliche Straftaten in einem bestimmten Raum (Stadt Hamburg, Hamburg-St.Pauli, Postleitzahlenbereiche, etc) abspeichert und in Kartenform präsentiert. Auf der Landkarte werden die jeweiligen Tatorte gekennzeichnet sowie das Datum und die Art des Delikts. Durch Eingrenzungen in Bezug auf die Straftat und den Zeitpunkt kann man sich zum Beispiel alle Vergewaltigungen im Jahr 2007 für das Postleitzahlengebiet 22527 anzeigen lassen. Über die einzelnen Markierungen können außerdem die Einzelheiten des jeweiligen Falls aufgerufen werden.


'''Fallanalyse'''
'''Fallanalyse'''


„Bei der Fallanalyse handelt es sich um ein kriminalistisches Werkzeug, welches das Fallverständnis bei Tötungs- und sexuellen Gewaltdelikten sowie anderen geeigneten Fällen von besonderer Bedeutung auf der Grundlage objektiver Daten und möglichst umfassender Information zum Opfer mit dem Ziel vertieft, ermittlungsunterstützende Hinweise zu erarbeiten.“ [Dern et al. 2003, S. 3]  
„Bei der Fallanalyse handelt es sich um ein kriminalistisches Werkzeug, welches das Fallverständnis bei Tötungs- und sexuellen Gewaltdelikten sowie anderen geeigneten Fällen von besonderer Bedeutung auf der Grundlage objektiver Daten und möglichst umfassender Information zum Opfer mit dem Ziel vertieft, ermittlungsunterstützende Hinweise zu erarbeiten.“ [Dern et al. 2003, S. 3]  


'''Täterprofil'''
'''Täterprofil'''
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==Verwendung des Begriffs in der Vergangenheit / Historie==
==Profiling in der Vergangenheit / Historie==
Sofern man den Begriff des Profilings insbesondere mit der Erstellung von (biologischen) <u>Täter- bzw. Menschentypologien</u> in Verbindung bringt, dann scheinen Versuche in diese Richtung bereits sehr früh erkennbar zu sein. So soll der griechische Philosoph Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) bereits eine Sammlung von bestimmten Gesichtsformen, denen verschiedene Charaktertypen entsprechen sollen, gehabt haben [Hoffmann / Musolff  2000, S. 55].  
Sofern man den Begriff des Profilings insbesondere mit der Erstellung von (biologischen) <u>Täter- bzw. Menschentypologien</u> in Verbindung bringt, dann scheinen Versuche in diese Richtung bereits sehr früh erkennbar zu sein. So soll der griechische Philosoph Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) bereits eine Sammlung von bestimmten Gesichtsformen, denen verschiedene Charaktertypen entsprechen sollen, gehabt haben [Hoffmann / Musolff  2000, S. 55].  
Wenn man jedoch <u>psychologische Charakterisierung und analytische Vorgehensweise</u> als Kriterien des Profilings zugrunde legt, so wird man in der Literatur immer wieder mit den gleichen Namen konfrontiert. <br>
Wenn man jedoch <u>psychologische Charakterisierung und analytische Vorgehensweise</u> als Kriterien des Profilings zugrunde legt, so wird man in der Literatur immer wieder mit den gleichen Namen konfrontiert. <br>
So soll Dr. Thomas Bond 1888 ein erstes psychologisches Profil über den bis heute unbekannten Täter, genannt „Jack the Ripper“, erstellt haben [Fink, S. 209].  
So soll Dr. [[Thomas Bond]] 1888 ein erstes psychologisches Profil über den bis heute unbekannten Täter, genannt „Jack the Ripper“, erstellt haben [Fink, S. 209].  
1930 wurde das vermutlich erste bekannte Täterprofil in Deutschland in einer Sonderausgabe des „Deutschen Kriminalpolizei-Blattes“(2) publiziert  
1930 wurde das vermutlich erste bekannte Täterprofil in Deutschland in einer Sonderausgabe des „Deutschen Kriminalpolizei-Blattes“ publiziert  
[Hoffmann / Musolff  2000, S. 35]. Gesucht wurde der Serienmörder Peter Kürten.<br>
[Hoffmann / Musolff  2000, S. 35]. Gesucht wurde der Serienmörder Peter Kürten.<br>
1943 erhielt der Psychiater Dr. Walter C. Langer vom US-amerikanischen Militärgeheimdienst OSS (Office of Strategic Services – Vorläufer des CIA) den Auftrag, ein Persönlichkeitsprofil von Adolf Hitler(3) zu fertigen. Da in diesem Fall nicht ein unbekannter Täter beschrieben, sondern insbesondere das (bei einer Kriegs-Niederlage) zu erwartende Verhalten einer bekannten Person prognostiziert werden sollte, ist dieses Profil von anderen Täterprofilen (besonders nach heutiger Definition) zu unterscheiden [Holmes / Holmes, S. 25 ff]. <br>
1943 erhielt der Psychiater Dr. Walter C. Langer vom US-amerikanischen Militärgeheimdienst OSS (Office of Strategic Services – Vorläufer des CIA) den Auftrag, ein Persönlichkeitsprofil von Adolf Hitler zu fertigen. Da in diesem Fall nicht ein unbekannter Täter beschrieben, sondern insbesondere das (bei einer Kriegs-Niederlage) zu erwartende Verhalten einer bekannten Person prognostiziert werden sollte, ist dieses Profil von anderen Täterprofilen (besonders nach heutiger Definition) zu unterscheiden [Holmes / Holmes, S. 25 ff]. <br>
Der amerikanische Psychiater James A. Brussels hat u.a. in den 50er Jahren ein Persönlichkeitsprofil über den New Yorker „Mad Bomber(4)“ und in den 60er Jahren zusammen mit anderen Psychologen und Psychiatern über den „Würger von Boston(5)“ erstellt [Fink, S. 209/210].
Der amerikanische Psychiater James A. Brussels hat u.a. in den 50er Jahren ein Persönlichkeitsprofil über den New Yorker „Mad Bomber“ und in den 60er Jahren zusammen mit anderen Psychologen und Psychiatern über den „Würger von Boston“ erstellt [Fink, S. 209/210].


