Mord (Version 2): Unterschied zwischen den Versionen

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*Sogar ohne dramatische gesellschaftliche Verwerfungen können sich die Homizid-Raten innerhalb von ein bis zwei Dekaden erheblich verändern. Zwischen Ende der 1950er und Ende der 1970er Jahre stieg z.B. in entwickelten westlichen Ländern das Risiko, Opfer eines tödlichen Gewaltverbrechens zu werden, um 60%. Andererseits sank dasselbe Risiko in New York City von 1993 bis 2002 um 69% (vgl. Hess 2004).
*Sogar ohne dramatische gesellschaftliche Verwerfungen können sich die Homizid-Raten innerhalb von ein bis zwei Dekaden erheblich verändern. Zwischen Ende der 1950er und Ende der 1970er Jahre stieg z.B. in entwickelten westlichen Ländern das Risiko, Opfer eines tödlichen Gewaltverbrechens zu werden, um 60%. Andererseits sank dasselbe Risiko in New York City von 1993 bis 2002 um 69% (vgl. Hess 2004).


*Ausnahmefall Nicaragua: das Land ist arm und liegt in demselben Drogenkorridor von Süd- nach Nordamerika, der die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Gruppen und Banden in Ländern wie Honduras und El Salvador befeuert. Dennoch liegt die Homizidrate (13/100.000) hier seit vielen Jahren schon um ein Vielfaches niedriger als bei den Nachbarn. Die relative Immunität gegen exorbitante Gewalt korreliert hier mit einer besseren Regierungsführung, einer vergleichsweise funktionsfähigen Justiz und einer weniger in feindselige ethnische oder soziale Lager gespaltenen Gesellschaftsstruktur (Logan 2009).  
*Ausnahmefall Nicaragua: das Land ist arm und liegt in demselben Drogenkorridor von Süd- nach Nordamerika, der die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Gruppen und Banden in Ländern wie Honduras und El Salvador befeuert. Dennoch liegt die Homizidrate (13/100.000) hier niedriger als bei den Nachbarn. Die relative Immunität gegen exorbitante Gewalt korreliert hier mit einer besseren Regierungsführung, einer vergleichsweise funktionsfähigen Justiz und einer weniger in feindselige ethnische oder soziale Lager gespaltenen Gesellschaftsstruktur (Logan 2009).  


*Ausnahmefall Brasilien: das Land hat eine hohe, aber nicht exorbitante Homizidrate von 25/100.000. Es gibt aber einen Bundesstaat (Alagoas), der eine Homizidrate von 60/100.000 aufweist und dessen Hauptstadt Maceió auf eine Rate von 107 kommt. Das Hauptmerkmal von Alagoas und seiner Hauptstadt Maceió ist extreme soziale Ungleichheit. Elend und Luxus leben nebeneinander. Riesige Zuckerrohrplantagen und Rinderherden kennzeichnen eine Gesellschaft, in der die Plantagenarbeiter ihre Zwiste mit der Faust und mit Messern oder Macheten austragen und in der die Oberschicht der Bestrafung entgeht, indem sie verschwiegene und billige Auftragskiller nutzt. Während Verbesserungen der Lebensverhältnisse und der Polizeiarbeit seit 1998 einen Rückgang der Homizide in Rio um zwei Fünftel und Sao Paulo um zwei Drittel bewirkten, wanderten gewalttätige Drogen- und Waffenhändlerbanden in Gegenden aus, die gleichsam noch auf ihre postmoderne Erschließung warteten, gleichzeitig aber auch alte Gewaltstrukturen aufwiesen: unter anderem in Alagoas fanden sie Gelegenheiten der Landerschließung, des illegalen Tropenholzmarktes, schlecht bewachte Grenzen für Waffen und Drogen sowie eine hochgradig korrupte Polizei (Waiselfisz 2011).
*Ausnahmefall Brasilien: das Land hat eine hohe Homizidrate (25). Verbesserungen der Lebensverhältnisse und der Polizeiarbeit bewirkten seit 1998 einen Rückgang der Homizide in Rio um zwei Fünftel und Sao Paulo um zwei Drittel. In anderen Bundesstaaten wie etwa Alagoas trafen die aus den Metropolen verdrängten Drogen- und Waffenhändlerbanden auf überkommene Gewaltstrukturen sowie einen illegalen Tropenholzmarkt, schlecht bewachte Grenzen und eine korrupte Polizei (Waiselfisz 2011). In Alagoas stieg die Homizidrate auf 60, in der Hauptstadt Maceió auf 107.


== Mord als Abweichung ==
== Mord als Abweichung ==
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