Für das, was man heute unter Fallanalyse/Täterprofilerstellung versteht, dürften am ehesten die  Entwicklungen der letzten 30 bis 40 Jahre verantwortlich sein. Nur zusammenfassend genannt werden an dieser Stelle beispielsweise die Gründung der Behavioral Science Unit (BSU) beim Federal Bureau of Investigation (FBI) in den 1970er Jahren mit ihren (wenn auch heute kritisch betrachteten) Forschungsprojekten(6), die zu der Erkenntnis führten, dass unterschiedliche Tätertypen bzw. –persönlichkeiten unterschiedliche Tatorte hinterlassen. Diese Erkenntnis kann als Beginn der „''crime scene analysis''“ (Tatortanalyse) angesehen werden, die sich dann im Laufe der Zeit in den fallanalytischen Ansatz, so wie er heute in Deutschland praktiziert wird, weiterentwickelt hat. <br>
Für das, was man heute unter Fallanalyse/Täterprofilerstellung versteht, dürften am ehesten die  Entwicklungen der letzten 30 bis 40 Jahre verantwortlich sein. Nur zusammenfassend genannt werden an dieser Stelle beispielsweise die Gründung der Behavioral Science Unit (BSU) beim Federal Bureau of Investigation (FBI) in den 1970er Jahren mit ihren (wenn auch heute kritisch betrachteten) Forschungsprojekten, die zu der Erkenntnis führten, dass unterschiedliche Tätertypen bzw. –persönlichkeiten unterschiedliche Tatorte hinterlassen. Diese Erkenntnis kann als Beginn der „''crime scene analysis''“ (Tatortanalyse) angesehen werden, die sich dann im Laufe der Zeit in den fallanalytischen Ansatz, so wie er heute in Deutschland praktiziert wird, weiterentwickelt hat. <br>
In den 1980er Jahren erfolgte dann die Entwicklung von VICAP(7) durch das FBI und in den 1990er Jahren die Weiterentwicklung zu ViCLAS durch die Royal Canadian Mounted Police (RCMP).
In den 1980er Jahren erfolgte dann die Entwicklung von VICAP durch das FBI und in den 1990er Jahren die Weiterentwicklung zu ViCLAS durch die Royal Canadian Mounted Police (RCMP).


Erste Erfahrungen mit dem US-amerikanischen Modell des Profilings wurden in Deutschland seit den 1980er Jahren im BKA gesammelt. <br>
Erste Erfahrungen mit dem US-amerikanischen Modell des Profilings wurden in Deutschland seit den 1980er Jahren im BKA gesammelt. <br>
Am 05.02.1998 wurde dann offiziell beim BKA die OFA, so wie sie heute auch in jedem Bundesland existiert, gegründet und seit dem 07.06.2000 befindet sich <nowiki>ViCLAS</nowiki> im bundesweiten Wirkbetrieb.
Am 05.02.1998 wurde dann offiziell beim BKA die OFA, so wie sie heute auch in jedem Bundesland existiert, gegründet und seit dem 07.06.2000 befindet sich <nowiki>ViCLAS</nowiki> im bundesweiten Wirkbetrieb.


==Zusammenhänge mit anderen Begriffen==
==Zusammenhänge mit anderen Begriffen==
Bei den fallanalytischen Verfahren handelt es sich um relativ neue Methoden, die ihren Ursprung überwiegend im englischsprachigen Raum haben. Aus diesem Grund wurden insbesondere anfangs in Deutschland sehr unterschiedliche und auch synonym gebrauchte Begriffe nebeneinander verwandt.
Bei den fallanalytischen Verfahren handelt es sich um relativ neue Methoden, die ihren Ursprung überwiegend im englischsprachigen Raum haben. Aus diesem Grund wurden insbesondere anfangs in Deutschland sehr unterschiedliche und auch synonym gebrauchte Begriffe nebeneinander verwandt.  
An dieser Stelle seien nur einige beispielhaft aufgeführt:
An dieser Stelle seien nur einige beispielhaft aufgeführt:
Profiling, Criminal Profiling, Crime Scene Analysis / Profiling, Criminal Investigative Analysis, Offender Profiling, Criminal Personality bzw. Behaviour Profiling, Crime Behavioural Analysis, Tatortanalyse, Tathergangsanalyse
Profiling, Criminal Profiling, Crime Scene Analysis / Profiling, Criminal Investigative Analysis, Offender Profiling, Criminal Personality bzw. Behaviour Profiling, Crime Behavioural Analysis, Tatortanalyse, Tathergangsanalyse, etc.
 
Um jedoch einen einheitlichen (polizeilichen) Sprachgebrauch zu gewährleisten, wurden die zu verwendenden Begriffe eindeutig festgelegt.
Um jedoch einen einheitlichen (polizeilichen) Sprachgebrauch zu gewährleisten, wurden die zu verwendenden Begriffe eindeutig festgelegt (8).
 
Bei den im folgenden aufgeführten Begriffen handelt es sich um solche, die immer wieder in Zusammenhang mit dem „Profiling“ bzw. der „Operativen Fallanalyse“ gebracht werden:
Bei den im folgenden aufgeführten Begriffen handelt es sich um solche, die immer wieder in Zusammenhang mit dem „Profiling“ bzw. der „Operativen Fallanalyse“ gebracht werden:


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Unter „cold case management“ versteht man das erneute Aufrollen eines ungeklärten, länger zurückliegenden (in aller Regel Tötungs-) Deliktes, mit dem Ziel, durch eine Fallanalyse (bzw. ein Täterprofil) neue Ermittlungsansätze gewinnen zu können.
Unter „cold case management“ versteht man das erneute Aufrollen eines ungeklärten, länger zurückliegenden (in aller Regel Tötungs-) Deliktes, mit dem Ziel, durch eine Fallanalyse (bzw. ein Täterprofil) neue Ermittlungsansätze gewinnen zu können.


'''DNA/DNS (=Desoxiribonukleinsäure)'''
'''DNA/DNS (=Desoxiribonukleinsäure)'''
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Bei DNA-Analysen wird der nicht-codierte Bereich der menschlichen Genstruktur mit dem Ziel der Identifizierung einer Person untersucht.<br>
Bei DNA-Analysen wird der nicht-codierte Bereich der menschlichen Genstruktur mit dem Ziel der Identifizierung einer Person untersucht.<br>
Auftrag einer Fallanalyse kann es auch sein, ein Raster (insbesondere Altersstruktur, Vorstrafen, geografische Parameter) für eine Massen-DNA-Untersuchung/ Massengentest zu erarbeiten.
Auftrag einer Fallanalyse kann es auch sein, ein Raster (insbesondere Altersstruktur, Vorstrafen, geografische Parameter) für eine Massen-DNA-Untersuchung/ Massengentest zu erarbeiten.


'''Geografische Fallanalyse'''
'''Geografische Fallanalyse'''


„Die Anwendung dieser speziellen Methode erfordert besonders ausgebildete und entsprechend technisch ausgestattete Fallanalytiker. Geografische Fallanalysen dienen dazu, basierend auf der Analyse des räumlichen Verhaltens des Täters, Aussagen zu seinen möglichen örtlichen Bezügen (Ankerpunkte(9)) abzuleiten, um die Ermittlungen auf die so priorisierten Örtlichkeiten zu fokussieren und dadurch zu ökonomisieren. Geografische Fallanalysen können bei Tatserien oder schwerwiegenden Einzeldelikten mit mehreren Handlungsorten durchgeführt werden.“ [Dern et al. 2003, S. 7]
„Die Anwendung dieser speziellen Methode erfordert besonders ausgebildete und entsprechend technisch ausgestattete Fallanalytiker. Geografische Fallanalysen dienen dazu, basierend auf der Analyse des räumlichen Verhaltens des Täters, Aussagen zu seinen möglichen örtlichen Bezügen (Ankerpunkte) abzuleiten, um die Ermittlungen auf die so priorisierten Örtlichkeiten zu fokussieren und dadurch zu ökonomisieren. Geografische Fallanalysen können bei Tatserien oder schwerwiegenden Einzeldelikten mit mehreren Handlungsorten durchgeführt werden.“ [Dern et al. 2003, S. 7]
 


'''Handschrift'''
'''Handschrift'''


Unter der Handschrift(10) sind, vereinfacht ausgedrückt, alle Handlungen zu verstehen, die über die rein notwendigen i.S.d. Modus operandi hinausgehen. Die Literatur spricht in aller Regel von Handschrift erst, wenn sie sich über mehrere Taten hinweg erkennen lässt. Bei einer einmaligen Feststellung werden diese Handlungen als Personifizierung bezeichnet. <br>
Unter der Handschrift sind, vereinfacht ausgedrückt, alle Handlungen zu verstehen, die über die rein notwendigen i.S.d. Modus operandi hinausgehen. Die Literatur spricht in aller Regel von Handschrift erst, wenn sie sich über mehrere Taten hinweg erkennen lässt. Bei einer einmaligen Feststellung werden diese Handlungen als Personifizierung bezeichnet. <br>
Im OFA-Sprachgebrauch wird jedoch auch schon bei einem einmaligen Auftreten dieser Handlungen von Handschrift gesprochen. Handschrift und Personifizierung werden auch schon mal Verhaltensfingerabdruck genannt, da sie als relativ individuell und konstant gelten.
Im OFA-Sprachgebrauch wird jedoch auch schon bei einem einmaligen Auftreten dieser Handlungen von Handschrift gesprochen. Handschrift und Personifizierung werden auch schon mal Verhaltensfingerabdruck genannt, da sie als relativ individuell und konstant gelten.


 
'''Investigative Psychology'''
'''Investigative Psychology (11)'''


Der Begriff der Investigative Psychology lässt sich mit Ermittlungspsychologie übersetzen und ist fest mit dem Namen David Canter, Professor für Psychologie an der University of Liverpool, verknüpft.<br>
Der Begriff der Investigative Psychology lässt sich mit Ermittlungspsychologie übersetzen und ist fest mit dem Namen David Canter, Professor für Psychologie an der University of Liverpool, verknüpft.<br>
„Der Lehrstuhl für Ermittlungspsychologie an der britischen Universität Liverpool vertritt einen konsequenten empirischen, theoriegeleiteten, streng verhaltensorientierten Ansatz. Neben aufwendigen statistischen Methoden bilden zahlreiche Konzepte aus der Psychologie, etwa aus der kognitiven Theorie, Persönlichkeitstheorie, Verhaltens- und Sozialpsychologie eine wichtige Grundlage für die ausgefeilten wissenschaftlichen Untersuchungen.“ [Musolff / Hoffmann, S. 18]  
„Der Lehrstuhl für Ermittlungspsychologie an der britischen Universität Liverpool vertritt einen konsequenten empirischen, theoriegeleiteten, streng verhaltensorientierten Ansatz. Neben aufwendigen statistischen Methoden bilden zahlreiche Konzepte aus der Psychologie, etwa aus der kognitiven Theorie, Persönlichkeitstheorie, Verhaltens- und Sozialpsychologie eine wichtige Grundlage für die ausgefeilten wissenschaftlichen Untersuchungen.“ [Musolff / Hoffmann, S. 18]  


'''Modus operandi'''
'''Modus operandi'''
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Der Modus operandi bezeichnet die Begehungsweise, also die „Art und Weise der Begehung von Straftaten und anderen kriminalistisch relevanten Handlungen“ [Kriminalistik Lexikon].
Der Modus operandi bezeichnet die Begehungsweise, also die „Art und Weise der Begehung von Straftaten und anderen kriminalistisch relevanten Handlungen“ [Kriminalistik Lexikon].
Grundsätzlich werden unter dem Modus operandi alle Handlungen verstanden, die der Verschleierung der Identität, der Zielerreichung der Straftat und der erfolgreichen Fluchtermöglichung dienen [Hazelwood / Warren, S. 134].
Grundsätzlich werden unter dem Modus operandi alle Handlungen verstanden, die der Verschleierung der Identität, der Zielerreichung der Straftat und der erfolgreichen Fluchtermöglichung dienen [Hazelwood / Warren, S. 134].


'''Proaktive Strategie'''
'''Proaktive Strategie'''


„Mit sogenannten proaktiven Strategien wird der Versuch unternommen durch die gezielte Veröffentlichung von Informationen – beispielsweise in Massenmedien – einen unbekannten Täter zu gewünschten Handlungen zu verleiten beziehungsweise von unerwünschten Verhaltensweisen abzuhalten.“ [Hoffmann / Musolff  2000, S. 19]  
„Mit sogenannten proaktiven Strategien wird der Versuch unternommen durch die gezielte Veröffentlichung von Informationen – beispielsweise in Massenmedien – einen unbekannten Täter zu gewünschten Handlungen zu verleiten beziehungsweise von unerwünschten Verhaltensweisen abzuhalten.“ [Hoffmann / Musolff  2000, S. 19]  


'''Rasterfahndung'''
'''Rasterfahndung'''
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Der Begriff der [[Rasterfahndung]] wird insbesondere seit den Terroranschlägen des 11. September mit der „Operativen Fallanalyse“ in Verbindung gebracht, da durch die Fallanalytiker des [[BKA (Bundeskriminalamt)|BKA]] ein „Täterprofil Schläfer“ als Grundlage für eine Rasterfahndung erarbeitet wurde.
Der Begriff der [[Rasterfahndung]] wird insbesondere seit den Terroranschlägen des 11. September mit der „Operativen Fallanalyse“ in Verbindung gebracht, da durch die Fallanalytiker des [[BKA (Bundeskriminalamt)|BKA]] ein „Täterprofil Schläfer“ als Grundlage für eine Rasterfahndung erarbeitet wurde.


'''Serienmörder'''


'''Serienmörder (12)'''
Eine allgemeingültige Definition für den [[Serienmörder]] existiert nicht, vielmehr variieren die Beschreibungen je nach Untersuchungsgegenstand.<br>
 
Eine allgemeingültige Definition für den [[Serienmörder]] existiert nicht, vielmehr variieren die Beschreibungen je nach Untersuchungsgegenstand (13).<br>
Auch ist der Begriff des Serienmörders entgegen landläufiger Meinungen nicht untrennbar mit der Fallanalyse verbunden, wie schon Harald Dern / [[BKA (Bundeskriminalamt)|BKA]] bemerkte [Dern, S. 533].
Auch ist der Begriff des Serienmörders entgegen landläufiger Meinungen nicht untrennbar mit der Fallanalyse verbunden, wie schon Harald Dern / [[BKA (Bundeskriminalamt)|BKA]] bemerkte [Dern, S. 533].


'''Vergleichende Fallanalyse'''
'''Vergleichende Fallanalyse'''


„Bei der vergleichenden Fallanalyse wird die Frage signifikanter Übereinstimmungen zwischen mehreren Fällen geprüft, mögliche Abweichungen bewertet und eine Aussage darüber getroffen, ob die entsprechenden Taten aus fallanalytischer Sicht einer Person oder Personengruppe zugeordnet werden können.“ [Dern et al. 2003, S. 6]  
„Bei der vergleichenden Fallanalyse wird die Frage signifikanter Übereinstimmungen zwischen mehreren Fällen geprüft, mögliche Abweichungen bewertet und eine Aussage darüber getroffen, ob die entsprechenden Taten aus fallanalytischer Sicht einer Person oder Personengruppe zugeordnet werden können.“ [Dern et al. 2003, S. 6]  


'''Vernehmungsstrategie'''
'''Vernehmungsstrategie'''
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Hierunter versteht man „eine effiziente, den Eigenarten des Täters [Anm. der Autorin: des Tatverdächtigen] angepasste Befragung, welche zu dessen Überführung oder aber Entlastung führen kann.“ [Meyer]<br>
Hierunter versteht man „eine effiziente, den Eigenarten des Täters [Anm. der Autorin: des Tatverdächtigen] angepasste Befragung, welche zu dessen Überführung oder aber Entlastung führen kann.“ [Meyer]<br>
„[Fallanalytisch fundierte Vernehmungsstrategien] haben das Ziel, von dem Tatverdächtigen möglichst viele relevante Informationen zu erhalten und – falls möglich – den Täter zu einem Geständnis zu bringen. Aber auch für die Befragung von Vergewaltigungsopfern wurden Strategien entwickelt, um möglichst schonend Angaben zu erhalten, die für eine Fallanalyse oder ein Täterprofil von Bedeutung sind.“ [Hoffmann / Musolff  2000, S. 19/20]
„[Fallanalytisch fundierte Vernehmungsstrategien] haben das Ziel, von dem Tatverdächtigen möglichst viele relevante Informationen zu erhalten und – falls möglich – den Täter zu einem Geständnis zu bringen. Aber auch für die Befragung von Vergewaltigungsopfern wurden Strategien entwickelt, um möglichst schonend Angaben zu erhalten, die für eine Fallanalyse oder ein Täterprofil von Bedeutung sind.“ [Hoffmann / Musolff  2000, S. 19/20]


'''Versionsbildung'''
'''Versionsbildung'''
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Die Fallanalyse stellt somit ein Hilfsmittel der polizeilichen Ermittlungstätigkeit dar, neben vielen anderen (z.B. DNA-Analytik, Spurentechnik) und ersetzt keinesfalls die normale kriminalistische Ermittlungstätigkeit.<br>
Die Fallanalyse stellt somit ein Hilfsmittel der polizeilichen Ermittlungstätigkeit dar, neben vielen anderen (z.B. DNA-Analytik, Spurentechnik) und ersetzt keinesfalls die normale kriminalistische Ermittlungstätigkeit.<br>
Deshalb: Mit Fallanalyse alleine löst man keine Fälle und fängt keine Täter!
Deshalb: Mit Fallanalyse alleine löst man keine Fälle und fängt keine Täter.


In der Realität sieht es so aus, dass Fallanalysen in Deutschland im Team-Ansatz bearbeitet werden, d.h. mindestens drei ausgebildete Fallanalytiker arbeiten zusammen an einem Fall [Dern et al. 2003, S. 3]. Man bedient sich hierbei der Synergieeffekte der Kleingruppe.<br>
In der Realität sieht es so aus, dass Fallanalysen in Deutschland im Team-Ansatz bearbeitet werden, d.h. mindestens drei ausgebildete Fallanalytiker arbeiten zusammen an einem Fall [Dern et al. 2003, S. 3]. Man bedient sich hierbei der Synergieeffekte der Kleingruppe.<br>
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==Kriminologische Relevanz==
==Beispiel des Hamburger LKA zum geografischen Ansatz==
Die „Operative Fallanalyse“ befasst sich u.a. mit folgenden Fragen:
Zum Zeitpunkt der Fußball-WM in Deutschland 2006 kam es in den frühen Morgenstunden im Bereich eines S-Bahnhofs zu einer überfallartigen sexuellen Nötigung. Es gab keine Zeugen und keine Hinweise auf die Person des Täters, der kaum körperliche Gewalt angewendet hatte. Das Opfer befand sich auf dem Weg zur Arbeit als es zu dem Übergriff kam.  
*WAS hat sich WANN WIE zugetragen?
*WARUM hat es sich auf die erkennbare Weise zugetragen?
Diese Fragen dienen als Zwischenschritte für die Annäherung an die entscheidende Frage, nämlich WER die Tat begangen haben könnte.
 
Während die Beantwortung der erste Frage klassisch kriminalistische Arbeit voraussetzt, begegnen sich bei der zweiten Frage [[Kriminalistik]] und [[Kriminologie]]. Denn gerade mit der Frage nach dem „Warum?“ befasst sich auch die Kriminologie.
 
Insbesondere die folgenden kriminologischen Erklärungsansätze finden bei der Suche nach dem „Warum“ ihre Berücksichtigung:
 
 
*„[[Rational Choice Theory]]“ (Theorie der rationalen Wahl)<br>
Der Rational Choice Ansatz von Cornish und Clarke (1986) basiert grundsätzlich auf der Annahme, dass ein Täter vor dem Hintergrund einer Kosten-Nutzen-Rechnung, also dem Verhältnis des angestrebten kriminellen Gewinns zur Entdeckungswahrscheinlichkeit, über die Begehung einer Straftat entscheidet.
*„[[Routine activity theory|Routine Activity Approach]]“ (Routineaktivitäten und Straftaten)<br>
Der Routine Activity Approach von Cohen und Felson (1979) besagt, „dass sich Straftaten ganz überwiegend im Bereich der Alltagsroutinen der betroffenen Personen abspielen.“ [Dern et al. 2004, S. 20] (14) Voraussetzung hierfür ist das räumliche und zeitliche Zusammentreffen eines tatbereiten Täters, eines geeigneten Tatziels und die Schutzlosigkeit des Tatziels/Abwesenheit eines Kontrolleurs bzw. einer Kontrolle.


Da diese beiden Erklärungsansätze auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinen, ist es von Bedeutung, dass der Rational Choice Ansatz nicht so zu verstehen ist, dass sich der Täter vor Begehung einer Straftat zwingend mit den zu erwartenden Folgen, seien es beispielsweise eine mögliche Bestrafung oder Langzeitwirkungen von Drogen, auseinandersetzt. Vielmehr geht der Rational Choice Ansatz davon aus, dass ein Täter vor Begehung einer Straftat erst einmal nachdenkt, wenn auch nur für einen Moment. Allerdings muss man in diesem Fall auch von der Perspektive des Täters ausgehen und darf nicht seine eigenen Kenntnisse, Fähig- und Fertigkeiten zugrunde legen. Entscheidungskriterien dürften sich somit eher aus der Situation heraus ergeben, in der der Täter sich zum Zeitpunkt des Tatentschluss befindet. (15)
Meist gehen einer solchen sexuellen Überfalltat andere Straftaten voraus, die jedoch nícht im sexuellen Bereich liegen müssen. Da auf Grund der Abgelegenheit des Tatorts außerdem davon ausgegangen wurde, dass der Täter aus dem näheren Umfeld kam, wurde eine bestimmte Altersklasse aller dort wohnhaften männlichen Personen mit mindestens einer Vorstrafe untersucht. Das Ergebnis waren knapp hundert Verdächtige, denen man jedoch allesamt nichts nachweisen konnte.  


Als es zu einer weiteren Überfalltat in der Nähe kam, bei der es sich offensichtlich um den gleichen Täter handelte, konnte der Ansatz etwas verändert werden. Der Täter hatte gegenüber der Frau erwähnt, dass er ein 18 Monate altes Kind hat. Nun wurden über das Einwohnermeldeamt aus dem Postleitzahlengebiet des Tatorts und dem angrenzenden Gebiet alle Kinder dieser Altersgruppe ermittelt und tatsächlich konnte darüber der Täter gefunden werden.


==Literatur==
Ein weiterer Ansatz war die Tatsache, dass der Täter eine volle Bierflasche bei sich hatte. Es wurde davon ausgegangen, dass es sich dabei um kaltes (frisches) Bier handelt, da niemand gern warmes Bier trinkt. Das bedeutet jedoch, dass es erst kurz vor der Straftat gekauft worden sein konnte, da es bei langem Transport (im Sommer) andernfalls viel zu warm wäre. Zu der Tatzeit waren noch nicht sehr viele Tankstellen in der Umgebung geöffnet und tatsächlich hatte man den Täter an einer der Tankstellen beim Kauf des Bieres gesehen.
*1) siehe Anlage
*(2) Originaltitel: Deutsches Kriminalpolizeiblatt / Preußische Sonderausgabe / Jg. 3 (1930) Sondernummer „Die Düsseldorfer Sexualverbrechen von 1929; 08. April 1930. Teil des Sammlungsbestandes des Deutschen Historischen Museums in Berlin (Internetrecherche vom 21.06.2005: http://www.dhm.de/datenbank/index.html?/datenbank/d2e0/d2e00283.html)
Das „Kriminal-Magazin“ widmete ebenfalls eine Sonderausgabe dem „Massenmörder von Düsseldorf“. Auch hier finden sich, ähnlich einem Täterprofil, Hinweise auf die Persönlichkeit des Täters. [Abgedruckt in: Lenk, Elisabeth / Roswitha Kaever (Hrsg.): Leben und Werken des Peter Kürten, genannt der Vampir von Düsseldorf; Rogner & Bernhard, München 1974]
*(3) nachzulesen unter: http://www.nizkor.org/hweb/people/h/hitler-adolf/oss-papers/text/profile-index.html (so am 16.06.2004)
*(4) George Matesky (1904 – 1994) alias „Mad Bomber“ hat in den Jahren von 1940 bis 1965 ca. 30 Bomben in New York gelegt. [Wikipedia b]
*(5) Unter dem Pseudonym „The Boston Strangler“ hat ein Serienmörder zwischen dem 14.06.1962 und 04.01.1964 dreizehn Frauen in der Gegend um Boston ermordet. Für die Taten verurteilt wurde Albert ""DeSalvo"" (1930 – 1973), der in Verbindung mit Ermittlungen wegen des Vorwurfes der (versuchten) Vergewaltigung die Morde gestanden hatte. [Wikipedia a]
*(6) Criminal Personality Research Project (CPRC): Interviewprojekt von John Douglas und Robert Ressler an 36 Sexualmördern, die zur Zweiteilung der Serienmörder in “Organized” und “Disorganized” führte.
Studie an 41 Serienvergewaltigern, die zu einer „Vierer-Typologie“ (Power Reassurance, Power Assertive, Anger Retaliatory und Anger Excitement) führte.
*(7) Violent Criminal Apprehension Program - Datenbank zur Unterstützung bei der Fahndung nach (insbesondere „reisenden“ / überörtlich agierenden) Serienmördern anhand der vom Täter gezeigten Verhaltensmuster
*(8) Die Begriffsfestlegungen sind Teil der Konzeption der Bund-Länder-Projektgruppe „Fallanalytische Verfahren und das ""ViCLAS""-Datenbanksystem“; eingerichtet durch die AG Kripo in ihrer 141. Sitzung am 18./19. 03.1998.
*(9) z.B. Wohnort, Dienst-/Berufsort, Freizeitorte
*(10) Den Unterschied zwischen Modus operandi und Handschrift (signature) beschreiben Douglas, John / Corinne Munn: Violent crime scene analysis: modus operandi, signature and staging, FBI Law Enforcement Bulletin, February 1992 (http://criminalprofiling.ch/violent-crime.html; so am 21.06.2005)
*(11) ausführlichere Informationen unter: http://www.i-psy.com/index.php (so am 28.08.2004)
*(12) Robert Ressler, ehemaliger Profiler beim FBI, beansprucht für sich, den Begriff des „serial killer“ erfunden zu haben.
*(13) So beschreibt das BKA beispielsweise in seiner Untersuchung „Geografisches Verhalten fremder Täter bei sexuellen Gewaltdelikten“ eine Serie wie folgt: „Eine Serie im Sinne dieser Untersuchung liegt dann vor, wenn im Urteil mindestens zwei Taten abgeurteilt wurden, bei denen der Täter verschiedene Opfer zu unterschiedlichen Tatzeiten vergewaltigte bzw. **tötete**.“ [Dern et al. 2004, S. 69]
*(14) Da sich bei ungeklärten Taten auch immer die Frage stellt, wo nach dem Täter zu suchen ist, also wo wohnt er und wie ist sein geografisches Verhalten in Bezug auf Wohn- und Tatort einzuschätzen, hat sich die OFA-Einheit der BKA mit dem „Geografischen Verhalten fremder Täter bei sexuellen Gewaltdelikten“ auseinandergesetzt.
*(15) Ausführlich hierzu siehe [Felson / Clarke]


(Aus Schutz vor Missbrauch solcher Darstellung handelt es sich nur um eine sehr oberflächliche Schilderung der polizeilichen Arbeit. So kann die Arbeit jedoch zumindest ein wenig veranschaulicht werden.)


'''weiterführende Literaturhinweise'''


*Bundeskriminalamt (Hrsg.): Methoden der Fallanalyse. Ein internationales Symposium; BKA-Forschungsreihe, Band 38.1, Wiesbaden 1998
== Literatur ==
*Ackermann, Rolf (2010) Kriminalistische Fallanalyse. Hilden: Polizeiverlag.
*Bundeskriminalamt, Hg. (1998)Methoden der Fallanalyse. Ein internationales Symposium; BKA-Forschungsreihe, Band 38.1, Wiesbaden.
*Bundeskriminalamt, Hg. (2009) Die operative Fallanalyse in der Hauptverhandlung. Wiesbaden.
*Burghard, Waldemar / Hans Werner Hamacher / Horst Herold / Horst Howorka / Edwin Kube / Manfred Schreiber / Alfred Stümper (Hrsg.): Kriminalistik Lexikon, 3. Auflage / 1996, Kriminalistik Verlag, Heidelberg [Kriminalistik Lexikon]
*Burghard, Waldemar / Hans Werner Hamacher / Horst Herold / Horst Howorka / Edwin Kube / Manfred Schreiber / Alfred Stümper (Hrsg.): Kriminalistik Lexikon, 3. Auflage / 1996, Kriminalistik Verlag, Heidelberg [Kriminalistik Lexikon]
*Hoffman, Jens / Cornelia Musolff: Fallanalyse und Täterprofil; BKA-Forschungsreihe, Band 52, Wiesbaden 2000 [Hoffmann / Musolff  2000]
*Hoffman, Jens / Cornelia Musolff: Fallanalyse und Täterprofil; BKA-Forschungsreihe, Band 52, Wiesbaden 2000 [Hoffmann / Musolff  2000]
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*Meyer, Caroline B.: Das Täterprofil aus interdisziplinärer Sicht, unter besonderer Berücksichtigung des Strafprozessrechts (http://www.criminalprofiling.ch/taeterprofil-aufsatz-meyer.html; so am 28.08.2004) [Meyer]
*Meyer, Caroline B.: Das Täterprofil aus interdisziplinärer Sicht, unter besonderer Berücksichtigung des Strafprozessrechts (http://www.criminalprofiling.ch/taeterprofil-aufsatz-meyer.html; so am 28.08.2004) [Meyer]
*Ministerium des Innern (Hrsg.), Autorenkollektiv: Wörterbuch der sozialistischen Kriminalistik, 1. Auflage / 1981, Ministerium des Innern – Publikationsabteilung [Wörterbuch der sozialistischen Kriminalistik]
*Ministerium des Innern (Hrsg.), Autorenkollektiv: Wörterbuch der sozialistischen Kriminalistik, 1. Auflage / 1981, Ministerium des Innern – Publikationsabteilung [Wörterbuch der sozialistischen Kriminalistik]
*Musolff / Hoffmann (Hrsg.): Täterprofile bei Gewaltverbrechen. [[Myth | Mythos]], Theorie und Praxis des Profilings, Springerverlag 2002 [Musolff / Hoffmann 2002]
*Musolff, Cornelia/Hoffmann, Jens, Hg. (2002) Täterprofile bei Gewaltverbrechen. [[Myth | Mythos]], Theorie und Praxis des Profilings, Springerverlag 2002 [Musolff / Hoffmann 2002]
*Robak, Markus (2004) Profiling: Täterprofile und Fallanalysen als Unterstützung strafprozessualer Ermittlungen - Polizeiliche Methoden und deren kriminalpolitische bedeutung. Münster: LIT.
*Rückert, Sabine: Tatort-Analyse; DIE ZEIT 16/2004 (http://zeus.zeit.de/text/2004/16/Tatort; so am 07.05.2004)  [Rückert]
*Rückert, Sabine: Tatort-Analyse; DIE ZEIT 16/2004 (http://zeus.zeit.de/text/2004/16/Tatort; so am 07.05.2004)  [Rückert]
*Turvey, Brent (2006) Criminal Profiling. An introduction to behavioral evidence analysis. London.
*Wippler, Alice (2008) Die Operative Fallanalyse als Beweismittel im Strafprozess. Münster: LIT.




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